Rezension Rezension (3/5*) zu Die Letzten ihrer Art: Roman von Maja Lunde.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Wo bleibt der Appell?

Es ist ein bedeutender Fund, den der russische Forschungsreisende Oberst Przewalski im Jahre 1878 in der Mongolei macht. Es ist der Schädel und das Fell eines Takhi, dem Urpferd. Der Petersburger Zoologe Michail Alexandrowitsch Kowrow reist daraufhin gemeinsam mit dem deutschen Tierfänger in die mongolische Steppe, um lebende Tiere aufzustöbern und für den Zoo einzufangen.
Mehr als hundert Jahre später begibt sich die Tierärztin Karin mit ihrem erwachsenen Sohn Matthias in die Mongolei, um eine Herde Przewalski-Pferde, wie man Takhis dann zu nennen pflegt, auszuwildern.
In einer nicht mehr ganz so fernen Zukunft, kämpfen Eva und Isa, Mutter und Tochter in Norwegen Europas ums tägliche Überleben. Ihr Tiergarten hat schon längst kein Publikum mehr, die wenigen verblieben Tiere dienen der eigenen Versorgung. Nur die beiden Takhis erfüllen diesen Zweck nicht und trotzdem setzt Eva viel auf Spiel, diese Pferde am Leben zu erhalten.
Die norwegische Autorin Maja Lunde folgt auch in ihrem dritten Band des Klimaquartetts ihrem Muster, mehrere Stränge aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – diesmal vom Zaristischen Russland über den Zweiten Weltkrieg in die heutige Zeit bis in eine postapokalyptische Welt - zu verknüpfen. Alle drei Geschichten verbindet die Geschichte der Pferde, den letzten ihrer Art. Während Michails und Karins immer wieder auf historische Begebenheiten verweisen, ist die dystopische Welt, in der Eva und Isa leben fiktional und schließt an die Geschichte des Wassers an. So begegnen wir auch wieder Louise, dem kleinen Mädchen aus dem zweiten Band des Klimaquartetts. Europa hat die Dürreperiode überstanden, das Leben ist keineswegs gesichert. Die Landstriche sind entvölkert, die Felder liegen brach. Das Wenige zum Überleben wird verteidigt.
Maja Lunde erzählt die Geschichten von Michail, Karin und Eva nicht linear, springt zwischen den Zeitebenen hin und her, verzahnt diese und bringt sie in Beziehung zueinander. Um Beziehungen geht es auch sehr stark in allen drei Erzählsträngen. Da ist die verwirrende und verpönte Liebe Michails zu seinem Begleiter Wolff. Karin sieht ihren Lebensinhalt in der Aufzucht und im Erhalt der alten Pferde, dabei hat sie ihren Sohn schon lange verloren. Auch die Mutter-Tochter Beziehung zwischen Eva und Isa ist von Konflikten getragen. Isa, die 14-jährige will weg von zu Hause, weiter in den Norden, während Eva nicht loslassen kann.
Maja Lunde hat sich mit ihren Romanen zur Aufgabe gemacht, den Klimaschutz literarisch zu vertreten. Sie zeigt die Auswirkungen menschlicher Ignoranz gegenüber der Umwelt und allen schützenswerten Gütern und Lebewesen. Sie sensibilisierte den Leser über die Konsequenzen des Bienensterbens, schilderte eindrücklich wie schnell das Leben ohne Wasservorräte zur Katastrophe führt. Nun sind es die Przewalski-Pferde, die mongolischen Urpferde, wie auch immer man sie nennen mag, Thema im Klimaquartett. Aber welchen Einfluss nehmen denn diese Pferde auf das Ökosystem. Gibt es hier irgendeinen Anreiz für mich, für alle Leser, das eigene Verhalten zu überdenken? Rüttelt mich diese Geschichte auf?
Die Erhaltung von Arten ist eine berechtigte Forderung. Ich unterstütze Maja Lundes Anliegen, für den Klima-, Umwelt und Artenschutz einzutreten, unbedingt. Allerdings verblasst hier meiner Ansicht nach die Dringlichkeit des Appelles hinter der (Pferde)Romantik.


 
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