Rezension Rezension (3/5*) zu Die Nanny: Roman von Gilly Macmillan.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Nanny: Roman von Macmillan, Gilly
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Vor allem das Ende schwächelt...

Die siebenjährige Jo wächst im Luxus auf, doch Wärme und Zuneigung erfährt sie nur von ihrer geliebten Nanny Hannah. Als die eines Nachts ohne jede Erklärung verschwindet, bricht für das Mädchen eine Welt zusammen. Dreißig Jahre später kehrt Jo nach England in das Anwesen ihrer Kindheit am See zurück. Die Beziehung zu ihrer Mutter ist noch immer geprägt von Vorwürfen und Ablehnung, und so ist Jo überglücklich, als eine ältere Dame auftaucht und sich als Hannah, Jos ehemalige Nanny, vorstellt. Doch Jos Mutter ist misstrauisch. Denn sie weiß – Hannah ist tot, seit der Nacht vor über dreißig Jahren. Wem soll Jo glauben? Ihrer Mutter oder der Frau, die damals das einzig Guten in ihrem Leben war? Und will Jo die Wahrheit überhaupt wissen? Denn die tut manchmal so weh, dass man lieber mit einer Lüge leben würde…

Die Verwirrspiele und die wechselnden Perspektiven sind es, die diesem Roman einen gewissen Sog verleihen. Gerade die Sichtweisen der verschiedenen Charaktere (vor allem Jo und ihre Mutter wechseln sich hier ab) sorgen dafür, dass vermeintlich bereits bekannte Sachverhalte sich unerwartet in einem ganz neuen Licht zeigen und man als Leser plötzlich eine Kehrtwende in seinem Urteil vollziehen muss.

Die Charaktere erscheinen im Verlauf der Erzählung in einem zunehmend anderen Licht. Während der Leser zu Beginn Sympathien für Jo entwickelt, die nach dem Tod ihres Ehemanns mit ihrer kleinen Tochter aus den USA nach England zurückkehrt und dort aufgrund ihrer prekären Lage ausgerechnet zu ihrer Mutter ziehen muss, mit der sie sich zeitlebens nie wirklich verstanden hat, kippt diese Einstellung allmählich, je mehr Hintergrundwissen man erhält.

Schließlich ist es die Mutter, die trotz ihres fortgeschrittenen Alters plötzlich als diejenige erscheint, der übel mitgespielt wurde, und die trotz allem versucht, stets den Kopf oben zu tragen - ganz im Gegensatz zu Jo, die an alten Verletzungen und einer unversöhnlichen Vorwurfshaltung festhält und sich nur dann weiterentwickelt, wenn es gar nicht anders geht. Anstrengend.

Ein wesentlicher Charakter des Romans ist natürlich das Kindermädchen Hannah - oder die Frau, die sich für sie ausgibt. Denn eigentlich kann sie es unmöglich sein. Jos Mutter ist sich da ganz sicher - aber das gehört zu den Geheimnissen, die niemals ans Tageslicht gelangen dürfen. Nur - was will diese Frau nach über dreißig Jahren? Weshalb taucht sie ausgerechnet jetzt auf?

Im Verlauf der Erzählung blickt der Leser zunehmend hinter die vermeintlich glatte Fassade der adligen Familie - sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit gibt es etliche Geheimnisse um Lord und Lady Holt, die sie lieber im Verborgenen wissen würden, doch eins nach dem anderen kommt nun ans Licht. Erschreckend für die Tochter Jo, die als kleines Kind im Grunde von ihrem Kindermädchen Hannah aufgezogen wurde. Aber woran könnte sie sich womögich erinnern, wenn sie sich in das Alter von sieben Jahren zurückversetzen könnte? Mit dieser Frage spielt der Roman und hält damit die Spannung aufrecht, die allerdings phasenweise doch auch in langatmigen Passagen - vor allem im Mittelteil - zu versinken droht.

Ein wirklicher Schwachpunkt des Romans ist für mich - ausgerechnet - das Ende. Dort kommt es gleich bei mehreren Charakteren zu eher unglaubwürdigen und nicht vorstellbaren Verhaltensweisen, so dass hier bei mir eher Kopfschütteln angesagt war denn Begeisterung über einen passenden Schlussakt. Außerdem bleiben hier auch einige Fragen offen, was mich per se schon unbefriedigt zurücklässt.

Alles in allem eine nette Unterhaltung, die ich nicht ungern gelesen habe, die mich aber auch nicht wirklich überzeugen konnte. Hiervon hatte ich mir allein schon aufgrund des Klappentextes doch mehr versprochen...


© Parden