@RuLeka
Mir sind auch die Tränen gekommen, weil es sich so echt las... Haruf schreibt so realistisch, und dennoch lässt er seinen Charakteren immer die Würde. Auch wenn von Dads hagerem Hintern die Rede ist, oder davon, dass seine Windel gewechselt werden muss.
Die Szene mit dem imaginären Frank sagt eigentlich alles: warum es zum Bruch kam, wie sehr sich Dad deswegen schuldig fühlt und wie deutlich sich Kränkungen vererben können...
Ich denke auch, dass es Alice gut getan hat, erstmal ein bisschen Zuspruch zu bekommen, bevor sie in der Schule wieder durchstarten muss.
Ja, das hört man sehr oft, dass eine Ehe den Tod eines Kindes nicht übersteht... Schlimm, denn eigentlich braucht man ja gerade in dieser entsetzlichen Zeit Beistand.
@Literaturhexle
Ich habe mich gefragt, ob sich Kent Haruf beim Schreiben vorgestellt hat, wie seine letzten Stunden wohl aussehen würden. Als er diesen Roman schrieb, wusste er ja wohl schon, dass er ein ähnliches Ende wie Dad finden würde.
Ich finde es auch sehr tröstlich, wie Familie, Freunde und Nachbarn hier zusammenkommen und gemeinsam trauern. Ich musste direkt an die Trauerfeiern denken, die ich miterlebt habe. Meist wurde erst geweint, doch so nach und nach wurden dann auch Geschichten aus dem Leben des Verstorbenen erzählt, dann wurde sogar gelacht... Für mich war das immer der erste wichtige Schritt des Trauerprozesses.
Ja, Haruf bleibt immer Realist, aber da schwingt auch immer Hoffnung mit, das finde ich sehr schön, ohne dass es kitschig wird.
Wenn es diese positiven Szenen nicht geben würde, wären seine Bücher sicher nur halb so gut zu lesen – so gibt es da eine wunderbare Balance.
@Bibliomarie
Ich fand sehr schön, dass Dad zuhause sterben durfte, nicht in einem Krankenhaus bei piependen, blinkenden Maschinen. Besonders wichtig fand ich, dass die Liebe seines Lebens hautnah bei ihm war – das Glück hat leider nicht jeder.
Die Idee, die Trauerfeier im Garten abzuhalten, war aus mehreren Gründen genau die richtige. Dad hätte das sicher auch so gesehen.
@Barbara62
Eigentlich habe ich auch nicht wirklich damit gerechnet, dass es noch eine tränenreiche Versöhnung zwischen Dad und Frank gibt. Ich habe mir eher gewünscht, dass es am Schluss noch einen kleinen Hinweis darauf gibt, dass Frank vielleicht bereit ist, mit seiner Mutter und seiner Schwester wieder Kontakt aufzunehmen.
In diesem letzten Abschnitt ist mir das Spiel von Licht und Schatten und Wetter wieder sehr aufgefallen. Bei Haruf liest sich das nicht erzwungen oder zu bemüht, sondern es passt einfach und sagt so viel aus...
@claudi-1963
Nein, ich denke auch, der Besuch der Eltern und Frank waren eine Mischung aus Dads Wunschdenken und dem Delirium, das vor dem Tod häufig auftritt. Aber es hat ihm sicher etwas Trost gespendet, dass er glaubte, sich quasi nochmal mit ihnen ausgesprochen zu haben.
Ich weiß nicht, ob ich einen Toten waschen könnte. Ich hoffe, dass ich es könnte, denn das ist so ein Akt der Liebe und des Respekts... Aber wahrscheinlich ist das ohnehin etwas, das man erst dann wirklich weiß, wenn man in die Situation kommt.
@SuPro
"Da tut sich nichts.."
Ja, das war so absolut typisch für Haruf! Er kann Humor in so eine Szene einbringen, ohne dass es platt oder respektlos wirkt. Ich fand es sogar rührend, wie die beiden sich daran erinnern, dass sie früher anscheinend beide Spaß am Sex hatten. Ist ja auch nicht selbstverständlich in dieser Generation!
@milkysilvermoon
Meine Großtante hat am Abend vor ihrem Tod noch bei allen Verwandten angerufen und fröhlich über alles Mögliche geplaudert. Am nächsten Morgen wachte sie dann nicht mehr auf.
Erst später haben sich manche ihrer Gesprächspartner darüber ausgetauscht und erzählt, dass sie über ihren toten Mann gesprochen habe, als sei er quicklebendig und wolle nach dem Auflegen noch mit ihr Spazieren gehen. Während dem Anruf dachten sie wohl, Erika wäre im Alter doch noch ein bisschen "tüddelig" geworden – aber ich vermute, dass das für sie in dem Moment vielleicht ganz real war!
@Literaturhexle
Der offene Sarg ist ja so etwas, was als sehr unterschiedlich empfunden wird. Als meine Schwiegermutter starb, wollte mein Mann sie bei der Trauerfeier unbedingt noch ein letzte Mal sehen und berühren können, sein Bruder fand die Vorstellung jedoch entsetzlich, sie tot im Sarg zu sehen. Beides kann ich gut nachvollziehen! Im Endeffekt wurde die Trauerfeier dann aufgeteilt, ein Teil mit offenem und dann ein Teil mit geschlossenem Sarg.
@ulrikerabe
Aber war es nicht wirklich so, dass Frank Kellner war und keinen Schulabschluss hatte? Es hat doch auch jemand seiner Mutter erzählt, er habe Geld gestohlen, oder schmeiße ich da jetzt Reales und Wahnvorstellung durcheinander?
@Sassenach
Ich kann mir vorstellen, dass der Abschnitt dir naheging... Mein herzliches Beileid. Noch musste ich mich von meinem Vater nicht verabschieden, aber er ist seit Monaten sehr krank, und beim Lesen habe ich immer ihn vor meinem inneren Auge gesehen.
Meines Wissens war dies der vorletzte Holt-Roman. Danach schrieb Haruf noch "Unsere Seelen bei Nacht", was aber erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde.