Ich habe den ersten Leseabschnitt beendet bin bisher sehr begeistert von dem Buch. Es ist eine ungewöhnliche Art des Erzählens, atemlos und sprunghaft, ständig ganz vorn im Kopf und angeknipst - passend zu Situation in Nordirland in den 1970er Jahren, die genau das erforderte, wenn man in (wahrscheinlich) Belfast lebte. Mich erinnert das an den Schauspieler Joe Pesci, der in vielen Filmen ständig völlig überdreht und aufgekratzt wirkte.
Das krasse Gegenteil dazu ist für mich das Lesen im Gehen, die Umgebung vergessend und ignorierend. Eine Schutzhaltung? Ebenso dass es eben nur Romane aus dem 19. Jahrhundert sind entschleunigt das Geschehen / das aufregende Leben in ständiger Bedrohung.
Für mich wurden gleich zu Beginn des Romans Bilder aus den Nachrichten lebendig. Ich kann mich aus Kindertagen noch erinnern, dass in den 1970er Jahren Bombenattentate, Straßenschlachten, Armee-Einsätze im Nordirlandkonflikt an der Tagesordnung waren. Unvorstellbar für mich heute, so zu leben. Es ist faszinierend, wie die Autorin das nicht als beherrschendes Thema wählt sondern als bedrohliches ständig vorhandenes Hintergrundrauschen im Alltag wirken läßt. Es spielten hier jedoch nicht nur die Kampfhandlungen und die politische Gesinnung selbst eine Rolle, sondern auch die Rolle Mann/Frau, die von unvorstellbar strengen Reglementierungen der katholischen Kirche und von für mich absolut mittelalterlichen irischen Traditionen beherrscht werden. Und trotz der Schwere genau dieser Thematik steckt viel Leichtigkeit darin, wie die Erzählerin damit umgeht. Zum einen fast mit einem zwinkernden Auge, dass man beim Lesen ganz klar die Dämlichkeit vieler den Männern und den Staatsverweigerern so wichtiger Dinge spürt. Zum anderen liest man auch Resignation, dass es in vielen Situationen komplett sinnfrei ist, etwas zu unternehmen, weil dann eine unglaubliche Kette an Ereignissen in Gang gesetzt werden würde.
Und ich lese Trauer darüber dass es eben so ist wie es ist, die aber der Resignation und der Anpassung zum Überleben weichen musste.
Was die Namenlosigkeit angeht? Menschen sind weniger wert als der Konflikt, Symbole (z.B.Flaggen) sind wichtiger als alles andere, absolut jedes Denken und Handeln scheint im Hinblick auf die Gesinnung beurteilt und verurteilt zu werden. Das Leben kann schneller vorbei sein als ein Augenaufschlag, auch zufallsbedingt, wenn man neben einer explodierenden Bombe steht. Nur große Berühmtheiten sind Persönlichkeiten und Individuen, alle anderen sind Freunde oder Feinde - mehr nicht. Da gibt es keine Namen. Und ich finde auch das sehr passend.
so, jetzt lese ich mich durch eure Beiträge.