1. Leseabschnitt: Anfang bis Seite 77

Sandra Brökel

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10. August 2020
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Ich bin sehr begeistert vom Schreibstil der Autorin. Sie schreibt flüssig und gut verständlich. Die unterschiedlichen Positionen der handelnden Figuren werden wie nebenbei verdeutlicht. Ich liebe die Bilder, die kleinen Geschichten (z.B. der Vergleich mit dem Wald, in dem die zu fällenden Bäume markiert sind. Ebenso markieren die Nazis lebensunwürdige Menschen:eek:). So viel Wahres steckt in den Zeilen, ich kann meine Markierungen unmöglich alle hier darlegen.

Da hätte ich gleich eine Frage an @Sandra Brökel: Sie haben ja eine ganze Tasche mit den Notizen des Arzten Pavel als Grundlage für diesen Roman zur Verfügung gehabt. Hat der Arzt sich wirklich dermaßen "schön" ausdrücken können? Hat er seine Erinnerungen ausformuliert?
Ich vermute mal, dass Sie das künstlerisch aufgearbeitet haben ;) und das, was ich bisher gelesen habe, gefällt mir wirklich extrem gut! Man kann die Atmosphäre, die Ungläubigkeit, die Spaltung der Gesellschaft anhand der handelnden Personen ungeheuer gut nachvollziehen. Man fühlt sich ganz nah dran.
Erstmal danke für das Kompliment!
Ich musste schmunzeln bei der Frage!!! :)
Pavel hat in deutsch geschrieben. Man merkt, dass es nicht die Sprache ist, in der er wirklich zu Hause war. Er war ein wirklicher Schreiberling! Soll heißen, er besaß die einzigartige Gabe, sich in seinen Erinnerungen zu verfangen und abzuschweifen. Manchmal kämpfte ich mich durch viele Seiten, musste wieder zurückblättern, um zu verstehen, was er eigentlich erzählen will... Zum Beispiel erinnert er sich daran, dass er sich Gedanken über die Karlsuniversität machte: er grübelte, ob es richtig sei, dass dort Deutsche und Tschechen studieren und auch Frauen zugelassen sind.... Im Roman habe ich das verdichtet auf einen einzigen Satz. Sinngemäß "er glaubt, Bildung hat weder Geschlecht noch Nationalität." In seinen Unterlagen geht diese These über bestimmt 10 Seiten. Gefüllt mit der Geschichte der Uni, etwas zum Namensgeber Karl usw.
Er formulierte umständlich und das mit einem etwas eingeschränkten Wortschatz. Also so, wie ich in einer Fremdsprache schreiben würde.... :)))))
Ganz ehrlich? Wären die Wege, wie ich zu seinen Unterlagen kam, nicht so faszinierend für mich gewesen, hätte ich sein Manuskript nach wenigen Seiten in die Ecke geworfen. So aber blieb ich ihm treu! :)
 

Sandra Brökel

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10. August 2020
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Dieses Zitat ist mir auch ins Auge gesprungen.

Und ebenso wie du dachte ich gleich nein!

Aber dennoch ist leider etwas Wahres dran. Aber wenn man an sich arbeitet, kann man da etwas ändern! Stimmt!

Nur was mich wundert. In Verbindung zur Nazizeit gedacht. Vom äußerlichen unterscheiden sich doch die Bewohner Mitteleuropas nicht voneinander. Nur sprachlich gibt es Unterschiede. Aber wenn man Unterschiede sucht, wird man sicher noch mehr finden. Leider!
Ging mir ähnlich bei Pavels Manuskript... aber: ich habe diese Meinung übernommen... nach längerem Nachdenken hat er mich doch überzeugt!
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Erstmal danke für das Kompliment!
Ich musste schmunzeln bei der Frage!!! :)
Pavel hat in deutsch geschrieben. Man merkt, dass es nicht die Sprache ist, in der er wirklich zu Hause war. Er war ein wirklicher Schreiberling! Soll heißen, er besaß die einzigartige Gabe, sich in seinen Erinnerungen zu verfangen und abzuschweifen. Manchmal kämpfte ich mich durch viele Seiten, musste wieder zurückblättern, um zu verstehen, was er eigentlich erzählen will... Zum Beispiel erinnert er sich daran, dass er sich Gedanken über die Karlsuniversität machte: er grübelte, ob es richtig sei, dass dort Deutsche und Tschechen studieren und auch Frauen zugelassen sind.... Im Roman habe ich das verdichtet auf einen einzigen Satz. Sinngemäß "er glaubt, Bildung hat weder Geschlecht noch Nationalität." In seinen Unterlagen geht diese These über bestimmt 10 Seiten. Gefüllt mit der Geschichte der Uni, etwas zum Namensgeber Karl usw.
Er formulierte umständlich und das mit einem etwas eingeschränkten Wortschatz. Also so, wie ich in einer Fremdsprache schreiben würde.... :)))))
Ganz ehrlich? Wären die Wege, wie ich zu seinen Unterlagen kam, nicht so faszinierend für mich gewesen, hätte ich sein Manuskript nach wenigen Seiten in die Ecke geworfen. So aber blieb ich ihm treu! :)
Umso mehr Hochachtung vor der Arbeitsleistung!
 

Sandra Brökel

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Das ist so augenöffnend! Wo doch der Sozialismus und seine Diktaturen für sich in Anspruch nahmen die menschlichsten Systeme auf Erden zu sein. Es aber nicht waren. Zumindest ihren Gegnern gegenüber nicht. Hierzu, zumindest nach dem Warum dieses Geschehens gibt auch einige interessante Antworten oder Perspektiven. Und dieser Sozialismus von Dubcek klingt interessant. Vielleicht kommt hier noch einiges.
Ja, da kommt noch ganz viel zu Dubcek und dem Prager Frühling... ;-))))))
 

Sandra Brökel

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An die unerträgliche Leichtigkeit des Seins musste ich auch denken, vor allem weil da der Protagonist auch Arzt ist.
Ich habe vor etwa 30 Jahren Kundera gelesen. Ich hatte Familie in der ehemaligen CSSR. Aber über Politik wurde in meiner Kindheit nicht viel gesprochen (zumindest nicht mit Kindern) und als ich alt genug zum Fragen war, ist meine Großtanten schon verstorben.
Mir wird immer wieder gesagt, dass Kunderas Werk DAS WERK des Prager Frühlings sei. Okay. Mit Kundera kann und will ich mich auch gar nicht messen, die Schuhe sind viel zu groß für mich.... :))))
Aber: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" ist für mich ein Liebesroman (der Film ist noch extremer: da wimmelt es vor Sexszenen), der zufällig zu der Zeit spielt.... mehr nicht.
Sorry, ist so. Zumindest meine Meinung. Habe ich auch mal auf ein paar Lesungen zu vertreten und Zustimmung erhalten. Sogar von Tschechen, was mich wirklich freute.
 

Literaturhexle

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Aber: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" ist für mich ein Liebesroman (der Film ist noch extremer: da wimmelt es vor Sexszenen), der zufällig zu der Zeit spielt.... mehr nicht.
Genau das. Wie gesagt, das Buch war sehr angesagt, als ich jung war und taucht heute als Jahrhundertroman auf, weshalb ich ihn nochmals las. Vom Prager Frühling habe ich nichts in Erinnerung. Genervt hat mich, dass er ständig andere Weiber am Start hatte und sie sentimental gelitten und gewartet hat. So oder so ähnlich.
Ein "Jahrhundertwerk" , das ich dann nicht verstehe o_O.
 
G

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Gast
Ganz ehrlich? Wären die Wege, wie ich zu seinen Unterlagen kam, nicht so faszinierend für mich gewesen, hätte ich sein Manuskript nach wenigen Seiten in die Ecke geworfen. So aber blieb ich ihm treu! :)

Nach der Lektüre von "Pavel und ich" kann ich das verstehen! Und allen, die das Buch noch vor sich haben, kann ich zurufen, Viel Freude damit. Ich hatte sie! :)
 

Sandra Brökel

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Genau das. Wie gesagt, das Buch war sehr angesagt, als ich jung war und taucht heute als Jahrhundertroman auf, weshalb ich ihn nochmals las. Vom Prager Frühling habe ich nichts in Erinnerung. Genervt hat mich, dass er ständig andere Weiber am Start hatte und sie sentimental gelitten und gewartet hat. So oder so ähnlich.
Ein "Jahrhundertwerk" , das ich dann nicht verstehe o_O.
Danke, dass spricht mir aus der Seele....
Okay, dann bin ich mal ganz ehrlich: Es gab mal eine Lesung, wo es sehr heiß und stickig war im Sommer 2018. Da war so ein intellektueller Gast, der eine Endlosdiskussion vom Zaune brach. Irgendwann hab ich entnervt ins Mikro gesagt: "Ich möchte nicht mehr über Kundera sprechen. In dem Buch wird nur gepoppt, in meinem geht es wirklich um den Prager Frühling. Darüber können wir gerne sprechen..." Tosender Applaus und der dezente Hinweis des erröteten Veranstalters: "Sie bringen es auf den Punkt..... "
Eigentlich spreche in nicht in solch "billiger" Wortwahl, aber da ist mir mal der Kragen geplatzt... so musste mal raus hier! :D:p:D:p
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Genau das. Wie gesagt, das Buch war sehr angesagt, als ich jung war und taucht heute als Jahrhundertroman auf, weshalb ich ihn nochmals las. Vom Prager Frühling habe ich nichts in Erinnerung. Genervt hat mich, dass er ständig andere Weiber am Start hatte und sie sentimental gelitten und gewartet hat. So oder so ähnlich.
Ein "Jahrhundertwerk" , das ich dann nicht verstehe o_O.
Dann sage mir doch mal bitte, warum dieses Buch ausgerechnet etwas für MICH sein soll? Weil ich ein Mann bin? :p:D Ich weiß schon, wie du das meintest, liebe @Literaturhexle :D:D:D:D.
 

Literaturhexle

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Irgendwann hab ich entnervt ins Mikro gesagt: "Ich möchte nicht mehr über Kundera sprechen. In dem Buch wird nur gepoppt, in meinem geht es wirklich um den Prager Frühling. Darüber können wir gerne sprechen..." Tos
Es gibt Leute, die verstehen nur eine klare, sehr deutliche Sprache! Chapeau!
Aber dies ist auch wieder so ein Beispiel: 95 % der Zuhörer hat es genervt. Aber keiner traut sich, dem Schnösel das Wort zu verbieten. Wenn es dann einer tut - und da waren Sie als Autorin prädestiniert- gibt es Applaus. Aber von alleine passiert nix.
Das gibt es doch ständig. Und das gab es auch in Prag, als Pavel nicht das Rückgrat hatte, für seine jüdischen Freunde laut Partei zu ergreifen...
Ich will das keinesfalls gleich setzen. Nicht falsch verstehen. Aber die meisten Leute sind einfach bequem und haben in solchen Situationen keine Traute.