4. Leseabschnitt: Kapitel 30 bis 36 (S. 232-297)

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Stand nicht an irgendeiner Stelle, dass die Affäre schon 30 Jahre her ist? Das wäre dann in den 1970ern gewesen. Es war auch mal die Rede davon, dass eines der Fotos, die den Schulleiter und Alene zeigen, eine Schwarz-Weiß-Aufnahme ist.
Das würde alles doch in ein anderes Licht setzen.
 

RuLeka

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Ich denke, Vorwürfe macht er sich nur wegen seinem Sohn. Was die anderen Angelegengenheiten/Personen betrifft, meine ich, dass er zu seinen Entscheidungen steht, wenngleich er die Auswirkungen bedauert. Ich habe nicht den Eindruck, dass er Gutes tut, um Schuld zu tilgen, sondern weil er vom Grundsatz her ein aufrechter und menschenfreundlicher, „guter“ Mann ist. (was er, bis kurz vor seinem Tod, eher durch Taten, als durch Worte gezeigt hat)
Schuldig habe ich deswegen in Anführungszeichen gesetzt. Mir ist kein besseres Wort eingefallen. Versagt trifft es auch nicht. Er hat ( abgesehen vom Sohn ) so gehandelt, wie er es für richtig hielt. Hat aber die Angst, dass sein Verhalten nicht verstanden wird. Sein Sohn wirft ihm hier ja vor, dass er Schuld hat am Selbstmord seines ehemaligen Angestellten. Und nach dem Besuch seiner jetzigen Angestellten ist Dad auch im Zweifel, ob sein Angebot großzügig war oder ob die beiden mehr erwartet haben. Ihre Schweigsamkeit gibt ihm zu denken. Ich stimme Dir zu, dass er immer aus freien Stücken handelt, weil er es so für richtig hält. Er macht nichts aus Berechnung, oder um gut da zu stehen.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Lieben muss man Kent Haruf auch für die Szene, als Alice sich von Dad verabschiedet. Ich kann verstehen, dass Dad noch einmal das Gesicht eines kleinen Mädchens berühren möchte. Ich genieße es auch, die Haut meiner Enkelkinder zu berühren. So zart, so vollkommen, einfach schön.
Spannend wie unterschiedlich ich diese Szene wahrgenommen habe. Ich fand es ziemlich übergriffig, das kleine Mädchen zu dem sterbenden alten Mann mit zunehmen. Ich hatte den Eindruck, dass diese Situation Alice überforderte. Schön und gut, achtsam mit einem Sterbenden umzugehen. Aber wo bleibt die Achtsamkeit dem Kind gegenüber.
 
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ulrikerabe

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Schuldig habe ich deswegen in Anführungszeichen gesetzt. Mir ist kein besseres Wort eingefallen. Versagt trifft es auch nicht. Er hat ( abgesehen vom Sohn ) so gehandelt, wie er es für richtig hielt. Hat aber die Angst, dass sein Verhalten nicht verstanden wird. Sein Sohn wirft ihm hier ja vor, dass er Schuld hat am Selbstmord seines ehemaligen Angestellten. Und nach dem Besuch seiner jetzigen Angestellten ist Dad auch im Zweifel, ob sein Angebot großzügig war oder ob die beiden mehr erwartet haben. Ihre Schweigsamkeit gibt ihm zu denken. Ich stimme Dir zu, dass er immer aus freien Stücken handelt, weil er es so für richtig hält. Er macht nichts aus Berechnung, oder um gut da zu stehen.

Er trifft auf die "Geister der Vergangenheit", Frank und Tanya. Er hat in Claytons Fall getan was er für richtig hielt, aber ich meine auch, dass er sein Verhalten Frank gegenüber als richtig angesehen hat. "Was hätte ich denn anders tun sollen?" Wenn er sich diese Frage jetzt erst stellt ist es wohl reichlich spät.

und das ist wohl auch mein Fazit zu diesem Buch (auch wenn ich noch nicht fertig bin damit): Warte nicht darauf, etwas später zu erledigen. Sag denen, die du liebst, dass du sie liebst. Lass dich nicht durch Stolz, gesellschaftliche Konventionen... davon abhalten, andere Menschen anzunehmen, wie sie sind. Revidiere deine Entscheidungen, wenn du erkennst, dass sie falsch waren. Jeder Tag ist kostbar.
 

ulrikerabe

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Wie schrecklich muss es für Eltern sein, wenn sie den Kontakt zu ihrem Kind verloren haben. Fast, als wäre derjenige tot. Nur, dass man sich noch Vorwürfe macht und Sorgen hat, wie es demjenigen geht. So eine traurige Episode, als Mary nach Denver fährt auf der vergeblichen Suche nach Frank. Sicherlich hat sie auf eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn gehofft.

Wobei ich sie auch für reichlich naiv halte. Hat sie wirklich geglaubt, dass Frank immer noch in dieser Wohnung lebt wie vor 30 Jahren, immer noch in demselben Lokal arbeitet. Für Dad kommt das sowieso zu spät. Ich glaube, sie hat das viel mehr für sich getan.
Franklin hat vor Jahren in die Kasse gegriffen und seinen Job verloren. Ob Mary das Dad wohl erzählt, ehernicht? Irgenwie würde das Dads Haltung seinem Sohn gegenüber noch bestärken. Die Parallele zu Clayton ist sicher kein Zufall.
 

RuLeka

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Spannend wie unterschiedlich ich diese Szene wahrgenommen habe. Ich fand es ziemlich übergriffif, das kleine Mädchen zu dem sterbenden alten Mann mit zunehmen. Ich hatte den Eindruck, dass diese Situation Alice überforderte. Schön und gut, achtsam mit einem Sterbenden umzugehen. Aber wo bleibt die Achtsamkeit dem Kind gegenüber.
Das mag aus unserer Sicht stimmen. Aber hier ist es doch so, dass das Sterben mitten im Leben passiert. Bei uns wird das gerne ausgelagert, ins Krankenhaus, ins Altenheim. Der Tod ist etwas, das nicht mehr zu unserem Alltag gehört. Kinder hält man auch gerne von Beerdigungen fern. Das will man ihnen nicht zumuten. Doch hier gehört der Tod wie selbstverständlich zum Leben.
 

ulrikerabe

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Das mag aus unserer Sicht stimmen. Aber hier ist es doch so, dass das Sterben mitten im Leben passiert. Bei uns wird das gerne ausgelagert, ins Krankenhaus, ins Altenheim. Der Tod ist etwas, das nicht mehr zu unserem Alltag gehört. Kinder hält man auch gerne von Beerdigungen fern. Das will man ihnen nicht zumuten. Doch hier gehört der Tod wie selbstverständlich zum Leben.
Ich muss den Tod, das Sterben nicht tabuisieren. Aber ich muss ein achtjähriges Kind nicht ans Sterbebett eines fremden Mannes schleppen, wenn es sich dabei nicht wohlfühlt.
 

Amena25

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Dad Lewis wird in seinen Träumen von Figuren aus der Vergangenheit und Gegenwart heimgesucht - es sind die losen Enden seiner Geschichte, die Menschen, mit denen er seinen Frieden noch nicht gemacht hat. Sein Sohn Frank, Tanya und auch seinen beiden Angestellten - offenkundig hat er doch ein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber, dass er seine Tochter als Geschäftsführerin einsetzen will, statt den Laden ihnen zu hinterlassen.

Diese Szenen empfand ich als sehr düster, was ja verdeutlicht, dass Dad Lewis mit diesen Personen nicht im Reinen ist. Gerade die ,,Dialoge" mit Frank wirken ,,unpassend" für die Situation und unkommunikativ..
Bei den Angestellten bin ich mir nicht so im Klaren, warum er hier ein schlechtes Gewissen haben sollte. Er hat sie doch nie schlecht behandelt.
 
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Amena25

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Spannend wie unterschiedlich ich diese Szene wahrgenommen habe. Ich fand es ziemlich übergriffig, das kleine Mädchen zu dem sterbenden alten Mann mit zunehmen. Ich hatte den Eindruck, dass diese Situation Alice überforderte. Schön und gut, achtsam mit einem Sterbenden umzugehen. Aber wo bleibt die Achtsamkeit dem Kind gegenüber.

Mir erscheint es eher schlüssig, dass auch Alice Abschied nehmen kann. So wie sie auch mit den anderen Frauen badet, treffen auch hier Generationen aufeinander. Und gerade den Kontrast zwischen der jungen Alice und dem alten, sterbenden Dad Lewis fand ich sehr anrührend.
 

ulrikerabe

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Mir erscheint es eher schlüssig, dass auch Alice Abschied nehmen kann. So wie sie auch mit den anderen Frauen badet, treffen auch hier Generationen aufeinander. Und gerade den Kontrast zwischen der jungen Alice und dem alten, sterbenden Dad Lewis fand ich sehr anrührend.

Die Szene mag rührend wirken auf den Zuseher (Leser) und die Menschen rund um Dad. Aber ich sehe auch ein Kind, das gerade selbst die Mutter verloren hat und mit dieser Situation einfach überfordert ist.

Wir lehren Kinder "nein" zu sagen, aber hier finden wir das rührend?

Egal, ich sehe in diesem Buch sowieso einiges anders. :)
 

parden

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13. April 2014
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... mir kamen zu dem geschwärzten Gesicht zweierlei Gedanken in den Sinn.
Anklage: er klagt seinen Vater an, weil er verbrannte Erde hinterlassen hat. In Denver und in Holt... in seiner Familie.
Maske: er will seine Gefühle und Beweggründe verbergen. Niemand soll erkennen, wie es wirklich in ihm aussah. Nach dem (glücklicherweise) abgebrochenen Suizidversuch war es ihm ja außerordentlich wichtig, dass niemand davon erfuhr...
Das oder er signalisiert damit etwas, was er eh schon so empfindet: er macht sich unsichtbar. Schwarzes Gesicht in der dunklen Garage = er ist weg, wird nicht wahrgenommen, so wie gefühlt bereits zu Lebzeiten.
 

parden

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Das mag aus unserer Sicht stimmen. Aber hier ist es doch so, dass das Sterben mitten im Leben passiert. Bei uns wird das gerne ausgelagert, ins Krankenhaus, ins Altenheim. Der Tod ist etwas, das nicht mehr zu unserem Alltag gehört. Kinder hält man auch gerne von Beerdigungen fern. Das will man ihnen nicht zumuten. Doch hier gehört der Tod wie selbstverständlich zum Leben.
Das stimmt schon. Aber Alice hat vor kurzem ihre Mutter verloren, und eine erneute Begegnung mit dem Thema Tod macht ihr Angst...
 
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parden

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13. April 2014
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Kent Haruf spielt in diesem Roman viel mit dem Motiv Licht und Schatten. So auch bei der Szene im Schlafzimmer, als Frank und die anderen "Ankläger" auftauchen - da ist es dunkler als es sein sollte. Ebenso in der Garage, als John Wesley versucht, seinen Selbstmord umzusetzen. Ein wenig grinsen musste ich fast, als Frank in Anwesenheit seines Vaters raucht - obwohl der gerade an Lungenkrebs stirbt. Auch da macht Dad ihm wieder Vorwürfe. Er kann wohl einfach nicht aus seiner Haut. Ich fand diese Szene irgendwie schräg, sie konnte mich nicht berühren, mich hat sie eher befremdet. Das einzige Mal bisher in diesem Roman, wo ich eine Szene als sehr konstruiert empfunden habe. Rührend dagegen Marys Versuch, Frank im letzten Moment doch noch zu finden und mit Dad ein letztes Mal zusammenzubringen - sie ahnt, wie wichtig dem das wäre. Aber Frank - obschon ihn jemand am Flughafen in Denver gesehen haben will - scheint unauffindbar.

Lyle kann nicht gegen seine Überzeugungen leben, und so gibt er eher das Amt des Priesters auf als Kompromisse einzugehen. Sehr geradlinig, aber der Preis dafür scheint hoch.
 

Mikka Liest

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Hilter am Teutoburger Wald
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@Querleserin

Ja, es ist erstaunlich, wie selbstverständlich es für den Direktor ist, dass er sie entlassen könnte für diese Affäre, die ja eigentlich nur ihre Privatangelegenheit ist. Aber das war früher wohl auch so....

Dad plagt sich offensichtlich noch mit einigen ungeklärten Dingen – interessant, dass der Frank in seinem Traum ihm einerseits so ähnlich ist und sich andererseits so feindselig ihm gegenüber verhält...

Wie bigott ist das, dass ein Pfarrer entlassen wird, weil er die Bibel nicht nur stumpf vorbetet, sondern die Gemeinde dazu anregt, sie wirklich als Anregung für das eigene Verhalten zu nehmen. Aber in der Zeit nach 9/11 waren versöhnliche Botschaften eher unerwünscht.

Ich war so froh, als John die Kiste dann doch nicht weggetreten hat! Was mir im Moment noch ein Rätsel ist: warum hat er vorher sein Gesicht schwarz gefärbt? Sollte das eine Botschaft an seinen Vater sein?

@RuLeka

Ich glaube, dem Schulleiter kann die Affäre nicht so viel bedeutet haben wie Alene... Sonst hätte er sich wenigstens noch von ihr verabschiedet.

Ich hoffe, Dad bekommt noch eine Chance, seinen Frieden zu machen mit den ungeklärten Dingen in seinem Leben.

Ich stimme Lyle voll zu, ich finde auch, es ist tausendmal besser, jemanden geliebt und verloren zu haben als gar nicht geliebt.

Du hast recht, es sind diese kleinen Episoden, die Kent Haruf so meisterhaft beherrscht. Der Mann an der Tankstelle, die Frau in Franks ehemaliger Wohnung, das sind kleine Highlights.

@Literaurhexle

Ich habe mich auch gefragt, ob meine Vater mir oder meinen Geschwistern jemals ausdrücklich gesagt hat, dass er uns liebt! Er gehört auch noch zu der Generation von Männern, die nicht über ihre Gefühle sprechen konnten, weil das als "weibisch" gegolten hätte. Nur auf der Beerdigung meines Bruders hat er bitterlich geweint, das sagt doch schon alles – die Gefühle sind da, auch wenn Männer sie nicht zeigen "dürfen", bis es zu spät ist.

Von der Frau des Pfarrers war ich auch enttäuscht. In so einer Situation braucht der Partner doch Unterstützung – aber sie hat sich emotional sowieso schon ausgeklinkt.

Das mit der Asche verstehe ich auch nicht. Ob das vielleicht eine Anspielung auf die Bibel sein soll, da hat Asche ja oft was mit Leid und Trauer zu tun? Aber irgendwie fühlt sich das für mich nicht stimmig an...

@Barbara62

Oh ja, Mary ist an der ganzen Misere nicht ganz unschuldig. Es hätte Frank sicher viel bedeutet, wenn wenigstens seine Mutter zu ihm gestanden hätte.

Bei der Szene mit der Windel habe ich richtig mit Dad mitgelitten. Diese Windel zeigt eine Verletzlichkeit, die ihm sicher zu schaffen macht.

@claudi-1963

Ich denke, Lyle hat einfach zu oft gegen Windmühlen gekämpft (denn eine echte Chance gab man ihm ja anscheinend nie), er kann nicht mehr.

Ganz ehrlich, in vielerlei Hinsicht sind die Uhren in den USA in manchen Gegenden vor Generationen stehen geblieben. Holt soll zwar in Colorado liegen, was NICHT Teil des erzkonservativen "Bible Belt" ist, aber Colorado hat auch einen gewissen Ruf weg, weil es da ein paar der schlimmsten "Mega-Kirchen" gibt.

Ich vermute, dass Lorraine vielleicht doch weiß, wo Frank ist, und es nur nicht sagen will...

@Literaturhexle

Ja, die Paralelle zwischen dem stehlenden Angestellten von Dad und Franks Diebstahl ist mir auch direkt aufgefallen...

@Sassenach123

Der arme John, jetzt ist im endgültig der Boden unter den Füßen weggebrochen. Als er seiner Mutter aus der Kirche nachlief, dachte er sicher, jetzt würden sie gemeinsam aus Holt fortgehen. Stattdessen lässt sie ihn da, an einem Ort, an dem er es hasst.

@SuPro

Ich denke auch, das Dad ein guter Mensch ist. Zum Beispiel hätte er dieser verwirrten alten Frau das Gerät wieder wegnehmen können, stattdessen lässt er ihr Hilfe schicken, und davon hatte er nichts, das hätte er nicht müssen.

Früher war da ja so, da musste man als kleines Mädchen Leute küssen oder sich von ihnen küssen lassen, und sich "nicht anstellen". Ich kann mich erinnern, dass Freunde meines Stiefvaters sich totgelacht haben, als ich mich "geziert habe" und mir wurde gesagt, ich müsse mir da gar keine Sorgen machen, ich hätte ja noch nicht mal Möpse. Schallendes Gelächter auch von den anwesenden Frauen, das war ganz normal.