Thema "Aus den Winterarchiven" von Merethe Lindstrøm ab 6.2.2020

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.240
49.146
49
Hier lesen wir in einer kleinen Leserunde diesen norwegischen Roman:
Buchinformationen und Rezensionen zu Aus den Winterarchiven von Merethe Lindstrøm
Kaufen >
Merethe ist mit ihrer Familie aufs Land gezogen. Hier, am Rand eines Waldes, zwischen endlosen Tagen und Nächten ohne Schlaf, schreibt sie an ihrer Erzählung über Mats, mit dem sie zusammenlebt. Sie erzählt von einer Liebe, die alles in den Schatten stellt. Von der Nähe zu einem Menschen, der nur selten den Wunsch verspürt zu leben. Von der Angst, sich selbst zu verlieren, von der aber noch größeren Bedrohung, den zu verlieren, den sie liebt. Darüber, trotzdem weiterzumachen. Zu leben, zu lieben. Sie will verstehen, und so schreibt sie in immer enger werdenden Kreisen, während die Welt in Kälte und Eis erstarrt. Bis der Winter langsam dem Frühling weicht. Aus den Winterarchiven ist ein sehr eindringlicher, sehr persönlicher Roman. In glasklaren Bildern beschreibt Merethe Lindstrøm das Leben zweier Menschen, die sich in einer existenziellen Not und Hilflosigkeit gegenüber dem Leben befinden. (Quelle: Klappentext)

Ursprünglich wurde die Runde ab 6. Februar geplant. Wir haben uns aber geeinigt, etwas später einzusteigen.

@KrimiElse @Querleserin @SuPro

Hier die Einteilung, bitte immer den LA über den eigenen Post schreiben ;)

1. LA: Anfang bis Seite 82
2. LA: S. 83 bis S. 147
3. LA: S.148 bis S. 228
4. LA: S. 229 bis ENDE

Spontane Mitleser sind willkommen:reader3!
 

SuPro

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2019
1.865
4.112
49
54
Baden Württemberg
lieslos.blog
Hier lesen wir in einer kleinen Leserunde diesen norwegischen Roman:
Buchinformationen und Rezensionen zu Aus den Winterarchiven von Merethe Lindstrøm
Kaufen >
Merethe ist mit ihrer Familie aufs Land gezogen. Hier, am Rand eines Waldes, zwischen endlosen Tagen und Nächten ohne Schlaf, schreibt sie an ihrer Erzählung über Mats, mit dem sie zusammenlebt. Sie erzählt von einer Liebe, die alles in den Schatten stellt. Von der Nähe zu einem Menschen, der nur selten den Wunsch verspürt zu leben. Von der Angst, sich selbst zu verlieren, von der aber noch größeren Bedrohung, den zu verlieren, den sie liebt. Darüber, trotzdem weiterzumachen. Zu leben, zu lieben. Sie will verstehen, und so schreibt sie in immer enger werdenden Kreisen, während die Welt in Kälte und Eis erstarrt. Bis der Winter langsam dem Frühling weicht. Aus den Winterarchiven ist ein sehr eindringlicher, sehr persönlicher Roman. In glasklaren Bildern beschreibt Merethe Lindstrøm das Leben zweier Menschen, die sich in einer existenziellen Not und Hilflosigkeit gegenüber dem Leben befinden. (Quelle: Klappentext)

Ursprünglich wurde die Runde ab 6. Februar geplant. Wir haben uns aber geeinigt, etwas später einzusteigen.

@KrimiElse @Querleserin @SuPro

Hier die Einteilung, bitte immer den LA über den eigenen Post schreiben ;)

1. LA: Anfang bis Seite 82
2. LA: S. 83 bis S. 147
3. LA: S.148 bis S. 228
4. LA: S. 229 bis ENDE

Spontane Mitleser sind willkommen:reader3!
...klingt soooo spannend, werde aber leider nicht dazukommen, den Roman jetzt zu lesen.
 
  • Like
Reaktionen: Literaturhexle

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Nachtnotizen- Anfang

Die Ich-Erzählerin berichtet zu Beginn etwas sprunghaft.
Sie beginnt mit einem Traum, in dem sie um einen Gottesbeweis geht.
„Nicht dass ich gläubig wäre, ich weiß nicht, vielleicht doch.“

interessant fand ich ihren Eindruck unmittelbar nach dem Traum, der einen Abdruck hinterlassen hat. Das Gefühl ist so präzise beschrieben, manchmal nimmt man so einen Traum ein Stück weit mit in die Gegenwart...

Sie und ihr Mann/ Lebensgefährte sind aufs Land gezogen, zusammen mit ihren Hunden, sie wollen hineinpassen, neu anfangen, nachdem sie zu Geld gekommen ist.
Die Landschaft ist fantastisch beschrieben: „ Die Felder erstrecken sich bis zu den Bäumen, zum Waldrand, die Hügel zu den Zeichnungen am abendlichen Himmel, und am Morgen schwebt oft Nebel über den Acker, eine Weile hängt ein durchlässiges Gewebe in der Luft, dem Himmel entrissen, die Sonne bleicht es langsam aus.“
Er zeichnet düstere Bilder, sie schreibt. Einen gewissen Bekanntheitsgrad müssen beide haben, da eine Journalistin sie besucht und sie interviewt, mit der er zu flirten scheint.
Vorher haben sie in der Stadt gewohnt, in einem Haus, das ihnen nicht gehört und das sie nicht kümmern wollten. Gehörte es seiner Mutter? Jedenfalls scheint er schon einige Jobs gehabt zu haben, er hat immer noch Alpträume, die auch auf dem Land nicht aufhören. Es kommt mir so vor, als wären beide aus ihrem altem Leben geflüchtet, doch es gelingt nicht, ebenso wie sein Versuch zu malen.
Es folgen mehrere Rückblicke aus seinem Leben:
1. „Er“ ist zehn und kehrt in sein vermeintliches Zuhause zurück, nachdem er den Vater besucht hat, doch Mutter und Schwester sind weggezogen- ein echter Alptraum. Warum haben sie ihn nicht mitgenommen?
2. Ein paar Jahre später erlebt er, dass seine Mutter zusammenbricht, Depressionen, Suizidgedanken hat. Er selbst dröhnt sich zu, bricht die Schule ab.

Im nächsten Abschnitt erzählt sie vom Anfang ihrer Beziehung, jetzt sind sie 18 Jahre zusammen. Sie hatte bereits einen Sohn, ein gemeinsames Kind haben sie bekommen. An diese Zeit erinnert sie mit Wehmut.

„Iin ihr sind die Tage wie Leinwände aufgespannt, werden von ihr beschützt, sorgsam, wie man Hautzellen in Formaldehyd konserviert“

- interessant ist in dieser Passage der Perspektivwechsel. Sie verändert sich zur Sie-Form, will die Erzählerin verdeutlichen, wie weit weg diese Erinnerungen sind, obwohl sie ihr kostbar sind?
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.240
49.146
49
LA 1/2.Hälfte
Die Kindheit des Mannes muss der Horror gewesen sein. Die Mutter war depressiv, lässt sich vom Sohn mit Drogen versorgen. Der Haushalt war verwahrlost.

Diese Tristesse hat Spuren hinterlassen. Nun neigt auch er zu depressiven Phasen, benötigt ständig Drogen - obwohl das Geld knapp ist. Die depressiven Phasen, die Suizidgedanken sind wunderbar plastisch beschrieben. Man kann mitfühlen.

Ein Zeitsprung. Jetzt gibt es zwei Töchter, 13 und 16, vom Sohn (müsste 21 sein) ist keine Rede mehr. Die Reisen werden geschildert: wie schlimm, man reiste, bis das Geld ausging. Das Reisen drückt eine Ruhelosigkeit und permanente Suche aus. Der Mann verändert sich, entfernt sich. Es wirkt alles so kalt und freudlos.
Auf der Fähre nach England ist er plötzlich verschwunden, offensichtlich hat die Erzählerin Angst, er sei über Bord gegangen. Alles sehr bedrückend.

Ein neuer Splitter beschreibt die Drogenbeschaffung des Mannes bei Boris (oder jemandem WIE Boris). Die Erzählerin akzeptiert es, auch dass er den Kindern Geschichten über die Drogen erzählt, dass man sie zum Reparieren des Hauses brauche. Ich habe Mitleid mit diesen Kindern!

Die Gedanken um den Tod der Waldtiere: "Das Leben war ein Kleid drum herum und das ist jetzt weg". Der Tod als eine Selbstverständlichkeit, als Teil des Lebens.

Der Bericht über die verrückte Mutter! Wie hart muss die Kindheit des Mannes gewesen sein? Wie tragisch, dass er nun seinen Kindern ein ähnliches Vorbild abgibt.
Marina ist krank, war jahrelang in einer Anstalt. Nun wohnt sie für einige Tage bei der Familie. Sie liebt sie den Sohn. Sie tut ihm aber nicht gut, ihre Anwesenheit macht ihn krank. "Sie hinterlässt immer etwas, das weh tut. Um sie herum tut immer etwas weh."

Der Mann geht in psychische Behandlung. Die Rechnungen stapeln sich zu Hause. Es folgen Beispiele zur Armut, darüber wie sie stigmatisiert und sich anfühlt . Auch diese Metaphern haben eine Bedeutungsschwere ohne Gleichen!
Papas Klavier. Es steht, es ist kaputt, darf aber nicht entsorgt werden ....

Der Text ist extrem dicht. Er beschreibt, kann die Emotionen sehr gut rüberbringen. Er zieht mich fast ein bisschen runter. Das Buch hat überhaupt nicht meine Themen, doch die Dichte fasziniert mich.
 
  • Like
Reaktionen: Querleserin

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Der Text ist extrem dicht. Er beschreibt, kann die Emotionen sehr gut rüberbringen. Er zieht mich fast ein bisschen runter. Das Buch hat überhaupt nicht meine Themen, doch die Dichte fasziniert mich.
Genau das empfinde ich auch so. Bin jetzt genau so weit gekommen und musste den Roman erstmal weglegen.
Die Ich-Erzählerin empfindet ihre Vergangenheit als von ihr losgelöst - anders kann ich mir den Perspektivwechsel nicht erklären. Will sie alles hinter sich lassen, sich distanzieren? Sie schreibt diesen „Bericht“ nachts, betrunken, um Zeugnis abzulegen, um das Geschehen zu verarbeiten? Ein bedrückender Roman!
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Literaturhexle

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.240
49.146
49
LA 2 (bis zur Hälfte)
Die Autorin füttert uns weiter mit Erlebnissen aus ihrem Leben, später auch aus dem Leben ihrer Eltern. Interessant ist dabei der Perspektivenwechsel, den sie auf S. 132 erklärt: "..., sondern eine Verschiebung, ganz bewusst, der Wunsch danach, von außen zu sehen, sich eindeutig außerhalb zu befinden, ein Gast in sich selbst zu sein,..."

Sie beschreibt die prekären Verhältnisse der jungen Familie: sie fangen an, Gegenstände zu verkaufen. Schließlich kommen sie auf die Idee, sich selbst zu verkaufen. Er soll das umsetzen. Prompt trifft er sich mit einer älteren Frau, nimmt ihr dann aber doch kein Geld für sexuelle Leistungen ab.
Das einzig nicht verkäufliche ist das Klavier. Sie wollten es zurücklassen, dann kam es doch mit in die neue Wohnung. Symbolcharakter.

Auch die Erzählerin leidet, berauscht sich mit Alkohol. Sie ist eine gute Beobachterin, die Angst, dass der Mann nicht wieder kommen könnte (Suizid!), ist omnipräsent. Wie hart muss das Leben für die beiden Töchter sein!

Im neuen Abschnitt "Winteralphabet" wird von Besuchen beim Vater Jens der Erzählerin erzählt, der Künstler ist und auch Malkurse erteilt. Ihm scheint es finanziell etwas besser zu gehen, zumindest bietet er der Tochter Geld an.Allersings leidet auch er an schweren depressiven Phasen.

Geschildert wird das Kennenlernen der Eltern Merethes - relativ normal in jener Zeit, allerdings hängt der dunkler Schleier über der Beziehung.
Später kommt Jens in eine Klinik, wo der psychische "Defekt " mit Elektroden und Stromstößen repariert werden soll (!). Eine Behandlung die Folgen haben wird, die alles kaputt macht. Die junge Ehe mit der kleinen Tochter zerbricht.

Manche Erinnerung kommt mit Hilfe von Fotos zutage, um die herum die Erzählerin ihre Geschichten legt.
Das Kind darf den Vater besuchen. Er schämt sich ihrer, weil sie sich einnässt und auch arm aussieht. Beiden fehlt eine Basis, trotzdem sehe ich Zuneigung. Das Puppenhaus, das Moped, Briefe und Tonbandaufnahmen stellen Verbindungspunkte her - die Beziehung bleibt aber schwierig.

Ein paar Jahre hat der Ehemann auch regelmäßig gearbeitet, "Eine Schieflage lässt dich wieder absinken". Depression als ständiger Begleiter, schrecklich.

Ertragen kann die Erzählerin das m.E. nur, weil sie genau dieses Verhalten von ihrem eigenen Vater kennt und von Kindesbeinen an gelernt hat, Rücksicht darauf zu nehmen. Umso erschreckender empfand ich die letzten Seiten des Abschnitts, aus denen hervorgeht, dass auch der älteste Sohn als Teenager bereits Suizidgedanken hat: "Ich will nicht verrückt werden, Mama." Und etwas was später: "Ich möchte einfach keiner von denen werden, die allein sind."
 
  • Like
Reaktionen: Querleserin

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Bin jetzt auch am Ende des 2.LA angekommen bzw. auch schon etwas weiter. Es fällt mir schwer eine Handlung zusammenzufassen, da die Ich-Erzählerin in ihren Erinnerungen springt. Die Geschichte ihres Vaters wird erzählt, der ebenfalls depressiv ist, zu demselben jedoch eine Beziehung aufgebaut hat. Im 3.LA lebt er im Seniorenheim, verliert schrittweise Sprache und Erinnerungen. Anfangs telefoniert er noch häufiger mit Merethe, so heißt die Ich-Erzählerin, wie die Autorin, doch die Gespräche werden mühsamer. Auch von ihrer Mutter erzählt sie, die ebenfalls Bilder malt und das Paar besucht. Es sind Erinnerungssplitter, Anlässe und die Erzählerin scheint mittels Schreiben einen Sinn zu suchen, sich psychisch zu entlasten, Ballast abzuwerfen. Das ist belastend in seiner Dichte und übt doch beim Lesen einen Sog aus, dem man sich nur schwer entziehen kann.
Sie erzählt auch von ihren viele Reisen, bevor sie Mutter geworden ist, u.a. nach Berlin - auch sie ist eine getriebene, rastlose Person und hofft auf dem Land zur Ruhe zu kommen.
 
  • Like
Reaktionen: Literaturhexle