Rezension (4/5*) zu Himmlers Germanenwahn: Die SS-Organisation Ahnenerbe und ihre Verbrechen von .

Matzbach

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31. Januar 2020
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OWL
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Als erster Einstieg sicher ganz brauchbar

Etwas vollmundig bewirbt der be.braverlag das Buch "Himmlers Germanenwahn. Die SS-Organisation Ahnenerbe und ihre Verbrechen" von Volker Koop mit dem Klappentext " "Die Geschichte einer verharmlosten SS-Organisation - erstmals in ihrer ganzen Dimension erfasst und beschrieben". Das stimmt in doppelter Hinsicht nicht, denn zum einen gibt es seit den sechziger Jahren bereits eine umfangreiche Studie des deutsch-kanadischen Historikers Michael Kater (die leider in preislicher Hinsicht eher unerschwinglich und vermutlich vielleicht auch nicht unbedingt auf dem neuesten Stand der Forschung ist, schließlich ist seither mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen), zum anderen wird, abgesehen von einigen apologetischen Versuchen ehemaliger Angehöriger, das "Ahnenerbe" von niemandem verharmlost. entsprechend dem Titel beginnt Koop seine Darstellung tatsächlich mit zahlreichen Beispielen des bisweilen groteske Blüten treibenden Germanenkults. So seien diese, ganz im Sinne der damals "deutschen Wissenschaft" so ziemlich für alles Fortschrittliche der Weltgeschichte verantwortlich. Als Beispiel für die damaligen Verirrungen mag dienen, dass der Beginn der Bronzezeit, die bekanntlich ihren Ursprung in Griechenland hatte, durch dorthin eingewanderte nordische Völker erfolgt sei. Auch die Erforschung von Volkstänzen auf den Faröer-Inseln mutet eher putzig an. Schon beinahe pathologisch dagegen sind Himmlers Reinkarnationsvorstellungen bezüglich König Heinrichs I und sein Hexenkult, der es ihm ermöglichte, gegen die Kirchen, insbesondere die katholische, vorzugehen. Wäre es doch nur bei solch grotesken Ideen geblieben. Doch mit Beginn des Weltkrieges wurde aus dem Institut, das in erster Linie die germanische Urgeschichte in all ihren Ausformungen(was immer das sein mochte) erforschen sollte, eine verbrecherische Organisation, die sich durch Kunstraub einerseits, zynische und keine Grenzen kennenden Menschenversuche andererseits hervortat. Dabei war in allen Bereichen, sowohl den eher lächerlichen als auch den verbrecherischen, Himmler oft sogar derjenige, der den Anstoß gab. Um ein Beispiel zu nennen: bei den Kälteversuchen, bei denen es darum ging, auszuforschen, wie lange ein Menscvh extreme Kälte ertragen kann und wie man ihn ggf. wiedererwärmen kann, war es der Reichschsführer der SS, der den Input gab, zu überprüfen, inwieweit Beischlaf zur Erwärmung beitragen konnte (prompt wurden die meist jüdischen Versuchskaninchen, sorry für diesen Ausdruck, nach dem Versuch mit Sinti-Frauen zusammengebracht, wobei ekligerweise auch noch verglichen wurde, ob eine oder zwei Beischläferinnen einen unterschiedlichen Effekt hatten). Es ist dieses Nebeneinander von folkloristischen, manchmal wirklich einfach nur lächerlichen Forschungsansätzen mit den wirklich verbrecheristischen, die alle einer kruden, angeblich wichtigen Kriegsnotwendigkeit folgten. Doch es war nicht das "Ahnenerbe allein", dass solche Menschenversuche plante und durchführte, oft kam der Anstoß dazu aus der Wehrmacht, insbesondere der Luftwaffe.

Koops Darstellung liest sich insgesamt recht ordentlich, aber manchmal fehlt mir einfach die Deutung der zahlreich angeführten Zitate. Sicher, viele davon sprechen für sich, aber manchmal wäre eine Einordnung einfach wünschenswert. Im zweiten Teil, dem also eher mörderischem Teil der Darstellung verzettelt sich Koop meiner Meinung nach dann etwas zu sehr in den Details, wenn er beinahe alle Varianten der zynischen Menschenversuche bis ins Kleinste darstellt, etwa die der bereits angedeuteten Wiedererwärmung. Das hätte man kürzer und prägnanter fassen können.

 
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