Rezension Rezension (5/5*) zu Weit weg von Verona: Roman von Jane Gardam.

RuLeka

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30. Januar 2018
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Liebenswerte Heldin

Jane Gardam hat mich mit ihrer Old Filth Trilogie restlos begeistert. Auch ihren Erzählband habe ich mit Freude gelesen und war deshalb gespannt auf ihren Debütroman, der nun in einer deutschen Übersetzung vorliegt. „Weit weg von Verona“ ist im Original bereits 1971 erschienen.
Die Ich-Erzählerin Jessica Vye ist ein außergewöhnliches und höchst eigensinniges Mädchen von 13 Jahren. Sie lebt mit ihren Eltern und dem kleinen Bruder in einem Badeort in North Yorkshire. Der Vater arbeitet hier als Hilfsgeistlicher und schreibt nebenbei Artikel für diverse Zeitungen. Die etwas chaotische Mutter ist leicht überfordert von den verschiedenen Aufgaben in der Gemeinde und dem Haushalt.
Der Alltag ist überschattet vom Zweiten Weltkrieg, das bedeutet die Gasmasken sind täglich mit zur Schule zu nehmen, die Lebensmittel sind rationiert, der Strand ist voller Minen und nachts drohen Luftangriffe der Deutschen.
Gleich zu Beginn des Buches gibt es ein Schlüsselerlebnis für die damals 9jährige Jessica. Ein Dichter, der zu einer Lesung in die Schule kommt, bestätigt ihr schriftstellerische Qualitäten. Nun ist sie überzeugt, Schriftstellerin zu sein und kämpft um ihre Anerkennung.
Sie erzählt nun von ihrem Alltag, Erlebnisse aus der Schule, mit Mitschülerinnen, sonderbare Begegnungen usw. Dabei kommt sie öfter in Schwierigkeiten, weil sie immer laut sagt, was sie denkt, Autoritäten hinterfragt, auch wenn das Ärger mit den Lehrerinnen,Konflikte mit Gleichaltrigen mit sich bringt. Die Einladung zu einem Fest bei einer leicht versnobten Familie bringt ihr die Begegnung mit einem sehr hübschen Jungen. Für diesen Christian, einem 14Jährigen mit revolutionären Ideen entflammt das Mädchen. Aber der Junge enttäuscht sie bald. Als die beiden gemeinsam eine Arbeitersiedlung besuchen, überleben sie knapp eine Bombardierung. Der strahlende Held fährt völlig konfus heim und lässt Jessica allein zurück.
Bald wird der Lesesaal der Bibliothek ihr zweites Zuhause. Sie entdeckt die englischen Klassiker und verzweifelt beinahe an der Fülle der Literatur. „Es ist ein bisschen deprimierend, man hat das Gefühl, man kommt gar nicht voran, wenn man nach einem Monat erst bei den Brontes ist und dann sieht, wieviel Dickens da auf einem zukommt.“
Der Roman ist sicher autobiografisch geprägt. Die Protagonistin lässt sich als Alter Ego der Autorin lesen. Auch in ihrem Debütroman zeigen sich schon Jane Gardams Qualitäten: eine scharfe Beobachtungsgabe, eine genaue Menschenzeichnung, witzige , oft doppeldeutige Dialoge.
„Weit weg von Verona“ ist für Jugendliche und auch Erwachsene eine lohnenswerte Lektüre und die liebenswerte Heldin bleibt in Erinnerung.

 
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