Rezension Rezension (3/5*) zu Natchez Burning: Thriller von Greg Iles.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Whats goin' on in Mississippi


Natchez, Mississippi, 1964. Ein junger schwarzer Mann hat ein Verhältnis mit einem weißen Mädchen. Leider ist die junge Frau die Tochter eines reichen und einflussreichen Unternehmers mit Kontakten zum Ku-Klux-Klan und der Mafia. Bevor dem Burschen kurzer Prozess gemacht werden kann, gelingt es ihm zu fliehen. Doch der schwarze Inhaber eines Ladens, der dem Paar immer wieder sein Geschäft für ein Stelldichein zu Verfügung gestellt hat, bezahlt auf grausamste Weise mit seinem Leben. Kurz danach verschwinden junge schwarze Bürgerrechtler. Am berüchtigten Knochenbaum wurden sie Opfer der Doppeladler.

Natchez, 2005 Henry Page, angesehener und engagierter Arzt, wird des Mordes an seiner ehemaligen Sprechstundenhilfe Viola angeklagt. Die schwarze Frau hatte Natchez in den 1960ern den Rücken gekehrt und kam sterbenskrank zurück, um dort ihre letzten Tage zu verbringen. Henrys Sohn Penn ist amtierender Bürgermeister von Natchez und setzt alles daran, seinen Vater zu entlasten.

Natchez Burning von Greg Iles ist eigentlich der vierte Teile einer Reihe um Penn Cage, Anwalt und Bürgermeister von Natchez. Es ist aber gleichzeitig auch der erste Teil der Natchez Trilogie, in deren Mittelpunkt die rassistischen Verbrechen der brutalen Splittergruppe des Klans, der Doppeladler, stehen.

„Wir wollen also im Jahre 1964 anfangen, und zwar mit drei Morden. Mit drei Steinen, die in den Teich geworfen wurden, der seit der Belagerung von Vicksburg niemanden interessiert hatte…An einen Ort, von dem die meisten Leute in den Vereinigten Staaten gern glauben, dass er irgendwie anders war als der Rest des Landes, der aber tatsächlich ein präzises Abbild der gefolterten amerikanischen Seele war. Mississippi.“

Nun, Vicksburg ist schon 1863 gewesen, und gefoltert wurde – weder vorher noch nachher - nicht die „amerikanische Seele“, sondern die schwarze Bevölkerung. Rassentrennung, Diskriminierung, Ungleichbehandlung, Entrechtung der Schwarzen ist bis heute nicht ausgerottet.
Im fiktiven Thriller „Natchez Burning” ist der tolerante, integre, mutige Penn Cage schon länger Bürgermeister. Die Verbrechen weißer Rednecks an der schwarzen Bevölkerung beginnen ihn aber erst da brennend zu interessieren, als sein eigener Vater in größten Schwierigkeiten steckt.

„Wenn ein Mann die Wahl hat zwischen der Wahrheit und seinem Vater, entscheidet sich nur der Narr für die Wahrheit“

Greg Iles vergreift sich in seinem Thriller Natchez Burning am Rassismus, fällt aber vielfältig in tradierte Rollenbilder und Klischees. Der einzige schwarze Mann, der es heutzutage im County politisch zu etwas gebracht ist der korrupte Staatsanwalt, mit einigem Dreck am Stecken. Zwei weiße alte Männer erinnern sich wehmütig an ihre erotischen Erfahrungen mit schwarzen Frauen. Nur um zwei Beispiele zu nennen. Ob dem Autor der Kampf gegen Rassismus tatsächlich ein Anliegen ist, konnte ich nicht feststellen. Grausame Hassverbrechen weißer Männer an der schwarzen Bevölkerung aufzuzählen alleine reicht dazu nicht.

Wenn man davon absieht und nur einen spannenden Thriller lesen will, findet man einen weitschweifigen, ausufernden Plot, bei dem Freunde von Verschwörungstheorien sicher ihre Freude hätten. Die Handlung ist auf knapp über 1000 Seiten aufgeblasen. Dramaturgisch wäre da viel zu straffen. Greg Iles setzt auf das Stilmittel der Wiederholung, lässt Ermittlungsergebnisse zwischen den Protagonisten die Runde machen, bis auch der letzte von ihnen weiß, was der Leser schon beim ersten Mal verstanden hat. Der einzige Vorteil einer derart redundanten Erzählweise ist, wenn man bei Seite siebenhundertdrölfzig geneigt ist, geistig abzudriften, bekommt man eine knackige Zusammenfassung der Ereignisse serviert.

Erstaunlicherweise ist die Geschichte nach 1000 Seiten noch immer nicht zu Ende erzählt. Zwei weitere ebensolche Wälzer liegen zu den Verbrechen am Knochenbaum noch vor.



 
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