Rezension Rezension (2/5*) zu Oreo: Roman von Fran Ross.

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Feministischer Slapstick

Respektlose Schnoddrigkeit einer feministischen Superwoman, so könnte man das Buch der Amerikanerin Fran Ross „Oreo“ aufs Wesentliche reduzieren. Erschienen ist dieser auch heute noch erstaunliche Roman bereits 1974 in den USA als Debüt der Schriftstellerin Fran Ross, und ebenso erstaunlich wie der damals wohl aus der Zeit gefallene Text ist die kongeniale Übersetzung von Pieke Biermann.

Eine griechische Heldensage wurde herangezogen und substituiert auf eine jüdisch-schwarze Heldin, die sich schnoddrig, ordinär und äußerst gebildet durch das Geschehen bewegt. Theseus machte sich in der griechischen Sage genau wie „Oreo“ Christine Clark auf die Suche nach dem Geheimnis ihrer Geburt, sich entlang hangelnd an Hinweisen seines/ihres Vaters. Dass Oreos Vater die Liste mit Hinweisen der Lächerlichkeit preisgibt und es bereits an Slapstick grenzt, diese überhaupt zielführend zu nutzen, macht die Unkonventionalität des Romanes genauso aus, wie der Bezug auf europäische und äußerst männliche Sagenkultur für ein freches amerikanisches Feministenwerk.
Oreo, geschliffen durch diverse Hauslehrer, belesen und zurechtgestutzt im Hause der schwarzen Großeltern, wo der Großvater, ein Judenhasser, jahrelang hakenkreuzartig sitzend schweigt wegen eines Hirnschlages, die Großmutter mehr mit dem Kochen südstaatlicher Leckereien als mit ordentlicher Sprache oder gar Kindererziehung beschäftigt ist und der kleine Bruder reimend singt, macht sich also wie der griechische Held Theseus auf den Weg, ihren Jüdischen Vater und das Geheimnis ihrer Geburt zu finden.
Oreo besteht ein absurdes Abenteuer nach dem anderen, allesamt eine Persiflage auf die sagenhaften Heldentaten des Theseus, und für den begriffsstutzigen Leser von der Autorin am Ende als solche erklärt und eingeordnet werden. Ihr ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit, ihr Superhirn angereichert mit allerlei Wissen aus Klassik, Geschichte und Literatur machen sie ebenso bereit für Angriffe auf ihre Jungfräulichkeit wie auf die Beseitigung von Unrecht und Gewalt, und das alles nebenbei, während sie ihren jüdischen Vater findet und das Geheimnis um ihre Geburt zu lüften vermag.

Dieses Buch, in den USA mittlerweile mit Kultstatus geadelt, spaltet sicherlich die Leserschaft. Das äußerst freche slapstickhafte Werk mag man entweder oder nicht. Die aufgegriffenen Themen sind vielseitig und nach wie vor hochaktuell und spannend: Emanzipation, Prostitution, alles beherrschendes Geld, Technologie; und eine aus Zeit und eine aus Raum und Zeit gefallene feministische Superheldin, die wegen ihrer enormen geistigen Fähigkeiten voller spitzfindiger Anspielungen brachial durchs Geschehen zieht und alles schamlos niedermetzelt hat durchaus etwas für sich. Sprachlich erinnert mich das Buch an eine Mischung aus Bukowski und klassischer Literatur, gleichermaßen angefüllt mit Slang und literarischen und historischen Anspielungen, und ich ziehe den Hut vor der Übersetzung.

Ich hätte gern die Begeisterung vieler Rezensionen für diesen schelmenhaften Slapstick geteilt. Ich erkenne den Wert des Buches an, das sowohl griechische Tragödie und europäisch weißes Kulturgut als auch matriarchalische Werte Amerikas in den 1970er Jahren verhohnepipelt hat, ich sehe, dass es seiner Zeit weit voraus war, aber nein, mit Vergnügen habe ich es nicht gelesen.


 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Du hast dieses Buch anders bewertet und etwas anders gesehen als ich, aber deine Rezension ist wieder einmal perfekt. Sie vermittelt deinen Blick auf dieses Buch in einer sehr informativen und dem Buch gerecht werdenden Form. Schade, dass du hier meine Begeisterung nicht teilen kannst, ich hätte dies anders vermutet. Aber gut, dann treffen sich unsere Meinungen bei einem anderen Buch wieder. :);)
 
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