Rezension Rezension (4/5*) zu Das Ensemble: Roman von Aja Gabel.

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das Ensemble: Eine Freundschaft fürs Leben

Dieser Roman beschreibt und handelt von einer Freundschaft, die sich durch ihre Liebe zur Kammermusik ergeben hat. Jana, Henry, Daniel und Brit haben ihr Studium beendet und sich als Kammermusik-Quartett zusammen geschlossen. Die vier Persönlichkeiten haben eine völlig unterschiedliche Herkunft. Während Henry liebevoll in seinen Interessen unterstützt und gefördert wurde, musste Daniel seinen musikalischen Weg ohne familiäre Schubkraft und finanzielle Mittel durchsetzen, was ungleich mehr Kraft und Durchsetzungsstärke erfordert. Brit hat gar keine Familie mehr, ihre Eltern starben kurz hintereinander. Das geerbte Haus ermöglichte ihr aber, die Ausbildung ohne finanzielle Sorgen abzuschließen. Jana ist froh, wenn sie ihre Eltern nicht sieht, das Verhältnis ist gespannt: „Meine Mutter hat mich nie spielen sehen. (…) Sie mag klassische Musik nicht wirklich. Überhaupt mag sie eigentlich nur sich. Und Wodka. Meinen Vater kenne ich nicht. Und irgendwie ist das auch gut so. Ich musste im Publikum nie jemanden beeindrucken, nur Fremde. Und mich.“
Jana ist geradlinig und ehrgeizig, ihrer Führung vertraut sich das Ensemble an.

Auch die Talente sind nicht gleich verteilt. Insbesondere Bratschist Henry gilt als Ausnahmetalent, er wird schon früh umworben, um die Gruppe zu verlassen und eine Solokarriere zu starten. Diese Möglichkeit schwelt im Raum, lässt Neid aufkeimen, der das musikalische Klima mitvergiftet. Zu Beginn des Romans stehen die Vier unmittelbar vor dem Esterhazy, einem weltweit angesehen klassischen Musikwettbewerb, der ihnen den Durchbruch bescheren soll. Allerdings spielen die vier jungen Leute noch nicht sehr lange miteinander und der gemeinsame Erfolg hängt zentral von der zwischenmenschlichen Harmonie ab. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber in mir sind viele Tonlagen. Es geht darum, aus der Polyphonie zur Harmonie zu finden. Menschen sind wie Musik. Wir verstehen das nur nicht genug.“, sagt Daniel zu Brit. Diese beiden sind im Grunde über all die Jahre miteinander verbunden, es ist auch ihre Beziehung zueinander, die sehr sensibel über die Höhen und Tiefen des Lebens geschildert wird.

Der Roman besteht aus vier Teilen. Jedem Teil stehen die Musikstücke voran, an denen das Quartett in diesem Abschnitt übt, die aufgeführt werden oder sonst eine Rolle spielen. Wunderbar ist, dass es sogar auf YouTube eine Zusammenstellung aller Stücke dieses Romans gibt, so dass man beim Lesen wunderbar mithören kann. Jeder dieser Teile deckt einen bestimmten Zeitraum ab (Teil 1: San Francisco ab Mai 1994/Teil 2: New York ab August 1998/Teil 3: L.A. ab März 2003/Teil 4: The Redwoods ab September 2007). In jedem Teil gibt es Abschnitte, die mit einem der Musiker betitelt ist und der im Zentrum steht. Dadurch erfährt man als Leser sowohl, was den einzelnen beschäftigt, als auch, welchen Herausforderungen sich das Ensemble zu stellen hat. Die Perspektiven wechseln. Jeder hat ein Geflecht aus Beziehungen, jeder hat seine Individualität. Im Außenverhältnis wird sich verliebt, da gibt es Liebeskummer, Geldsorgen, aber auch Glück und erfüllende Momente. Es gibt gesundheitliche Probleme, die das große Ganze in Gefahr bringen können. Später werden Familien gegründet, die sich auch mit der Passion der Kammermusik arrangieren müssen. Doch auch im Innenverhältnis gibt es Konflikte, unterschiedliche Ansichten und Prioritäten.

„Das Ensemble“ ist ein leicht zu lesender Roman, der aber an keiner Stelle in die Trivialität abgleitet. Menschen mit Bezug zur klassischen Musik werden vermutlich mehr Freude daran haben, jedoch ist er auch für alle anderen als Freundschaftsroman zu lesen. Die musikalischen Sequenzen sind weder ausufernd noch zu fachspezifisch formuliert. Es geht mehr um das musikalische Gefühl, um die Einheit als Gruppe, denn um überbordende Fachtermini, die nur für Spezialisten zu verstehen sind.
Im Roman geht es eben um Musik und um Freundschaft. Aja Gabel hat einen sehr ansprechenden Sprachstil, man spürt, dass sie selbst einen engen Bezug zur Kammermusik hat. Ich habe diesen Roman wirklich gern gelesen und empfehle ihn weiter. Ich bin sicher, dass er einem breiten Publikum gefallen wird.

von: Matthias Politycki
von: Andreas Gruber
von: Stavarič, Michael
 

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