3. Leseabschnitt: Seite 110 bis Ende

MRO1975

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11. August 2018
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Evie denkt auch nach 50 Jahren immer noch an Ronnie zurück. Schlechtes Gewissen? Ungewissheit - das Kapitel ist nicht abgeschlossen für sie. Es scheint fast so, als hoffe sie, er werde noch auftauchen. Und trotzdem denkt sie beim Einschlafen an Jack, an sein vertrautes Gewicht neben ihr.
Evie ist wirklich sehr ambivalent. Ich kann ihre Gefühle nicht richtig einordnen. Einerseits hat sie Ronny sicherlich lieb gehabt und Jack auch. Die große Liebe wird es in keinem der Fälle gewesen sein; sonst hätte sie Ronny nicht betrogen und hätte nach 50 Jahren glücklicher Beziehung mit Jack keine Schuldgefühle mehr. Oder macht sie sich einfach nur Vorwürfe, weil sie sich mit Ronny nie ausgesprochen hat?

Ein tolles Buch: So viele überlegenswerte Aspekte!
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ich wage es kaum zu schreiben. Aber dieses Zusammenspiel der 3 Protagonisten war für mich nicht so interessant wie für Euch. Diese Dreier-Konstellation war gut gemacht und psychologisch ausgefeilt. Aber dennoch habe ich die Beziehung der drei Personen zueinander nicht als etwas Besonderes empfunden: 2 Männer, die eng befreundet sind und eine Frau, die sich erst für den einen, dann den anderen entscheidet und Schluss ist's mit der Freundschaft. Aus diesem Stoff sind schon viele Romane entstanden.
Für mich standen andere Dinge im Vordergrund. Ich werde den Verdacht nicht los, dass Swift seinen Roman wie die Zaubershow in Brighton aufgezogen hat. Und das ist mein Problem. Um diesen Gedanken zu verifizieren müsste ich den Roman nochmal lesen. Hier nenne ich ein paar Punkte, warum sich diese Idee bei mir eingeschlichen hat:
- der Titel (der englische, nicht der deutsche)
- diese krassen Wechsel in Perspektive und Zeitebene haben etwas von "Vorhang zu, Vorhang auf, der nächste Künstler hat seinen Auftritt)
- bei einer dieser altmodischen Zaubershows, kennt man die einzelnen Tricks (Kartentricks, Tauben, zersägte Jungfrau). Das ist ähnlich mit der Handlung in diesem Roman. Man weiß, wo die Reise hingeht. Schließlich war gleich früh am Anfang klar, dass Ronnie auf der Strecke bleiben wird. Nur das wie, war nicht bekannt (wie bei einem Zaubertrick: man weiß, dass die Jungfrau am Ende zersägt sein wird, aber wie der Zauberer es gemacht hat, wissen nur die Wenigsten)
- Und dann bin ich zum Schluss über Farben gestolpert: Schwarz und Weiß. Wenn ich an diese Farben denke, sehe ich den Frack und Zylinder eines Zauberers vor mir. Der Zauberstab ist doch auch schwarz-weiß, oder? Evie heißt mit Mädchennamen "White"; ihr Kostüm ist weiß; Pablos Augen sind schwarz (darauf wird mehrfach hingewiesen); die weißen Taschentücher und natürlich die weiße Taube.

Letztendlich bin ich mir aber nicht sicher. Vielleicht überinterpretiere ich auch. Ich möchte aber gern glauben, dass Swift seinen Roman als Zaubershow angelegt hat. Denn das hat für mich die Faszination dieses Romans ausgemacht. Und schließlich ist Swift Booker Prize Gewinner. Der müsste doch so etwas können.;):cool:

Die Idee, dass der Roman wie eine Zaubershow angelegt ist, ist wunderbar. Es lohnt sich sicherlich, den Roman noch einmal unter diesem Aspekt zu lesen.
 

Barbara62

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Ich finde das Ende des Romans wunderbar gelöst. Im Nachgang habe ich den Klappentext gelesen. Zum Glück im Nachgang! Dort steht doch tatsächlich, dass Ronnie im Anschluss an einen Auftritt verschwindet!! Gehts noch?! Das ist doch das Geheimnis des Buches: Was ist mit Ronnie passiert? Muss man nicht verstehen.
T

Ich finde das Ende auch ganz wunderbar-magisch. Zum Glück habe ich den Klappentext vorher nicht gelesen.
 

Barbara62

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Bevor ich hier alle Beiträge lese, erst mal mein Eindruck:

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich war vom ersten Auftritt Ronnies an "auf seiner Seite". Klar, gegen die Liebe kann man sich nicht wehren, aber es ist schon ein enormer Vertrauensbruch, den die beiden Anderen begangen haben. Evie zumindest hat dafür gebüßt: Sie ist trotz ihres Wohlstands und trotz der langen, wohl auch glücklichen Ehe mit Jack nie ganz darüber hinweggekommen, was mit Ronnie passiert ist. Wäre er nicht verschwunden, hätte sie von seiner Karriere und vielleicht von einer neuen Frau an seiner Seite erfahren, dann hätte sie abschließen können, so nicht. Im Prinzip ist das Verschwinden die Höchststrafe für sie. Von Jack erfahren wir nicht, wie das Ereignis nachgewirkt hat. Ich schätze, er war dickhäutiger.
 

Literaturhexle

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Meint ihr, sie durchschaute die Tricks? Da war ich mir nicht so sicher. Will sie nichts sagen oder kann sie nicht?
Ich hatte es an einer Stelle auch eher so verstanden, dass sie über vieles nicht im Bilde war, weil Zauberer generell ihre Geheimnisse für sich behalten. Manches wusste sie natürlich schon, immer da, wo sie aktiv beteiligt war natürlich.
Sie hat ihm aber die Treue auch bezüglich seiner Vergangenheit gehalten. Von Evergrene z.B. hat sie nie etwas erzählt.
 

Barbara62

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Evie ist wirklich sehr ambivalent. Ich kann ihre Gefühle nicht richtig einordnen. Einerseits hat sie Ronny sicherlich lieb gehabt und Jack auch. Die große Liebe wird es in keinem der Fälle gewesen sein; sonst hätte sie Ronny nicht betrogen und hätte nach 50 Jahren glücklicher Beziehung mit Jack keine Schuldgefühle mehr. Oder macht sie sich einfach nur Vorwürfe, weil sie sich mit Ronny nie ausgesprochen hat?

Eine sehr interessante Frage, wer wen wirklich geliebt hat. Wahrscheinlich haben nur die beiden Männer geliebt - oder nur Ronnie? Wollte Jack nur einfach besitzen, was einem anderen "gehörte"? Dass Evie einen von beiden sehr geliebt hat, glaube ich auch eher nicht.
 

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Aus ihren Erinnerungen wird deutlich, dass sie sich im Grunde schon für Jack entschieden hatte, als sie es ablehnte, mit Ronnie nach London zu fahren. Da steckt schon eine Berechnung dahinter.
... Ich habe nicht das Gefühl, dass diese Entscheidung das Ergebnis einer Berechnung war. Berechnung ist ein bewusster Vorgang; ich habe eher den Eindruck, dass hinter der Entscheidung Evies unbewusste Vorgänge steckten. Also kurzum: ich glaube nicht, dass sie (bewusst) gedacht hat: ich fahre nicht mit, sondern gehe stattdessen mit Jack ins Bett.
Manchmal/oft erkennt man erst im Nachhinein, dass hinter bewussten Entscheidungen das Unbewusste seine Finger im Spiel hatte...
Aber ich kann bei Evie natürlich falsch liegen…
 

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Dennoch hat auch Evie ambivalente Gefühle:
... Ja, das sehe ich auch so. Ambivalente Gefühle, was ihre Zuneigung/Liebe zu den beiden Männern betrifft... und dann sind da wahrscheinlich auch noch Zweifel, Reue und Schuldgefühle… Also ein Sammelsurium an Gefühlen…
 

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Im Nachgang habe ich den Klappentext gelesen. Zum Glück im Nachgang! Dort steht doch tatsächlich, dass Ronnie im Anschluss an einen Auftritt verschwindet!! Gehts noch?! Das ist doch das Geheimnis des Buches:
:(:eek:... was steht da?!
Ich hab das bis jetzt nicht gelesen. Das finde ich genauso unmöglich wie den Titel des Buches.
Es geht ja gar nicht, dass man vor allem bei so einem schmalen Bändchen bereits solche Inhalte verrät!!! Gerade wenn das Buch so wenige Seiten hat, sollte im Klappentext und bei Rezensionen mehr Zurückhaltung geübt werden…
 

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Ich wage es kaum zu schreiben. Aber dieses Zusammenspiel der 3 Protagonisten war für mich nicht so interessant wie für Euch. Diese Dreier-Konstellation war gut gemacht und psychologisch ausgefeilt. Aber dennoch habe ich die Beziehung der drei Personen zueinander nicht als etwas Besonderes empfunden: 2 Männer, die eng befreundet sind und eine Frau, die sich erst für den einen, dann den anderen entscheidet und Schluss ist's mit der Freundschaft. Aus diesem Stoff sind schon viele Romane entstanden.
Für mich standen andere Dinge im Vordergrund. Ich werde den Verdacht nicht los, dass Swift seinen Roman wie die Zaubershow in Brighton aufgezogen hat. Und das ist mein Problem. Um diesen Gedanken zu verifizieren müsste ich den Roman nochmal lesen. Hier nenne ich ein paar Punkte, warum sich diese Idee bei mir eingeschlichen hat:
- der Titel (der englische, nicht der deutsche)
- diese krassen Wechsel in Perspektive und Zeitebene haben etwas von "Vorhang zu, Vorhang auf, der nächste Künstler hat seinen Auftritt)
- bei einer dieser altmodischen Zaubershows, kennt man die einzelnen Tricks (Kartentricks, Tauben, zersägte Jungfrau). Das ist ähnlich mit der Handlung in diesem Roman. Man weiß, wo die Reise hingeht. Schließlich war gleich früh am Anfang klar, dass Ronnie auf der Strecke bleiben wird. Nur das wie, war nicht bekannt (wie bei einem Zaubertrick: man weiß, dass die Jungfrau am Ende zersägt sein wird, aber wie der Zauberer es gemacht hat, wissen nur die Wenigsten)
- Und dann bin ich zum Schluss über Farben gestolpert: Schwarz und Weiß. Wenn ich an diese Farben denke, sehe ich den Frack und Zylinder eines Zauberers vor mir. Der Zauberstab ist doch auch schwarz-weiß, oder? Evie heißt mit Mädchennamen "White"; ihr Kostüm ist weiß; Pablos Augen sind schwarz (darauf wird mehrfach hingewiesen); die weißen Taschentücher und natürlich die weiße Taube.

Letztendlich bin ich mir aber nicht sicher. Vielleicht überinterpretiere ich auch. Ich möchte aber gern glauben, dass Swift seinen Roman als Zaubershow angelegt hat. Denn das hat für mich die Faszination dieses Romans ausgemacht. Und schließlich ist Swift Booker Prize Gewinner. Der müsste doch so etwas können.;):cool:
... Total interessante Gedanken! Ich finde, dass es völlig egal ist, ob der Autor den Plan hatte, seine Geschichte als Zaubershow aufzuziehen oder nicht. Du hast es so empfunden und Dir hat es genauso gefallen. Nichts anderes ist wichtig.
 

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Schöne Analogie. Ich denke, hoffe auch, dass Ronnie irgendwo ein neues Leben begonnen hat. Die Beziehung zu Evie ist vorbei, seine Freundschaft mit Jack findet damit auch ein Ende, die Mutter ist tot, die Saison zu Ende ( das Ende von dieser Art Unterhaltung ist auch abzusehen). Was hält ihn hier noch ? Und was wäre spektakulärer für einen Magier, als so zu verschwinden ? Nichts spricht in meinen Augen für einen Selbstmord, eine Leiche wurde auch nie gefunden.
... Genauso sehe ich das auch. All die, die du erwähnst sind verschwunden. Und zusätzlich die Lawrenves und sein leiblicher Vater. Drei Personen, die ihm sehr viel bedeutet haben.
Nichts hat ihn mehr hier, in England gehalten. Alle sind verschwunden.
Am Anfang ist Ronny aufgetaucht „here we are“... und am Ende ist er auch verschwunden.
 

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Dein Beitrag ist ein sehr gutes Argument für Leserunden. Da gibt es meistens Teilnehmer, die über andere Dinge stolpern als man selbst. Ich denke nicht, dass Du überinterpretierst. Swift ist ein zu guter Autor, um solche Dinge wie die Namen der Figuren, den Aufbau usw. dem Zufall zu überlassen.
... Ich finde, dass das Wort „Überinterpretation“ an dieser Stelle gestrichen werden sollte. Man interpretiert, man assoziiert… Wer bestimmt denn, wann es zu einer ÜBERinterpretation oder zu einer ÜBERassoziation kommt? Es wäre doch schlimm, wenn man sich mit seinen Gedanken und Gefühlen innerhalb eines Rahmens und innerhalb einer Norm bewegen müsste. Da gibt es kein richtig und kein falsch.
Das finde ich so wichtig, in Leserunden zu erwähnen, um Hemmungen abzubauen oder zu verhindern.
 

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An verschiedenen Stellen des Romans wird auf die Mütter eingegangen. Gleich zu Beginn wird erwähnt, dass Jack immer einen ordentlichen Stups braucht vor seinem Bühnenauftritt. „ Das konnte einzig und allein seine Mutter.“ Später entdeckt Evie Parallelen zwischen sich und Jack. „ ...dass auch Jack eine Mutter hatte, die ihn, wie ihre es getan hatte, vom frühesten Alter an wie einen kleinen Hund für ein Leben auf der Bühne abgerichtet hatte.“ Auch interessant, welche Lehren Evies Mutter für ihre Tochter hatte: Das Leben ist nicht gerecht, immer lächeln, du hast ein schönes Gesicht...Also setze Deinen Körper als Dein Kapital ein. Dagegen will Ronnies Mutter von einer Bühnenlaufbahn ihres Sohnes garnicht wissen. So ein Leben ist ihr völlig fremd. Ronnie hat auch ein sehr zwiespältiges Verhältnis zu seiner Mutter. Während und nach seiner Zeit in Evergrene hat er ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber, weil er hier viel glücklicher ist, sich mit Penny besser versteht als mit ihr. Als Ronnie nach dem Krieg nach London zurückkehrt, ist seine Mutter noch verhärteter als sie es eh schon war.
Aufgrund dieser zwiespältigen Gefühle spricht er auch nicht mit Evie über seine Mutter, bringt die beiden nicht zusammen. Bezeichnend für das Verhältnis zwischen Ronnie und Evie ist, dass er sie nicht darum bittet, ihn zum Krankenbett seiner Mutter zu begleiten und sie ebenfalls kein Interesse an einem Besuch zeigt. Das wäre doch für ein verlobtes Paar gar keine Frage gewesen.
So, das ging jetzt etwas wirr durcheinander. Jedenfalls spielen die Mütter für alle drei Protagonisten eine wesentliche Rolle, während alle Väter abwesend sind.
... Das Thema Mütter und abwesende Väter finde ich hier besonders gut aufgegriffen. Er ist da sehr nah am Leben. An der Realität.

Lange Zeit war es in den Familien ja üblich, dass vor allem die Mütter zu Hause waren und die Väter insofern abwesend, als dass sie sehr viel gearbeitet haben. Aber auch diese abwesenden Väter spielen für die Kinder (Ronnie) eine große Rolle.
und dann gab und gibt es natürlich die durch Trennung wirklich abwesenden Väter. Auch diese Väter spielen für die Kinder (Evie) eine große Rolle.
Eine große Rolle z. B. im Sinne von Sehnsucht und in der Fantasie.

Die ambivalenten Gefühle den Müttern gegenüber wird wunderbar dargestellt. Genau so, wie das im wahren Leben ist.
 

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Was mir außerordentlich gut gefallen hat, ist die Darstellung des Loyalitätskonflikts, in dem Ronny steckt. Als Junge, aber auch noch als Erwachsener.
Es plagt ihn, dass er seine Pflegeeltern liebt, denn einerseits spürt er diese Liebe und andererseits fragt er sich, ob er sie lieben darf. Er liebt sie, aber er muss es vor seiner Mutter verheimlichen, um ihre (Mutrers) Liebe nicht zu verlieren. Das ist seine Lösung für diesen Konflikt.
Und was mir auch gut gefallen hat, das ist die Wiederholung der Dreierkonstellation.
Ronny – seine Mutter – seine Pflegeeltern.

Ronny – Evie – Jack.