Rezension (4/5*) zu Nazis in Tibet: Das Rätsel um die SS-Expedition Ernst Schäfer von Peter Meier.

Matzbach

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31. Januar 2020
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OWL
Forschungsreise im Auftrag Himmlers


Am 21.4.1938 brechen fünf junge Männer zu einer Expedition in den Himalaya auf. Es sind fünf Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen, die unter der Leitung des Zoologen Ernst Schäfer in einer Mischung aus Abenteuerlust und Forscherdrang ins Ungewisse aufbrechen, denn das eigentliche Ziel ihrer Reise, Tibet, ist ihnen verschlossen, da die Zugänge dorthin unter britischer Kontrolle stehen und die Briten dieser Expedition äußerst kritisch gegenüberstehen. Nicht zu unrecht, denn die fünf Männer mussten zur Verwirklichung ihres Traumes einen faustischen Pakt eingehen, nämlich einen mit dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, der ihnen mittels seiner Organisation "Ahnenerbe" die notwendigen finanziellen Mittel verschafft. Ihr Auftrag: die Suche nach Beweisen für die "Welteistheorie" und die Suche nach Spuren der Urarier, die angeblich in Tibet beheimatet waren. Alle Teilnehmer der Expedition sind daher auch gleichzeitig SS-Männer, die unter dem Zeichen des Hakenkreuzes unterwegs sind. Peter Meier-Hüsing stuft vier als überwiegende Opportunisten, die sich willfährig dem Unrechtssytem unterwarfen, um ihren Forscherdrang zu befriedigen, der fünfte, Bruno Beger, war wohl auch eher ein Überzeugungstäter, der mit zahlreichen Utensilien zur Schädelvermessung im Gepäck reiste. Über Sikkim gelingt es der Expedition, sich Einlass nach Tibet zu verschaffen, wo sie vor allem Lhasa besuchen, bevor sie die erste Hauptstadt des Landes,Yumbhu Lhakhar besichtigen können. Sie lernen dort zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten des Landes kennen, forschen und spionieren wohl auch ein bisschen, aber Beweise für die esoterischen Ariertheorien finden sie nicht, wobei es auch so zu sein scheint, dass bis auf Beger, der zahlreiche Messungen an den Schädeln der Tibeter und Schädelabgüsse vornimmt, keiner intensiv sucht. Der sich abzeichnende Weltkrieg führt dann dazu, dass die Expedition, die zunehmend die widerwillige Unterstützung der Briten verliert, abreist und im August 1939 ins Deutschen Reich zurückkehrt. Peter Meier Hüsing beschreibt schwerpunktmäßig natürlich die Abenteuer der Forscher in Indien und Tibet, aber auch die Vorgeschichte, u.a. den erfolglosen Versuch Schäfers, das Ahnenerbe aus der Expedition herauszuhalten. Aber auch nach der Expedition erweisen sich die Wissenschaftler als willfährige Handlanger der Nationalsozialisten, wobei es wiederum Beger ist, der sich am tiefsten verstrickt, da er nachweisbar an der Vergasung von Juden im KZ Natzweiler beteiligt war, deren Skelette man zum Beweis des Rassenwahns zu benötigen glaubte.

Abschließend geht der Autor auch noch auf die Nachkriegszeit ein, wobei es den Kenner der deutschen Nachkriegsgeschichte wenig überrraschen dürfte, dass Schäfer und Beger mittels Persilschein und fragwürdigen Eigenauskünften eigentlich schadlos aus der Angelegenheit kamen.

Schade finde ich, dass das die esoterischen Ursprünge von Himmlers Weltsicht zwar in der Einführung kurz erläutert werden, aber da hätte ich gern etwas mehr gelesen, auch wenn es offensicht um phantastische Spinnereien handelt. Allerdings wird wieder einmal klar, dass Donald Trump zwar vielleicht der Meister der alternativen Fakten ist, aber keineswegs ihr Erfinder. So galt die Welteislehre als arisches Kontrastprogrmm zur vermeintlichen "jüdischen Physik" Albert Einsteins, die nichts anderes sei "als der in Form von Berechnungen eingekleidete, unüberbietbare Höhepunkt der geistigen Verirrung und wahnwitzigen Verneinung alles über dem Stoffe Stehenden, Geistigen und letzten Endes Göttlichen der Welt" (S. 24). Also wissenschaftliche Erkenntnis gegen borniertes Wunschdenken, kommt einem bekannt vor, oder?


 
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