Rezension Rezension (5/5*) zu Ein anderer Takt: Roman von William Melvin Kelley.

RuLeka

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30. Januar 2018
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Neu zu entdecken

Immer wieder werden längst vergessene Werke neu aufgelegt. So gilt es nun den Debütroman von William Melvin Kelley neu zu entdecken. 1962 unter dem Titel „ A Different Drummer“ erschienen, machte das Buch seinen jungen Autor schlagartig berühmt.
Der Roman spielt in einem kleinen Dorf namens Sutton in einem fiktiven Staat im Süden Amerikas. Hierher kam vor über 100 Jahren mit einem Sklavenschiff ein hünenhafter Afrikaner mit einem kleinen Jungen auf dem Arm. Er kann fliehen, unternimmt Raubzüge und befreit andere Sklaven, bis er entdeckt und getötet wird. Sein kleiner Sohn ist der Urgroßvater von Tucker Caliban, dem Helden des Romans.
Dieser geht im Juni 1957 auf sein Feld, streut Salz darauf, erschießt sein Vieh und verbrennt seine Farm. Danach verlässt er mit Frau und Kind den Ort und zieht nach Norden. Damit löst er einen Exodus aus. Alle Schwarzen verlassen in den nächsten Tagen ihr Heim und ziehen weg. Der Staat ist nun auf einmal ohne schwarze Bevölkerung.
Es gibt unterschiedliche Reaktionen darauf, von Genugtuung ( „ Wir haben sie nie gewollt, wir haben sie nie gebraucht, und wir werden sehr gut ohne sie zurechtkommen,...“) aber auch Bedenken, wer in Zukunft die viele Arbeit tun wird („ Ich hab noch nie einen Weißen gesehen, der einen Laden ausfegt, immer nur Farbige.“)
Kelley erzählt seine Geschichte einzig aus der Perspektive der Weißen. Das sind die Männer auf der Veranda, ein kleiner Junge, aber vor allem die Familie Willson. Bei ihnen lebte Tuckers Familie, anfangs als Sklaven, später als Bedienstete. Bis eines Tages Tucker aus dieser Rolle ausbricht und von ihnen ein Stück Land kauft. ( „..., mein Sohn wird nicht für Sie arbeiten. Er wird sein eigener Boss sein....jetzt müssen wir uns selbst befreien.“)
Jede der erzählenden Figuren erinnert sich an seine Begegnungen mit Tucker und versucht hinter die Beweggründe für dessen Tun zu kommen. Diese unterschiedlichen Perspektiven werfen einen vielschichtigen Blick auf das Geschehen. Kelley zeigt dabei den alltäglichen Rassismus in seinen unterschiedlichen Prägungen. Auch liberale und aufgeschlossene Menschen sind nicht gefeit dagegen. Und am Ende eskaliert die Situation und der Pöbel zeigt nochmals sein hässliches Gesicht.
Kelley erzählt ruhig und sachlich, mal poetisch. Er gibt jeder Figur seine eigene Stimme. Manches wird erst im Nachhinein verständlich.
Dem Buch vorangestellt ist ein informativer Text über den Autor ( Leben, Werk und Bedeutung ) und am Ende erinnert sich die Tochter an ihren Vater.
„Ein anderer Takt“ ist ein wichtiges, auch heute noch bzw. wieder aktuelles Buch, das sich zu lesen lohnt.


 
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