Rezension Rezension (3/5*) zu Wilde Freude: Roman von Sorj Chalandon.

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
1.538
3.981
49
48
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Krebs mit Bling-Bling


Sorj Chalandon kann schreiben – das steht außer Frage. Aber schöne Worte allein, machen noch keinen guten Roman. Dabei ist die Grundidee durchaus vielversprechend.

Am Anfang steht Jeanne. Sie hat es im Leben nicht leicht gehabt. Ihr Sohn wird mit einer unheilbaren Krankheit geboren und stirbt noch als Kind. Den Verlust haben Jeanne und ihr Mann Matt nie richtig verwunden. Jeanne trägt seit dem Tod ihres Kindes nur noch schwarz und Matt konzentriert sich auf seine Arbeit. In dieser ohnehin schon tristen Situation entdeckt Jeanne einen Knoten in ihrer Brust. Die Ärzte diagnostizieren Brustkrebs. Jeanne muss die Diagnose allein verarbeiten. Matt ist ihr überhaupt keine Hilfe. Im Gegenteil: Er flüchtet nicht in seine Arbeit; er reagiert gefühlskalt und kommentiert die körperlichen Begleiterscheinungen der Chemotherapie bei Jeanne mit widerlichen Worten.

Beim Warten auf ihre regelmäßigen Infusionen lernt Jeanne Brigitte kennen. Brigitte hat ebenfalls Krebs und bietet Jeanne Hilfe und ihre Freundschaft an. Mit Brigitte kommen auch deren Lebenspartnerin Assia und eine weitere Freundin, Melody, in Jeannes Leben.

Bis hierhin hätte aus dem Buch ein wirklich guter Roman werden können. Jedoch greift der Autor nun tief in die Klischee- und Trick-Kiste. Kapitel für Kapitel werden die Lebensgeschichten von Brigitte, Assia und Melody ausgerollt. Was zunächst nur danach aussah, als wolle der Autor hier ein paar Seiten des ohnehin nicht langen Romans machen, entpuppte sich aber zudem als Aneinanderreihung höchst unwahrscheinlicher, schlimmer Schicksalsschläge. Kinder werden abgetrieben, verloren und weggenommen. Es folgen Kriminalität, Entführung und Drogen. Zugegeben: All so etwas gibt es. Aber diese Häufung wirkte auf mich unrealistisch und untergräbt das Gewicht jedes Einzelschicksals.

Der Coup des Romans - die vier Frauen überfallen einen Pariser Juwelier - ist zudem völlig deplatziert. Das Motiv für den Überall ist platt und enttäuschend. Das wird durch die "überraschende" Enthüllung am Ende leider nicht gerettet. Der Autor hat sich sehr um eine moralische Rechtfertigung für den Überfall bemüht. Das gelingt aber nicht. Denn der Autor hat allein das bedauernswerte Schicksal der vier Protagonistinnen im Blick und übersieht, dass die räuberische Erpressung weitere Opfer schafft. Der locker-flockige Umgang mit dem Eigentum und der Willensfreiheit anderer hinterlässt bei mir einen schalen Nachgeschmack.

Zudem passt die klamaukhafte Schilderung der Vorbereitung und Durchführung des Überfalls nicht zur Krebsgeschichte. Der spaßige Überfall nimmt der einfühlsamen und authentischen Krebs- und Freundschaftsgeschichte leider viel von ihrer Wirkung und ihrem Gewicht.

Insgesamt ist der Roman zwar bildhaft und mitreißend geschrieben. Hier wird, wer das sucht, gut unterhalten. Allerdings war Krebs mit Bling-Bling nicht das, was ich erwartet hatte. Daher nur drei Sterne.




 

Beliebteste Beiträge in diesem Forum