Rezension Rezension (4/5*) zu Long Way Down: Aus dem Englischen von Petra Bös, gelesen von Julian Greis u.a..

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Teufelskreis der Gewalt...

Wills Bruder Shawn wurde erschossen. Will steigt in den Fahrstuhl nach unten, fest entschlossen sich an DIE REGELN zu halten: nicht weinen, niemanden verpfeifen, sich rächen. Der Lift hält auf jeder Etage, und jede Person, die zusteigt, erzählt ihre Geschichte von Ohnmacht, Gewalt, Rache und Tod. Will begreift, dass er das nächste Opfer in einer mörderischen Spirale werden könnte...

Die Bronx, dachte ich spontan, oder vielleicht Irland? Im Grunde ist es auch egal, denn solch ein Ehrenkodex wie 'die Regeln' gibt es sicher in vielen Ecken der Welt. Böse könnte man dies auch als Sippenhaft bezeichnen, denn jeweils der nächste aus der verfeindeten Gruppe oder Familie muss denjenigen töten, der einen der ihren umgebracht hat.

Für Will ist dies gar keine Frage. Selbstverständlich ist er erschüttert über den gewaltsamen Tod seines Bruders, seines Lieblingsbruders, seines einzigen Bruders. Und darüber, wie schlecht es seiner Mutter geht seit dessen Ermordung. Er verkneift sich aber die Tränen mit allen Mitteln, denn...

Nr. 1: Weinen
Tu’s nicht. Egal was passiert.

Will weiß genau, wer Shawn umgebracht hat. Er redet aber nicht darüber, schon gar nicht mit der Polizei, obgleich auch die vermutet, dass der Junge den Täter kennt. Doch hier greift Regel ...

Nr. 2: Jemanden verpfeifen
Tu’s nicht. Egal was passiert.

Will gelingt es, die versperrte Schublade der Kommode seines Bruders zu öffen. Und nimmt die dort deponierte Waffe an sich. Denn es gibt nur noch ein Ziel...

Nr. 3: Rache
Finde den, der getötet hat. Und töte ihn.

Und mit der Waffe steigt der 15Jährige in den Fahrstuhl und drückt den Knopf nach unten. In 60 Sekunden wird er aussteigen, seinem Ziel entgegengehen und schießen.

Wird er?

Der Fahrstuhl hält bereits eine Etage weiter unten. Und es steigt jemand ein, der gar nicht da sein dürfte? Etage für Etage hält der Lift, und jedesmal steigt ein weiterer Fahrgast zu. Jeden davon kennt Will, und jeder hat ihm eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte von Gewalt, Rache und Tod - einer Spirale, aus der es kein Entkommen zu geben scheint. Und Will beginnt zu begreifen.

Als der Fahrstuhl schließlich anhält, steigen alle Fahrgäste aus - und Will?

Die Regeln, die für Will und seine Familie gelten, setzen Coolness voraus, und die hat der Junge trainiert, ebenso wie alle anderen in seinem Viertel. Diese Coolness kommt auch im Text zum Tragen. Denn dies ist kein gewöhnlicher Roman. Elemente aus einer Spoken-Word-Performance, aus Hip Hop und Rap werden hier als besondere Stilmittel eingesetzt und sprechen so sicher die eigentliche Zielgruppe an (Altersempfehlung: 14 bis 17 Jahre).

Aber auch mir sagte diese besondere Form der Textgestaltung zu - sie verlieh einzelnen Passagen eine zugespitzte Eindringlichkeit. Sowohl die Trauer, als auch die Wut, das Entsetzen, die Nachdenklichkeit - alles wird auf den Punkt gebracht. Intensive 103 Minuten währt dieses ungekürzte Hörspiel.

Julian Greis und andere lesen den Text angenehm und lebendig. Allerdings bietet die englische Version, in die ich spaßeshalber ebenfalls reingehört habe und die vom Autor selbst gelesen wird, einen noch besseren Eindruck vom Rhythmus oben genannter Stilmittel aus Hip Hop, Rap usw. Wer mag, kann HIER in die englischsprachige Hörprobe reinlauschen...

Sicher auch als Schullektüre empfehlenswert, v.a. in Städten mit Sozialen Brennpunkten, Bandenkriminalität und hohem Gewaltpotential.


© Parden

 

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