2. Leseabschnitt Kapitel 11 bis 20 (S. 77-147)

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Das hat es für mich sowieso. Hat Trump nicht gerade in den Kleinstädten so viele Wähler? Für mich sind die Bücher von Kent Haruf alle in gewisser Weise politisch, weil sie die Befindlichkeiten der Landbevölkerung thematisieren.

Was denkt ihr: Hätte Dad Donald Trump gewählt?
Interessante Frage: Ich hoffe, dass er dies nicht getan hätte, aber das ist natürlich nur Wunschdenken.
Zu den Wählern in den Kleinstädten meine ich gehört zu haben, dass Trump seinen Wahlkampf sogar sehr bewusst dort abgehalten hat, und ihm das überhaupt zum Wahlsieg verholfen hat. Das System mit der Stimmenauszählung in den Staaten hab ich eh nie so wirklich verstanden.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich denke, dass er hier nochmals vor Augen hat, was sein Leben war: Im Laden stehen, verkaufen, ein Schwätzchen halten und eigentlich hat er das geliebt. Aber es erscheint ihm jetzt so wenig, so banal. Es war nichts Spektakuläres, doch ist es nicht viel, seine Arbeit mit Freude zu machen. Ich glaube nicht, dass er zurück will oder dass er was anderes machen wollte.
Das stelle ich mir so schrecklich vor, zu wissen, zu wissen, dass man bald stirbt, und nun hinterfragt man sein gesamtes Leben. Ich glaube auch nicht, dass er etwas davon bereut, höchstens die Tatsache das er sich sehr bald davon verabschieden muss.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Johns Wesleys Freundin scheint ja ein ganz schönes Flittchen zu sein, ich denke das es ihm e
Bei der Sache bin ich mir nicht sicher, ob das alles überhaupt stimmt. Jungen in dem Alter prahlen oft mit Dingen die gar nicht sind, vielleicht spielt da auch ein Neidfaktor mit hinein. Vielleicht sind sie bei ihr abgeblitzt. So oder so, war es ziemlich daneben was sie abgezogen haben.
Hoffe nun für John, dass er bei ihr tatsächlich punkten kann, weil er sich für sie geprügelt hat, so ganz glaube ich daran nämlich auch noch nicht........
 

SuPro

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28. Oktober 2019
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Wow... Mich haut es fast um. Nicht mal annähernd hätte ich vermutet, dass die Geschichte mit der Witwe seines Angestellten so weitergeht.
Auf so eine Idee muss man erst mal kommen!
Und ich bewundere den Autor dafür, wie er es schafft, zu zeigen, dass Dad nicht aus einem Schuldbewusstsein heraus handelt. Ich habe nicht den Eindruck, dass er sich schuldig am Suizid seines ehemaligen Angestellten fühlt. Er steht zu seiner damaligen Entscheidung. Dass sich sein Angestellter für den Suizid entschieden hat, war dessen Sache. Nicht Dad’s Problem. Dad scheint das alles gut trennen zu können. (Wie froh wäre ich, wenn das viele meiner Patienten auch schneller könnten! Dann würde Ihnen viel Leid erspart werden.) Er hilft ihr, weil er ihre Notlage bedauert und ihr zu einer neuen Chance verhelfen will.
 

SuPro

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Das Abschiedsthema bereitet Haruf großartig auf!
Es wird immer deutlicher, dass das Hauptthema des Romans „Verlust“ ist. Es geht um Verlust in all seinen Varianten.
Verlust der Jugend, der Gesundheit und des Lebens.
Verlust der Mutter und Verlust eines Kindes.
Verlust des Ehemannes.
Verlust der Heimat und Verlust von Freunden.
Verlust von Träumen.
Das alles wird sehr menschlich, feinfühlig und berührend, aber niemals kitschig dargestellt.
Ich bin echt sehr angetan.
 

SuPro

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Mir ging es wie @kingofmusic, der dicke Patriotismus zum Nationfeiertag störte mich.
... Das empfand ich überhaupt nicht so schlimm. So ist das eben dort zum Teil (gewesen). Es wäre ja schlimm, wenn in einem Roman nur stehen würde, was uns gefällt. Ich zumindest möchte ja auch ein bisschen Realität mitbekommen:D
 

SuPro

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Ja, und zudem sind die Regelungen/Ansichten auch regional sehr unterschiedlich.
Selbst wenn du bei uns die ältere Generation fragst oder die weniger Aufgeschlossenen....o_O, da lege ich meine Hände auch nicht ins Feuer für.
Man darf nicht von sich auf andere schließen.
... Ich „kenne“ die Region um Denver herum aus Erzählungen recht gut. Wir hatten fast zwei Jahre lang ein Au-Pair Mädchen aus Denver. Sie erzählte viel von zu Hause und da wurde schon deutlich, dass es eine recht konservative und prüde Region ist, in der es aber durchaus auch Ausnahmen gibt. Wie bei uns eben. Also, mit uns meine ich, das Dörfliche und Schwäbische. Aber es gibt ja auch bei uns in Städten wenig aufgeschlossen und konservative Geister. So wie es in Dörfern auch fortschrittliche Denker gibt.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Und dass Patriotismus am 4. Juli, dem Nationalfeiertag (!), eine wichtige Rolle spielt, ist wohl logisch. Das ist ja selbst in Frankreich usw. nicht anders.
Deswegen wird mir trotzdem schlecht. Auch wenn ich die Militärparaden in Frankreich, Russland, Korea etc. sehe, könnte ich regelmäßig k*****. Was da an Geld verpulvert wird, sollte man lieber in humanitäre Projekte stecken - dann würde es vielen Menschen auf dieser Erde weitaus besser gehen.
 

Amena25

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Das Abschiedsthema bereitet Haruf großartig auf! Er kann sich hervorragend in den sterbenden Dad hineinversetzen, der den Wunsch hat, sich zu verabschieden und die Dinge geordnet zu hinterlassen. Dabei gibt es einige sehr rührende (aber nicht kitschige!) Szenen.
Das gefällt mir auch sehr gut, vor allem auch, dass Dad sagt, was er noch einmal sehen will, und auch, wie Mary und Lorraine damit umgehen.
 

Amena25

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Ansonsten gibt es viel Einsamkeit, Alene, die mit der kleinen Alice ein wenig Kindersatz sucht, blickt auf ein verpasstes Leben zurück und auch bei Lorraine gibt es nicht viel.
Dieses Gefühl der Leere finde ich teilweise etwas bedrückend, auch wenn es nicht explizit ausgesprochen wird. Aber es schwebt über vielen Szenen und Dialogen.
 

parden

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Ich liebe Holt und könnte immer wieder dorthin zurückkehren, wobei es schon schön ist, zumindest auf Spuren von Charakteren aus vergangenen Geschichten zu stoßen.

Ihr habt schon so viel geschrieben, dass ich dem kaum noch etwas hinzufügen könnte. Es gab einige berührende Szenen - und obschon es durchaus sein kann, dass Kent Haruf eigene Gedanken und Empfindungen hat einfließen lassen angesichts seiner eigenen Krebserkrankung, haben diese Szenen auch etwas Allgemeingültiges. Ich muss beim Lesen sehr oft an die letzten Wochen meines Vaters denken - oder auch daran, was in der Situation für mich wohl wichtig wäre. Es sind Lebensthemen, die da mal so eben im Plauderton an uns herangetragen werden, unaufgeregt, doch eindeutig präsent, unmöglich zu umschiffen.

Durch die wechselnden Perspektiven wirkt das ganze aber nicht zu schwer, sondern macht deutlich, dass das Leben ein Fluss ist, in dem wir vielleicht ein Stück des Wegs gemeinsam gehen können oder aber immer wieder einmal aufeinander zutreiben, bevor jemand endgültig versinkt oder ins Meer gespült wird. Sorry, das sind eben die Gedanken, die mir dazu durch den Kopf gehen.

Mir gefällt die Art des Erzählens, die Atmosphäre, die Haruf hier kreiert, die Unaufgeregtheit, die doch nahe gehen kann, die Art der Charakterzeichnung... Ich freue mich, dass ich noch einige Seiten vor mir habe... :)
 

Mikka Liest

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Hilter am Teutoburger Wald
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Irgendwas scheint Johns neue Flamme aber auch umzutreiben – wenn sie wirklich schon mit 20 Jungs im Bett war, dann muss es ja einen Grund dafür geben! Definiert sie ihren Wert darüber, wie begehrenswert sie ist? Ich hoffe für sie, dass dahinter keine Missbrauchserfahrung steckt... Wenigstens nimmt sie die Pille, aber die schützt ja nicht vor Geschlechtskrankheiten.

Es wäre schön, wenn John und sie es schaffen würden, aus der reinen Bettgeschichte eine echte Beziehung zu machen, wenigstens für ein Weilchen. (In dem Alter muss es ja nicht fürs Leben sein.)

Für Dad muss es ja wirklich ein Schock gewesen sein. Die Jungs tragen Mädchenkleider, also "müssen" sie schwul sein (nein!) und damit wird Dads Name aussterben. Aber ich denke, es muss später noch mehr vorgefallen sein, was die Fronten beiderseits verhärtet hat. Der Schlag war eine Affekthandlung, und ich rechne Dad an, dass es ihm wenigstens leid tat, auch wenn es nicht richtig war.

Hier gibt es viele Eltern-Kind-Beziehungen, die mehr oder weniger tragisch zerstört wurden. Durch Tod, wie bei Alice und ihrer Mutter und Lorraine und ihrer Tochter, oder durch ein Verwürfnis wie bei Dad und seinem Sohn. Aber hier wird schon angedeutet, dass es auch Trost und Versöhnung geben könnte.

Mir geht der Roman ziemlich an die Nieren, weil mein 87-jähriger Vater schon wieder im Krankenhaus ist, zum wiederholten Mal in den letzten Monaten. Er ist uns ein paar Mal fast gestorben, und wenn ich hier lese, wie Dad sich von seiner Umgebung verabschiedet, habe ich einen Kloß im Hals...

Mein Vater hatte sich mit meinem Bruder auch ziemlich zerstritten (wenn auch nicht so radikal wie Dad und Frank), und als mein Bruder starb, hat es ihn völlig aus der Bahn geworfen. Also umgekehrt wie hier, wo Dad derjenige sein wird, der zuerst stirbt, aber dennoch erinnert es mich ständig daran und ich hoffe, dass Dad und Frank sich noch versöhnen, bevor es zu spät ist. Ich glaube, man bereut kaum etwas so sehr, wie sich nicht rechtzeitig mit jemandem versöhnt zu haben.

Deswegen lese ich auch ziemlich langsam und werde sicher noch eine Weile brauchen.

@kingofmusic

Ja, auf den 4th-of-July-Patriotismus könnte ich auch gut verzichten. Auch andere Eigenschaften mancher Dörfler würde ich im echten Leben sicher nicht mögen – ich wette, dass da viele sehr auf ihr 2nd Amendment pochen... Wir haben in den verschiedenen Büchern ja schon gesehen, dass viele Waffen besitzen.

Richard kann ich noch nicht einordnen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, da kommt noch was Unschönes...
 

Literaturhexle

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Irgendwas scheint Johns neue Flamme aber auch umzutreiben – wenn sie wirklich schon mit 20 Jungs im Bett war, dann muss es ja einen Grund dafür geben! Definiert sie ihren Wert darüber, wie begehrenswert sie ist?
Die Frage habe ich mir tatsächlich auch gestellt. Leider gibt es da keine überzeugende Aufklärung. Sie führt nur ein Schattendasein im Roman.
 
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Die Frage habe ich mir tatsächlich auch gestellt. Leider gibt es da keine überzeugende Aufklärung. Sie führt nur ein Schattendasein im Roman.
... Ja, eine überzeugende Aufklärung durch den Autor habe ich bisher auch nicht gefunden. Aber wir können mutmaßen und so viele Möglichkeiten gibt es nicht.
- Selbstwertsteigerung über gelungene Verführung
- Agieren von Hass auf Männer (vllt. hat sie einen dominanten/gewalttätigen Vater beziehungsweise mächtige prüde)
- Demonstration von Macht. Möglicherweise hat sie einen dominanten Vater, dem sich ihre Mutter ohnmächtig unterordnet. Diese schwache Mutter lehnt sie ab. Sie möchte nicht so werden wie diese schwache Mutter. Deshalb greift sie zu einer Möglichkeit, die ihr das Gefühl von Macht gibt.
- sie könnte einen Nähe-Distanz-Konflikt haben. Sie sucht Nähe, Wärme und Geborgenheit (wie jeder Mensch), aber wenn es zu nah wird, wenn sie vielleicht sogar Gefühle entwickelt, dann muss sie das Weite suchen, weil eben diese Nähe Angst macht. Angst vor Selbstverlust.

Aber das sind alles nur Spekulationen…

...außerdem wissen wir ja gar letztlich gar nicht, ob das stimmt. Es könnte nur Gerede sein.
 

Literaturhexle

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...außerdem wissen wir ja gar letztlich gar nicht, ob das stimmt. Es könnte nur Gerede sein.
Hm. Könnte es.
Dennoch verhält sie sich John gegenüber genau so, wie es die anderen Jungs geschildert haben. Insofern finde ich deine "Vermutungen" ziemlich wahrscheinlich. Was es alles für Störungen gibt! Da kann man ja wirklich dankbar sein, weñn man nicht betroffen ist.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Ich habe schon ein paar Mal von Fällen gehört, wo Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs später eine übersteigerte Sexualität entwickelten, um sich in dem Bereich, in dem sie am hilflosesten waren und am gnadenlosesten entmachtet wurden, Kontrolle und Macht wiederzuholen. Daher war das so mein erster Gedanke...