Rezension Rezension (2/5*) zu Staub zu Staub: Kriminalroman von Felix Weber.

parden

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13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Düster, grau und kalt...

Niederlande, 1949: Der ehemalige Widerstandskämpfer Siem Coburg lebt nach dem Krieg und dem tragischen Verlust seiner großen Liebe zurückgezogen und als gebrochener Mann auf einem Hausboot. Erst als ihn der alte Bauer Tammens bittet, den Tod seines Enkels aufzuklären, kehrt Coburg in die Stadt zurück. Der siebzehnjährige Siebold starb unter mysteriösen Umständen in einem katholischen Heim für geistig behinderte Kinder, und sein Großvater ist sicher, dass mehr dahintersteckt, als die Heimleiter ihn glauben machen wollen. Während Coburg immer tiefer in die Vergangenheit des Heims eintaucht, muss er feststellen, dass Siebold nicht der einzige Schutzbefohlene mit ungeklärter Todesursache ist…

Genrebezeichnung und obiger Klappentext legen nahe, dass es sich bei diesem Roman um einen Krimi handelt. Für mich ist diese Deklarierung jedoch ehrlich gesagt ein Etikettenschwindel. Hier werden Erwartungen geschürt, die das Buch nicht halten kann - fehlende Spannung, der Tod des behinderten Jungen lediglich als Aufhänger für die Darstellung einer Vielzahl gänzlich anderer Themen und letztlich ein arg schwammiges Ende: Krimifans werden hier mit Sicherheit enttäuscht.

Was erwartet den Leser hier also stattdessen? Das ist wirklich nicht einfach zu beantworten, denn tatsächlich präsentiert Felix Weber auf den gut 400 Seiten eine ganze Palette an Themen, denen lediglich die düster-graue Stimmung gemein ist. Ausgehend von Erinnerungen an den gerade beendeten Zweiten Weltkrieg mit Einblicken in die (kommunistische) Widerstandsbewegung der Niederlande, in Euthanasiebestrebungen, in die Rolle der katholischen Kirche, in Kollaboration und Opportunismus vieler hochrangiger Niederländer, in Angst und Hunger, Verrat und Feigheit, Skrupellosigkeit und Hoffnungslosigkeit, spinnt der Autor die Themen-Fäden noch weiter.

Traumatisierende Erlebnisse im Ersten Weltkrieg und deren Folgen für die Psyche, eine hoffnungslose Liebesgeschichte, der Umgang mit behinderten Menschen, psychische Erkrankungen, die Zusammensetzung der Bewohner eines Klosters, die angerissenen Biografien einzelner Mönche, der Deckmantel der Verschwiegenheit, der in aller Eile und Selbstverständlichkeit über Skandale in der Kirche gebreitet wird, entartete Kunst - und sicher noch weitere Themen, die mir jetzt bereits entfallen sind.

Viel? Zu viel? Viel zu viel! Der abgedroschen klingende Grundsatz "Weniger ist mehr" greift hier einmal mehr. Jedes der Themen für sich genommen ist von Bedeutung, manche der Themen greifen auch durchaus logisch ineinander. In der Vielzahl jedoch überlagern und überlappen sie sich in ihrer großen Bedeutung, verlieren dadurch an Schärfe und geraten so z.T. bereits beim Umblättern in Vergessenheit. Da bleibt viel verschenktes Potential, die gewünschte Eindringlichkeit geht verloren, zumal hier vieles nur angedeutet bleibt und/oder nicht weiter verfolgt wird.

Auch wenn ich mich im Verlauf der Lektüre mit dem Gedanken arrangieren konnte, hier keinen Krimi zu lesen, und für mich auch nachvollziehbar war, dass die Geschehnisse im Kloster nicht losgelöst gesehen werden können von der Zeitgeschichte, die der Autor hier in epischen Schreckensbildern ausbreitet, sorgte eben diese genannte Vielzahl der angerissenen Themen dafür, dass bei mir kaum Betroffenheit aufkam, was ich bedauerlich fand.

Dazu kam eine Charakterzeichnung, die mich ebenfalls wenig ansprach und die mich selbst zu der tragischen Hauptfigur Siem Coburg dauerhaft auf Distanz hielt. Sympathisch war für mich hier niemand, tragisch so einige, aber mitgefiebert oder mitgelitten habe ich tatsächlich kein einziges Mal. Die düster-graue Stimmung jedoch, die sich konsequent durch alle Zeilen windet, erfasste mich durchaus. Dadurch las ich die Erzählung oft eher mit Unbehagen denn mit Interesse und war ehrlich gesagt froh, als ich am Ende angelangt war.

Sicherlich beleuchtet der Autor hier umfassend eine düstere Epoche der Niederlande, versäumt es m.E. jedoch, einzelne wesentliche Themen prominent herauszustellen, wodurch der Leser droht in einem düster-grauen Einheitsbrei der Hoffnungslosigkeit zu versinken. Wirklich schade.


© Parden