Rezension Rezension (3/5*) zu Alle Tage, die wir leben von Dagmar Hansen.

Bibliomarie

Bekanntes Mitglied
10. September 2015
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Das Leben bejahen

Ihrem Geburtstag sieht Tilda eher mit Schrecken entgegen. Es wird ein neues Lebensjahrzehnt und die 6 davor gefällt ihr gar nicht. Sie hat Angst vor dem älter werden und auch Angst vor der Zukunft. Gerade hat ihr kleines Schreibbüro einen wichtigen Kunden verloren und all das verstärkt ihre Unsicherheit. Ihre Freundinnen machen ihr Mut, die regelmäßigen Kochtreffen sind immer ein Lichtblick für Tina. Um ihren Verdienstausfall zu kompensieren, sucht sie einen Minijob. Eine Anzeige fällt ihr ins Auge, eine betagte Dame sucht eine Privatsekretärin, um nach dem Muster des schwedischen Dödstädning ihre Angelegenheiten zu regeln.
Ruth ist eine bemerkenswerte Frau und wie es scheint, ganz mit sich im Reinen. Aber bald merkt Tilda, Ruth möchte nicht nur angesammelte Dinge loswerden, auch Beziehungen sollen geordnet und abgeschlossen werden. So ist die Beziehung mit ihrer Schwester seit Jahren angespannt und auch ihre Tochter hat sich abgewandt.
Eine ganz hervorragende Idee für ein Buch, dass auch viele Denkanstöße für das eigene Leben vermitteln kann. Ich bin voller Vorfreude an das Buch herangegangen. Dagmar Hansen schreibt recht unterhaltsam, aber ganz besonders im ersten Drittel des Texts fiel mir auf, dass oft ellenlange Beschreibungen das Erzählen ersetzen. Natürlich gehören Beschreibungen dazu, sie sollen die Atmosphäre eines Raums, eines Hauses oder einer Beziehung illustrieren. Wenn es allerdings zu einer Aufzählung gerät, mindert das - zumindest meinen - Lesegenuss.
Mit Ruth hat die Autorin eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit gezeichnet, die sehr lebendig und stimmig wirkt. Im Gegensatz zu Tilda, die seltsam farblos und unentschlossen daher kommt. Obwohl schon viele Jahrzehnte verwitwet, hält sie immer noch Zwiesprache mit dem toten Ehemann, ließ eigentlich auch nie ernsthaft eine neue Beziehung zu und außer ihren drei Freundinnen scheint es keine Vertrauten in ihrem Leben zu geben.
Durch die Begegnung mit Ruth erkennt sie, wie viel mehr Lebensfreude und Energie in der so viel älteren Frau steckt und das auch sie aus ihrem Schneckenhaus kommen muss. Dieser Prozess ist unterhaltsam geschildert und wie ich finde, auch lebensnah.
Ich habe mich ganz gut unterhalten, aber auch immer das Gefühl gehabt, dass die Autorin das Potential der Geschichte nicht ganz ausgeschöpft hat.



 
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