Rezension Rezension (5/5*) zu Und am Ende werden wir frei sein: Roman von Martha Hall Kelly.

nineLE

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4. November 2019
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Buchinformationen und Rezensionen zu Und am Ende werden wir frei sein: Roman von Martha Hall Kelly
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Wahre Geschichte fulminat erzählt

Mein Fazit muss ich in diesem Fall unbedingt voran stellen, so grandios fand ich den Roman, so fulminat erzählt. Eine unbedingte, absolute und uneingeschränkte Leseempfehlung, die weit über die fünf zu vergebenden Sterne hinausgeht!

Ich bin wirklich sehr froh, dass ich mich für dieses Werk in der Leserunde entschieden habe. Selten hat mich die Thematik des zweiten Weltkrieges und der im Roman handelnden Protagonisten so sehr berührt, gefesselt und glaubwürdig in seinen Bann gezogen, wie es Martha Hall Kelly mit "Und am Ende werden wir frei sein", geschafft hat.

Das lag nicht zuletzt am brillanten Erzählstil der Autorin und der damit verbundenen Sprachgewalt, die alles Gelesene sofort in Bilder umwandelte und sich unweigerlich sofort in Kopf und Herz des Lesers einbrennen musste.

Die Zeitspanne des Romans erstreckt sich über zwanzig Jahre von 1939 -1959.

Wir lernen drei junge Frauen kennen, deren Charaktere und Lebensverläufe nicht diametraler sein könnten, als diese: So gibt es Caroline, die auch gutsituiertem Hause stammend, in New York im französischen Konsulat arbeitet und von dort aus dem Beginn des zweiten Weltkrieges aus der Überseeperspektive entgegensieht. Sie organisiert zunächst Visa und Hilfspakete für französische Waisenkinder. Die persönliche Betroffenheit Carolines mit dem Schicksal Frankreichs ab 1939, stellt die Autorin authentisch her, indem sie Caroline den verheirateten französischen Schauspieler Paul an die Seite stellt. Als dieser zur Rettung seiner Ehefrau nach Frankreich mitten in das Kriegstreiben reist, ist Carolines Hingabe und ihr unermüdliches Engagement zur Unterstützung der bedürftigen Franzosen endgültig erstarkt und gibt ihr unermüdliche Tatkraft für ihre Sache. Dabei sind ihre Kontakte zur High Society und ihre Beharrlichkeit, diese Kontakte auch zu nutzen, stets hilfreich um ihre Anliegen umzusetzen.

Ebenso lernen wir, beginnend 1939, die junge Polin Kasia aus Lublin kennen, die mit ihren Eltern und ihrer Schwester hautnah den Kriegsbeginn, mit dem Einfall in Polen miterlebt. Es beginnt die Zeit der Unsicherheit, des Versteckens, der permanenten Angst, was als nächstes geschehen wird. Als Kasia eine Auftragsausführung in der heimlichen Untergrundbewegung misslingt, wird sie mitsamt ihrer Mutter und ihrer Schwester in das deutsche "Umerziehungslager" für Frauen nach Ravensbrück deportiert. Der Vater verbleibt zurück in Polen, tätig im nun nazibesetzten Postamt.

Obwohl ich schon viele Romane, Sachbücher, Biografien etc. zur Thematik des II. WK gelesen habe, muss ich sagen, noch nie zu vor, war ich so derart emotional ergriffen und erschüttert, über die aus Kasias Sicht erzählten Greuel der Nazis in diesem Lager. Die Bilder haben mich verfolgt und lange beschäftigt.

Und dennoch gelingt es der Autorin, dass sie trotz aller Unfassbarkeiten, Grausamkeiten und dramatischen Schicksale, ein Hauch an Hoffnung aufkommen lässt, das Zittern und Bangen ums Überleben, das Entkommen, das "Alles wird gut". Der Zusammenhalt der Frauen und ihre heimlichen Überlebenstricks, sind dabei besonders berührend. In diesem Fall ist der Romantitel, Gott sei dank, Programm und lässt uns quasi gemeinsam mit Kasia ihr Schicksal ertragen.

Hilfreich war dabei auf jeden Fall, dass Kasia nach der Befreiung aus Ravensbrück ihre Jugendliebe Pietrik in ihrer Heimat Lublin wiederfindet und heiratet. Wichtig fand ich, dass das schwere psychische Trauma Kasias aufgrund der menschlichen Lagerexperimente (dessen Opfer sie und ihre Schwester ebenfalls geworden sind) sowie der ungeklärte Tod ihrer geliebten Mutter, nach langer Verdrängung endlich doch noch aufgearbeitet worden sind. Dieser Befreiungsschlag war unerlässlich und notwendig, um endlich wieder am Leben mit ihrer lebenden Familie teilnehmen zu können und nicht länger alle von sich zu stoßen, weil sie gedanklich immer in der Welt der Vergangenheit feststeckte.

Die dritte im junge Frau, hier Antagonistin, Herta, ist 1939 mit ihrem Medizinstudium in Düsseldorf fertig geworden und sieht als Frau dem Plan der Nazis nunmehr Hausfrau und vor allem Mutter zu sein mit Schrecken entgegen. Erstmalig in einem Roman war es mir als Leser möglich, in die Gedankenwelt eines in der Nazipropaganda aufgewachsenen Meschen einzutauchen. Aus so einer Erzählperspektive heraus, hab eich zuvor noch keinen Roman gelesen. Herta verteidigte stets die Geschehnisse und Dinge, die in dieser Zeit passierten. Sie hat derart vehement die Vorkommnisse verteidigt und weggeschaut bzw. als richtig erachtet, dass man fast würgen musste und unfassbar wütend war. Sie bedient sich wie Gottgegeben an den enteigneten Sachen der Getöteten, führt ohne mit der Wimper zu zucken menschliche Experimente an Lebenden durch und verteidigt dies alles mit der Naziideologie. Schwer zu ertragen war da für mich auch, dass selbst bei ihrem Prozess nach Kriegsende jedwede Art der Einsicht und Reflexion schlichtweg nicht vorhanden war, widerlich!

Umso wichtiger war für mich daher der glamouröse Teil Carolines, die eben gerade nur aufgrund ihrer Haute Société Kontakte und ihr unermüdliches Betteln um Unterstützung, schlussendlich all ihre Hilfe ermöglicht hat. Wie die drei Frauen also zusammenkommen, möchte ich an diese Stelle nicht verraten...


Schlussendlich bleibt mir nur zu wiederholen: Jeder, sollte diesen Roman als unbedingtes "Must Read"- wie man heute so schön sagt- auf seiner Liste haben und darin eintauchen. Brilliant! Nicht zu vergessen sind dabei natürlich auch noch das sehr schön gestaltete Buch mit seinem ansprechenden Cover, sowie das spannende Nachwort mit Hintergrundinformationen der Autorin.