Rezension Rezension (3/5*) zu Der letzte Satz: Roman von Robert Seethaler.

ulrikerabe

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Buchinformationen und Rezensionen zu Der letzte Satz: Roman von Robert Seethaler
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Schöne Worte des Bedauerns


Ein kranker Mann am Deck der America bei der Überfahrt von New York über den Atlantik. Es ist Gustav Mahler, der Komponist, der Dirigent, der Herr Direktor. Auf seiner letzten Reise, gezeichnet von Krankheit und Schwäche, betreut von einem Schiffsjungen, zieht er Bilanz über sein Leben, sein Schaffen, seine Ehe mit Alma.

Mahlers letzte Reise ist Robert Seethalers „Der letzte Satz“. Es ist ein sehr melancholisches Kurzporträt eines begabten Künstlers, eines gebrochenen, müden Mannes.

Gefangen in einem seit Kindheit kränkelnden Körper, getrieben von seinem musikalischen Ausnahmegenie erinnert sich Mahler an sein Wirken als Direktor der Wiener Hofoper. Wie jung er damals war, als alle dabei sein wollten, man „diesen kleinen, zappeligen Juden sehen (wollte), der es aus unerfindlichen Gründen geschafft hat, das beste und störrischste Orchester der Welt zu disziplinieren.“

Doch das musikalische Werk Mahlers steht nicht im Vordergrund dieses schmalen Büchleins. Seethaler reduziert Mahler auf ein Minimum, auf Schmerzen, Schwäche, Schlaflosigkeit.

„Nein. Man kann über Musik nicht reden. Es gibt keine Sprache dafür. Sobald Musik sich beschreiben lässt, ist sie schlecht.“

So sinniert Mahler über die Endlichkeit des Lebens und die Unendlichkeit des Meeres. Dieses Motiv der Weite, Kälte, Vielfalt und Tiefe des Meeres kommt immer wieder. Doch die schönen Worte des Bedauerns, die Seethaler dafür findet, erreichen diese Tiefe nicht.
Immer wieder führen Mahlers innere Monologe zu vergangenen Ereignissen, versäumten Gelegenheiten. Der Verlust eines Kindes hat ihn schwer getroffen. Seine Ehe zu Alma besteht nur mehr aus Loyalität.

Erstaunlicherweise erscheint Alma - die nicht nur Mahlers Frau war sondern später auch Muse, Geliebte, Ehefrau anderer namhafter Künstler der Wiener Secession und Bauhauszeit, wie dem „Baumeister“ Hans Gropius, Oskar Kokoschka, Franz Werfel…, war – sehr brav und bieder bis zu dem Moment, als Mahler sich Almas Affäre mit Gropius gemahnt.

Nur flüchtig streift Seethaler am Antisemitismus an, mit dem Mahler konfrontiert war. Bedeutsame Begegnungen mit Auguste Rodin oder Sigmund Freud, sind nur kleine Gedankensplitter. Was von Mahler übrig bleibt, ist ein kleiner, rührseliger, einsamer Mann. Zu mehr hat die Kürze dieses Buches wohl nicht gereicht.



 

Literaturhexle

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Wunderbare Rezension, Ulrike! So in etwa hatte ich mir das inhaltlich vorgestellt. Ob einen das Geschreibsel dann berühren kann, wird individuell verschieden sein.
 
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Wandablue

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Brandenburg
Wunderbare Rezension, Ulrike! So in etwa hatte ich mir das inhaltlich vorgestellt. Ob einen das Geschreibsel dann berühren kann, wird individuell verschieden sein.

Also Geschreibsel bei Seethaler - hmhm. Mahler war aber wohl wirklich eine tragische Figur. Und Alma ein Früchtchen. Nun, das hat auch Gründe. Bisher hab ich noch kein für mich wichtigen Rezensenten getroffen, die das Buch lobten.
 
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Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ich bitte das nicht wörtlich zu nehmen. Aber Schreibe klingt auch nicht besser....
Ich hätte Schreibstil sagen können. Ich liebe Seethalers Buch "Ein Ganzes Leben".
*absolutrechtgeb*. Bloss nicht in der Rezi vllt. Das ist für mich was Offizielles. Hexe. (War gar nicht in der Rezi *schuldbewusstineckesteh*).
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Mich hat der kleine Roman berührt. Es ist natürlich nur eine Annäherung an die Figur Mahler, von der ich vorher nicht viel wusste. Über Alma habe ich schon mehr gelesen. Doch ich mag Seethaler, wobei „ Das letzte Feld“ mich eher enttäuscht hat. So gut wie „ Ein ganzes Leben“ ist der „ letzte Satz“ nicht. Und Kritiker kritisieren Bestsellerautoren per se. Das muss nichts heißen.
 

Literaturhexle

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Doch ich mag Seethaler, wobei „ Das letzte Feld“ mich eher enttäuscht hat. So gut wie „ Ein ganzes Leben“ ist der „ letzte Satz“ nicht.
Das Feld hat mich auch etwas ratlos stehen lassen, weil er es als Roman verkauft. Sprachlich war es gewohnt gut. Ich möchte es irgendwann nochmal lesen, weil ich ja jetzt weiß, dass es eher Erzählungen sind und ich nicht immer nach den Zusammenhängen suchen muss.
 
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Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Mit eurer Diskussion habt ihr mich neugierig gemacht, werde mir das schmale Büchlein auf jeden Fall vormerken. Sehr gut gefallen von Seethaler hat mir:
Buchinformationen und Rezensionen zu Der Trafikant von Robert Seethaler
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zu dem es auch eine sehenswerte Verfilmung gibt.