Rezension Rezension (4/5*) zu Hagebuttenblut von Lina Bengtsdotter

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Buchinformationen und Rezensionen zu Hagebuttenblut: Thriller  von Lina Bengtsdotter
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Allgegenwärtige Vergangenheit


Eigentlich hat Polizistin Charlie Lager mit ihrem Geburtsort Gullspång abgeschlossen. Ihr letzter Fall hatte sie in ihre Heimat zurückgeführt und dabei sind viele alte Wunden ihrer komplizierten Kindheit wieder aufgebrochen. Zurück in Stockholm steht sie kurz vor einem Zusammenbruch. Kurzerhand wird sie in Urlaub geschickt. Doch Gullspång lässt sie nicht los. Ihre Freundin Susanne braucht Charlies Hilfe. Da kommt es ihr sehr gelegen, dass sie von einem ungelösten Fall, der 30 Jahre zurückliegt erfährt. Die sechzehnjährige Francesca ist damals spurlos verschwunden. Das Herrenhaus von Francescas Familie steht seitdem leer. Je mehr Charlie sich in dem alten Fall engagiert, je mehr erinnert sie sich an früher. Den Francescas Verschwinden scheint im Zusammenhang mit ihrer eigenen Familiengeschichte zu stehen.

„Hagebuttenblut“ von Lina Bengtsdotter ist nun der zweite Teil um die NOA Ermittlerin Charlie Lager. Nahtlos schließt er an die Ereignisse im Sommer an, als Charlie an der Ermittlungen der vermissten Annabelle beteiligt war. Im vorliegenden Buch wir häufig auf den ersten Teil Bezug genommen, deswegen empfiehlt es sich unbedingt, die Serie in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

Es sind mehrere Erzählstränge, die die schwedische Autorin geschickt zu einem Ganzen flicht:

Da ist Charlies Geschichte im heute, ihre Ermittlungen, ihr Hadern mit dem Alkohol und ihrer Beziehungsunfähigkeit: Charlie hat viele Probleme, ist ein komplexer Charakter. Ihre selbstzerstörerische Ader steht im Kontrast zu ihrer Bereitschaft denen zu helfen, die Hilfe nötig haben. Charlie ist von ihrer Kindheit mit Betty, ihrer alkoholkranken Mutter, geprägt, dabei zur Außenseiterin und Eigenbrötlerin geworden.

"Ich mag..."Sie unterbrach sich. Was mochte sie eigentlich? Lesen, trinken, allein sein. Im Moment fiel ihr nichts ein, was nicht deprimierend klang. "Ich lese gern."

Fremd in der eigenen Familie fühlt sich auch Francesca, das Mädchen, das vor 30 Jahren verschwand. Anhand ihrer Tagebuchaufzeichnungen lernen wir eine Jugendliche kenne an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Als ihr bester Freund Paul starb, will sie nicht hinnehmen, dass es sich um Selbstmord handelte. Doch niemand will ihr Glauben schenken und wird als labil und depressiv von der Familie abgestempelt.

„Ich bin ein seltsamer Vogel. Das fünfte Rad, die dreizehnte Fee in dieser Welt.“

Charlie fühlt sich Francesca verbunden und je näher sie Francesca kommt, umso näher kommt sie auch ihrer eigenen Geschichte. Sie träumt von Betty, beginnt sich an Begebenheiten mit ihrer Mutter zu erinnern, die lange verdrängt waren. Schritt für Schritt nähert sich Charlies ihrer Vergangenheit, mehr als ihr lieb ist. Denn die Vergangenheit ist allgegenwärtig.

„Alles war Bettys Schuld, alles begann und endete mit ihr.“

Lina Bengtsdotter zeichnet ein sehr realistisches Bild von Außenseitern, von Menschen abseits der Wohlstandsgesellschaft, von vertanen Chancen, Schuld und seelischer Einsamkeit. Es ist ein ungemein atmosphärischer und vielschichtiger Thriller, der nicht von vordergründiger Gewalt lebt, sondern, der sehr leise Untertöne hat und dabei hoch spannend ist




 

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