Rezension Rezension (4/5*) zu Unter den Linden 6: Roman von Ann-Sophie Kaiser.

RuLeka

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30. Januar 2018
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Buchinformationen und Rezensionen zu Unter den Linden 6: Roman von Ann-Sophie Kaiser
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Unterhaltsame und lehrreiche Zeitreise

Ann- Sophie Kaiser beschäftigt sich in ihrem ersten historischen Roman mit der Situation der ersten Studentinnen in Preußen zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie erzählt dies anhand dreier Frauen, einer historischen Figur und zwei fiktiven Figuren.
Die erste ist die Physikerin Lise Meitner, die als sog. „ höhere Tochter“ in Wien zur Schule ging und später Physik studierte und promovierte. Da sie sich schon früh besonders für das Gebiet der Radioaktivität interessiert, will sie an die Berliner Universität zu Max Planck. Dabei weiß sie nicht, dass in Preußen im Jahr 1907 Frauen immer noch der Zutritt zur Hochschule verweigert wird.
Der Roman beginnt mit einer Zugfahrt Richtung Berlin. Im Abteil lernt Lise ein schüchternes, junges Mädchen kennen. Anni, ein Dienstmädchen vom Land, ist auf dem Weg zu ihrer neuen Dienststelle in Berlin.
Am Anhalter Bahnhof machen die beiden die Bekanntschaft mit Hedwig, reiche Fabrikantentochter und unglücklich verheiratet. Sie bringt gerade ihren kränkelnden Ehemann zum Bahnsteig, wovon er zu einem längeren Kuraufenthalt abreist.Hedwig nutzt die Gelegenheit, um sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen. Mit der gefälschten Unterschrift ihres Mannes will sie als Gasthörerin für Geschichte und Deutsch angenommen werden.
Der Leser begleitet nun die drei unterschiedlichen, aus verschiedenen Schichten stammenden Frauen auf ihrem Weg zu mehr Wissen und Bildung.
Lise hat von Anbeginn mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Immerhin erhält sie die Möglichkeit, als unbezahlte Assistentin, gemeinsam mit dem Chemiker Otto Hahn, zu forschen. Mit ihm wird sie eine lebenslange Freundschaft verbinden. Aber Enttäuschungen bleiben nicht aus . Außerdem leidet Lise an der fehlenden Anerkennung ihrer Arbeit.
Auch Hedwig sieht sich mit vielen Widerständen und Vorurteilen konfrontiert. Frauen, die studieren möchten, wurden belächelt und angefeindet. Doch Hedwig ist eine Kämpferin. Gemeinsam mit anderen Frauen setzt sie sich für mehr Rechte ein.
Das Dienstmädchen Anni kann von einem Studium nur träumen. Obwohl sie nur kurz die Schule besucht hat, ist sie unglaublich wissbegierig. Heimlich liest sie sich durch die Bibliothek an ihrer Arbeitsstelle. Von ihren neuen Freundinnen ermutigt und unterstützt von ihrer Dienstherrin besucht sie eine weiterführende Schule und macht sogar das Abitur.
Es gibt auch Männer, die ihr Augenmerk auf die jungen Frauen richten. Doch für die Liebe bleibt wenig Platz in deren Leben.
Der Roman endet im Kriegsjahr 1915 und die drei Frauen werden vor neue Herausforderungen gestellt.
Die Autorin erzählt ihre Geschichte chronologisch und abwechselnd aus den jeweiligen Perspektiven der drei Hauptfiguren. Sie schreibt anschaulich und lebendig, manchmal etwas langatmig. Sie hat intensiv recherchiert und verknüpft ihr Wissen gekonnt mit der Romanhandlung.
Der Leser erhält einen detaillierten Einblick in das damalige Universitätsleben, begreift, vor welchen Schwierigkeiten die Studentinnen standen, erfährt nebenbei manches über Physik und viel über den langwierigen Kampf der Frauen um Emanzipation.
Neben Lise Meitner tauchen noch andere historischen Figuren auf, wie die Wissenschaftler Otto Hahn, Max Planck, Albert Einstein, aber auch berühmte Frauenrechtlerinnen wie Hedwig Dohm, Helene Lange und Ottilie von Hansemann. Es lohnt sich noch das Nachwort der Autorin zu lesen. Hier wird der weitere Werdegang von Lise Meitner aufgeführt .
„Unter den Linden 6“ ist ein unterhaltsamer und informativer Roman für Leser historischer Geschichten.

 
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