Rezension Rezension (5/5*) zu Tage ohne Ende von Sebastian Barry.

Daphne1962

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23. Mai 2020
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Endlos kann so ein Tag werden

Man freut sich immer, wenn ein Autor was zu interessantes zu erzählen hat. So auch bei Sebastian Barry. Ein im Jahr 1955 in Dublin geborener Autor. Er schreibt Theaterstücke, Lyrik und Prosa. Nun bin ich erfreut, der Empfehlung einer Buchhändlerin meines Vertrauens gefolgt zu sein.

Sprachgewaltig erzählt der Ich-Erzähler Thomas McNulty vom Krieg und der Gewalt gegen die Indianer. Wie die Einwanderer sich alles nahmen, was den Ureinwohnern gehörte. Ganze Völker auslöschten und abschlachteten. Später auch die Nordstaatler gegen die Südstaatler, die der Befreiung der schwarzen Sklaven entgegen traten. Brutal, aber grandios erzählt. Aber es geht nicht nur brutal in dieser Art von "Western" zu.

Thomas McNulty lernt durch Zufall den nur etwas älteren Jungen John Cole kennen. Die beiden Jungs ziehen zusammen los und verdingen sich ihren Lebensunterhalt als "tanzende Mädchen" in einer Gegend, die hauptsächlich von Männern bewohnt wird. Nach dem dieses schöne Leben zu Ende geht, bleibt ihnen nur die Möglichkeit sich der Armee zu verpflichten. Hier verbringen sie die nächsten 5 Jahre, die alles andere als ein Zuckerschlecken wird. Sie stolpern, unzertrennlich durch das Grauen. Aber sie finden auch eine andere Möglichkeit ihr Leben gemeinsam außerhalb der Armee zu leben. Sie adoptieren ein Indianermädchen und versuchen sie vor den Gefahren, die in dieser rauen und barbarischen Welt herrscht zu beschützen. Die Kälte der Menschen, denen ein Mord überhaupt nichts ausmacht, denen die Menschlichkeit abhanden gekommen ist.

Es gibt so gut wie keine Absätze in diesem nur 261 Seiten langem Buch. Das macht aber gar nichts. Bei so einer außergewöhnlichen Art des erzählens bemerkt der Leser das überhaupt nicht. Es steckt sogar viel Humor in diesen Sätzen, wo Vergleiche gezogen werden, wie "Er schwitzte wie eine feuchte Mauer" oder auf Seite 126 "Abgesehen von den endlosen Metern Regen, die dicht wie Tuch auf uns herabfallen."

Man könnte als ergriffener Leser Seitenweise aus diesem Buch zitieren. Das würde aber die Rezession sprengen. Daher mein Anliegen, wer sich in der Sprache von guten Autoren gerne verliert, der sollte dieses Buch unbedingt lesen. Denn es kommen auch Wörter darin vor, die man seit ewigen Zeiten nicht mehr gehört hat. Quäntchen ist so ein Wort. Ich dachte schon dieses Wort würde gar nicht mehr existieren. Ängstliche Leser, die mehr die Harmonie lieben, für die ist dieses Buch nicht geeignet. Eher die Menschen, die das Leben von ihrer wahren Seite begreifen. Ein wertvolles Buch, von dessen Autor ich gerne in Zukunft noch mehr lesen möchte.

 

SuPro

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Diese wunderbare Rezi hat mich zu einem Spontankauf verleitet. Selbst das Taschenbuch wirkte wertig und rief mich an: "Nimm mich mit!!!"
(Wer kann sprechenden Büchern schon etwas entgegensetzen?!?:p)
... Meine sprechen auch oft mit mir. Ist das bedenklich? Sollten wir uns da vielleicht mal hinsichtlich unseres psychopathologischen Status untersuchen lassen?:D:D:D