Rezension Rezension (5/5*) zu Alles Geld der Welt: Ein Roman aus dem alten Wien (Historische Romane im GMEIN.

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
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Ein lebendiger Blick ins gründerzeitliche Wien

„Dazu kam, dass die allermeisten Wertpapiere, mit denen an der Börse gehandelt wurde, nur einen Bruchteil ihres derzeitigen Kurses wert waren. Ein Faktum, das für ihn als Börsenfachmann und Spekulant evident, das aber dem normalen Bürger, der ein bisschen Erspartes im Sparstrumpf hatte, völlig unklar war.“ (Zitat Seite 29)

Inhalt
Mit dem Abriss der Stadtmauer ab 1858 und dem Bau der Wiener Ringstraße mit ihren Prachtbauten beginnt ein gründerzeitlicher Bauboom. In Verbindung mit der geplanten Weltausstellung führt dies zu einer euphorischen Aufbruchsstimmung, die alle Bevölkerungsschichten erfasst. Auch Heinrich von Strauch, der Inhaber des gleichnamigen Wiener Bankhauses, erkennt rasch die Möglichkeiten der schnellen Gewinne durch Investitionen in Immobilien und das Auflegen immer neuer Aktien an der Börse. Doch kann die Weltausstellung, die am 1. Mai 1873 eröffnet wird, die hohen Erwartungen erfüllen? Nicht nur auf Grund der schönen, jungen Frauen, denen er noch nie widerstehen konnte, hat Heinrich von Strauch immer öfter schlaflose Nächte.

Thema und Genre
Dieser historische Roman spielt im Jahr 1873. Themen sind das aufwändige Leben der damals herrschenden Gesellschaftsschicht und die enormen Klassenunterschiede, gewagte Börsen- und Immobiliengeschäfte und Spekulationen, aber auch Genuss und Lebensfreude im Wien des 19. Jahrhunderts.

Charaktere
Die fiktiven Hauptprotagonisten sind gekonnt in das tatsächliche historische Umfeld eingefügt und durch die bekannten realen Personen dieser Zeitperiode ergänzt. Die Charaktereigenschaften entsprechen, obwohl in ihrer Negativität etwas einseitig und teilweise überzeichnet, dem Denk- und Verhaltensmuster der damaligen Zeit. Heinrich von Strauch ist der typische Sohn, der das vom Vater zuvor Aufgebaute erbt, ein Lebemann und Genussmensch, der aber auch das nötige Fachwissen für das Bankwesen und die Börsengeschäfte besitzt. Die Risiken seiner intensiven Investitionstätigkeit sind ihm durchaus bewusst.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt in der Zeit von Januar bis Juli 1873, ein Prolog und Epilog erweitern diesen Zeitrahmen. Rückblenden und zusätzliche Hintergrundinformationen in Form von Zeitungsartikeln zu aktuellen Ereignissen, Expertenmeinung und allgemeiner Stimmungslage ergänzen die Handlung. Auch wenn der Wiener Börsenkrach und die Ursachen bekannte Fakten sind, ist die Geschichte um das fiktive Wiener Bankhaus spannend zu lesen.
Die Sprache mit den speziellen Wiener Ausdrücken entspricht der damaligen Zeit, die Dialoge sind zusätzlich der gesellschaftlichen Stellung und Bildung des/der Sprechenden angepasst.

Fazit
Ein Roman aus der rasanten Finanzwelt der späten Gründerzeit 1873 in Wien, wo die nahe Weltausstellung Reichtum und Aufstieg für alle Bevölkerungsgruppen verspricht und alles möglich scheint. Man taucht ein in die „gute“, alte Zeit, die nur für eine kleine Bevölkerungsgruppe wirklich gut war, genießt das gesellschaftliche Leben in den Wiener Kaffeehäusern und Salons und erhält ungeschönte Einblicke in das Leben der von den Launen der Herrschaft abhängigen Bediensteten. Die authentische Sprache vervollständigt diese interessante, facettenreiche Reise ins alte Wien.



 
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