@Literaturhexle
Immer wieder spiegelt sich in Ronnies Leben diese Zugfahrt in die Landverschickung wieder. Immer wieder folg darauf ein Bruch in seinem Leben. Als er sich an seine erste Vorstellung erinnert, konnte ich richtig nachempfinden, dass er sich an diesem Ort und bei diesen Leuten angenommen und zuhause fühlte, wie zuvor noch nirgends...
"Manchmal müssen Zauberer selbst verschwinden", was für ein prophetischer Satz.
Ich hatte schon das Gefühl, dass Evie echte Gefühle für Ronnie hatte – nur eben nicht die ganz große romantische Liebe, eher eine Art dankbarer Freundschaft.
Der letzte Zaubertrick wird grandios geschildert, und ich habe gefeiert, dass der (bzw. EIN) Papagei nochmal eine Rolle spielte. Da kann man so viel hinein interpretieren. Ronnie besinnt sich auf sich selbst zurück, oder er nimmt sich etwas zurück, das ihm genommen wurde, oder er lässt etwas los, was ihn verfolgt hat...
@Querleserin
Ich denke auch, dass Ronnie vor dem Auftritt schon alles geplant hatte, um ganz woanders neu anzufangen. Ein Selbstmörder hätte nicht all das mitgenommen, das er mitnahm...
Irgendwie dachte ich am Schluss, es sei mehr als ein Einschlafen – ich habe es als Evies Sterbeszene gelesen, und das Gewicht neben ihr als Vermischung beider Männer in ihrem Leben.
@Renie
Normal kann ich solche Dreiecksgeschichten nicht ausstehen, weil sie meist unsäglich ausgelutscht sind... Hier fand ich sie interessant, weil es eigentlich gar nicht so sehr um die Romanzen ging, sondern um die Leben der Protaonisten und die Beziehungen im Allgemeinen, zum Beispiel zu den Müttern.
Stimmt, wenn man mal darauf achtet, sieht man da die Parallelen zu einem Zaubertrick! Ich vermute, dass manche Szenen, die für die Handlung nicht strikt notwendig sind, auch Ablenkung von leisen Zwischentönen sind – wie Evies Scharwenzeln die Zuschauer davon abhalten soll, zu genau auf Ronnies Hände zu gucken.
@RuLeka
Das stimmt, das ist das Tolle an Leserunden!
Ja, Mütter sind hier ein Leitmotiv. Immer wieder Mütter und die schwierigen Beziehungen zu ihnen. Dass Evie Ronnie nicht zu seiner Mutter begleitet, sagt wirklich alles... An ihrer Stelle hätte ich sofort und auf der Stelle angeboten, ihn zu begleiten – und sei es nur als moralische Unterstützung während der Zugfahrt.
@Literaturhexle
Wenn du Ronnies Mutter Unrecht tust, dann tue ich das auch... Ich hege wenig Sympathien für sie.
@milkysilvermoon
Oje, so wenig hat der Roman dich begeistert? Wie schade... Aber manchmal passt ein Buch einfach nicht zu einem.
@MRO1975
Oh ja, Ronnie trägt auf der Zugfahrt schwer an seinem Gewissen, aber man spürt in seinen Gedanken auch sehr die passiv-aggressive Art seiner Mutter.
Ronnie ist definitiv mit Stil abgetreten und hat sich nicht davongeschlichen wie ein getretener Hund. Ich hatte den Eindruck, dass auch der Papagei dafür stehen soll: Seht her, da bin ich, und ich muss mich vor niemandem schämen oder verstecken.
Ich glaube, hätten sie sich einfach nur getrennt, hätte Evie Ronnie sicher bald vergessen – ob ihm wohl klar war, dass sie sich so viel länger an ihn erinnern würde?
@Barbara62
Ja, Ronnie war auch von Anfang an meine Sympathiefigur... Mit Evie kann ich noch halbwegs mitfühlen, Jack bleibt für mich eher unnahbar.
Ich denke, Evie wird bei den einfacheren Tricks sicher wissen, wie die gingen – bei dem Schwerttrick musste sie ja wissen, wie sie rechtzeitig aus der Kiste rauskommt –, aber bei den komplexeren vielleicht nicht.
Kurioserweise hält sie dem Zauberer Ronnie viel eher die Treue als dem Mann Ronnie.
@SuPro
Das war auch immer mein Eindruck, dass es bei Evie erst eher unterbewusste Entwicklungen waren, keine bewusste Täuschung.
Ja, Überinterpretationen gibt es eigentlich nicht... Ich habe mich da vor einer Weile auf Instagram darüber unterhalten. Da ging es zwar um Kunst, aber das Prinzip ist das selbe: meine Gesprächspartnerin meinte, als Künstlerin müsse man seine Bilder loslassen und akzeptieren, dass jeder Betrachter seine eigene Interpretation einbringt, und ich stimme ihr da zu.
Du hat sicher recht, Ronnies Mutter hat ihn wahrscheinlich mehr geliebt, als es bei ihm und beim Leser ankam...
@Literaturhexle
Das stimmt, Mädchen wurde wohl oft eingetrichtert, dass es eine Träumerei und ein Hirngespinst sei, aus Liebe heiraten zu wollen, und dass sie doch froh sein sollen, wenn sie einen Mann kriegen, der sie versorgen kann.
@renee
Als Erwachsener denkt man sich: das muss der Sohn doch gemerkt haben, aber er war noch ein kleiner Junge. Hat er denn gewusst, was seine Erziehung kostet? Hat er verstanden, dass die Mutter ihre Gefühle vielleicht nur nicht so gut ausdrücken kann und warum sie den Papagei verkauft hat? In seiner Gefühlswelt war das wahrscheinlich nur "Ich liebe diesen Papagei und sie nimmt ihn mir weg, also liebt sie mich nicht wirklich". Noch schlimmer, der Papagei war ein Geschenk des Vaters, also nahm sie ihm in gewisser Weise auch eine Verbindung zum Vater weg.
Und wenn sich das einmal unterbewusst festgesetzt hat, kann das schon auf lange Sicht die Beziehung vergiften, gerade weil sie ja lange Jahre weg war und dem nicht entgegenwirken konnte. Und als sie wieder zusammen waren, hat ihre Verbitterung verhindert, dass sie emotional auf ihn zugeht.
Ronnies Mutter erinnert mich an meine Großmutter. Die ist in harten Zeiten aufgewachsen und hat im Krieg viel Schlimmes erlebt, so dass sie sich lange Jahre nur um das Überleben ihrer Familie kümmern konnte – und ihren Kindern und Enkelkindern später eher Geld gab als emotional Liebe zeigte. Ich glaube, viele Frauen, die in harten Zeiten leben mussten, beginnen irgendwann damit, ihre Liebe eher durch praktische Dinge zu zeigen, was bei Kindern nur nicht immer so ankommt, wie es sicher gemeint ist.