1. Leseabschnitt: Prolog und Montag, 22. Juni 1914 (Anfang bis S. 58)

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Ich bin jetzt auch eingestiegen. Vieles, was mir durch den Kopf geht wurde bereits angesprochen.
Genau wie den meisten von uns, fehlen mir die Kenntnisse zur Geschichte der damaligen Zeit. Viele Ereignisse sagen mir etwas, so z. B. der Albanienkonflikt sowie die Balkankriege. Ich habe diese Ereignisse aber immer nur losgelöst voneinander gesehen. In der Welt schien damals mächtig viel los gewesen zu sein.

Ein Aspekt, der mich erheitert, ist die Darstellung der Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern. Die Männer in Franz Ferdinands Kreisen sind für das Grobe, sprich Politik und Militär vorgesehen. Die Frauen für das Feine, sprich Hausarbeit und Kultur. Das spiegelt sich auch im Lehrplan der Kinder des Thronfolgers wider. Aber Gattin Sophie scheint ihre Rolle großzügig auszulegen. Einerseits hält sie an der Rollenverteilung fest, scheut sich aber andererseits nicht, mal über den Tellerrand zu gucken und zumindest in den eigenen vier Wänden ihrem Gatten gegenüber auf Augenhöhe zu agieren.
Sie schien ein besonderer Mensch zu sein und geht sehr souverän mit der Ablehnung um, auf die sie in Adelskreisen trifft.

Frage an Ulf: Ich kann mir vorstellen, dass die Recherche über Sophie nicht ganz einfach war. Wenn Frauen in der damaligen Zeit Beachtung gefunden haben, dann vermutlich nur aufgrund besonderer Verdienste oder Talente. Wieviel Fiktion steckt daher in Deiner Sophie?

Und der Franzi ... Ich musste mich gerade mal durch die österreichisch-ungarische Thronfolge arbeiten. Ich hatte angenommen, dass Kaiser Franz Josef I. der Vater von Franz Ferdinand war. Dem war aber nicht so. Tatsächlich war der Franzi der Neffe des Kaisers. Ich hatte mich nämlich gefragt, was für ein Vater-Sohn-Verhältnis die beiden haben, dass der Franzi sich derartige Vorgaben, was seine Gattin Sophie angeht, gefallen lässt. Da hätte ich doch mehr Widerstand gegenüber Franz Josef erwartet. Aber da es sich hierbei um den Onkel handelt, ist der Abstand zwischen Franzi und seinem Onkel wohl so groß ist, dass dieser am Ende mehr Kaiser als Verwandter ist. Und einen Kaiser lässt man schon mal über sein Leben bestimmen.
Der Thronfolger wäre ja Kronprinz Rudolf, der Sohn des Kaisers, gewesen, hätte er nicht seinem Leben ein Ende gesetzt. So wie er geschildert wird, teilte er die humanistischen Interessen seiner Mutter, wurde jedoch, als zukünftiger Kaider, zum "Mann" militärisch gedrillt. Ich denke, er wäre ein liberaler, verständnisvoller Kaiser geworden und eine Chance für Österreich, aber das ist natürlich längst Geschichte. Als Wienerin (allerdings seit fünf Jahren auf Rügen lebend) habe ich viel über Sisi gelesen, die teilweise verkannt wurde und wird, weil sie einfach ihrer Zeit voraus war, ihr Wunsch nach freier Entfaltung und Selbstbestimmung als Frau war nur am realtiv starren Hof in Wien einfach unerfüllbar.
 
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Renie

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Der amtierende Kaiser war ja, wie du schon mitgekriegt hast, Franz Joseph, der Mann von Elisabeth/Sisi, deren einziger Sohn, Rudolf, sich das Leben genommen hatte.
Ach, seht Ihr. Und ich habe die ganze Zeit überlegt, wo ich die Sissi einsortieren soll. Der Franzi war also der Neffe von der Sissi.:)
 

ElisabethBulitta

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Danach fühlte ich mich etwas erschlagen von dem Personenkonvoi, der da auf mich zurollte. Zahllose Namen, Titel und Funktionen
Ich muss gestehen, dass ich mich nach dem spannenden Prolog mit dem ersten Abschnitt zunächst doch etwas schwer getan habe, s.o. die zahllosen Namen und Personen... Zum Glück gibt es ja das Glossar und das Personenverzeichnis!
Aber solche Szenen wie Markovics Erwachen oder die Frühstücksszene bei Franz Ferdinand nebst Gattin und Kinder finde ich wunderbar anschaulich beschrieben. So wird Geschichte lebendig!
 

Bibliomarie

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Nun bin ich auch gestartet und gleich mitten in der Zeit angekommen. Das lag sicher auch an dem kleinen Video, das ich sehr informativ fand.

Die kleinen Szenen, wie das Familienleben von Franzi und Sopherl, oder die Vorbereitung des jungen Princip auf das Attentat, sind sehr lebendig und farbig geschildert. Das hat mir schon richtig gut gefallen.

Es ist wirklich unglaublich, wie leichtsinnig das Militär auf die Bedrohungen und Gerüchte reagiert hat. Da kommt wirklich die Arroganz der Befehlshaber durch, aber auch Franz Ferdinand ist da ziemlich naiv.

Wenn man sich überlegt, was für Kleinigkeiten und Zufälle da zusammen gekommen sind und dann letztendlich den Weltkrieg auslösten, kann man nur ungläubig den Kopf schütteln.

Die Persönlichkeit des Thronfolgers kann ich noch nicht recht fassen, auf der einen Seite ein blindwütiger Jäger, der nur auf Trophäen aus ist und Abschüsse wichtiger sind, als die Pirsch, auf der anderen Seite, ein liebender Ehemann und Vater.
Unglaublich, wie seine Frau vom Hofprotokoll behandelt wurde. Da merkt man, wie verkrustet das Habsburger Hofprotokoll war. Kaiser Franz Joseph war wirklich ein Erzreaktionär. Ich muss gestehen, dass ich bisher Franz Joseph viel zu sehr mit dem Bild des Schauspielers Böhm in Verbindung gebracht hatte.
 
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Bibliomarie

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Ich habe dann mal angefangen - und bin schon durch den ersten Abschnitt gerauscht. Hui!

So ging es mir auch, ich war sofort mittendrin im Geschehen.

Was ich besonders mag, sind die kleinen Details, die hier wie nebenbei Einzug halten, das Geschilderte aber in einen passenden Rahmen kleiden. So z.B. die Fliegeruhr von Cartier, die Schilderung des Basars, die Tatsache, dass Franz Ferdinand Wert auf die Englisch-Kenntnisse seiner Kinder legt, weil er sich selbst vor kurzem so blamiert hat...

Das macht für mich den Reiz eines historischen Romans aus. Nicht nur die blanken Fakten, auch die kleinen, meist erdachten Dinge, die Zeit und Personen so lebendig werden lassen.
 

Bibliomarie

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Die Beschreibung Sarajevos fand ich auch sehr interessant, mir war gar nicht bewusst, dass es kulturell so vielschichtig war seinerzeit. Wäre der Geschichtsunterricht zu meiner Zeit nur halb so spannend wie dieser Roman, hätte ich damals mehr mitgenommen aus dem Unterricht:rolleyes:

Da sagst Du was! Das war ja meist nur ein Abarbeiten von Daten.
 

Bibliomarie

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Genau wie den meisten von uns, fehlen mir die Kenntnisse zur Geschichte der damaligen Zeit. Viele Ereignisse sagen mir etwas, so z. B. der Albanienkonflikt sowie die Balkankriege. Ich habe diese Ereignisse aber immer nur losgelöst voneinander gesehen. In der Welt schien damals mächtig viel los gewesen zu sein.

Ich habe zwar ein bisschen was gelesen, die Bücher von Elisabeth Hamann fand ich z.B. immer sehr gut, aber es geht mir ähnlich. Ich habe das alles eher isoliert gesehen und keine Zusammenhänge abgeleitet.
 
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Die Schilderungen des Umfeldes in dieser Zeit zeigen, wie intensiv auch die Hintergründe recherchiert wurden. Die kleine Szene am Morgen im Bazar, der alte Mann mit dem Kaffee, hat auch mir sehr gut gefallen, sofort hatte ich die Atmosphäre vor Augen und die unterschiedlichen Düfte in der Nase. Dieses Buch ist Kopfkino. Auch die sachlichen Informationen, das österr. Kaiserreich, dessen oberstes Beamtentum tatsächlich der Meinung war, die Serben seien wegen des Aufschwunges mit ihren Besatzern zufrieden und würden jubelnd am Straßenrand stehen, geben objektiv die unterschiedlichen Sichtweisen wieder.
 

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Die Schilderungen des Umfeldes in dieser Zeit zeigen, wie intensiv auch die Hintergründe recherchiert wurden. Die kleine Szene am Morgen im Bazar, der alte Mann mit dem Kaffee, hat auch mir sehr gut gefallen, sofort hatte ich die Atmosphäre vor Augen und die unterschiedlichen Düfte in der Nase. Dieses Buch ist Kopfkino. Auch die sachlichen Informationen, das österr. Kaiserreich, dessen oberstes Beamtentum tatsächlich der Meinung war, die Serben seien wegen des Aufschwunges mit ihren Besatzern zufrieden und würden jubelnd am Straßenrand stehen, geben objektiv die unterschiedlichen Sichtweisen wieder.
Kann das genau so unterschreiben! :cool:
 

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OT: Da gibt's eine tolle Biographie, nämlich ...


Wirklich sehr lesenswert.

(Musste ich natürlich schon allein wegen des Namens lesen. :))
Diese Biografie ist wirklich ein Buch, das zeitlos empfehlenswert ist. Ich habe es 1982 gelesen, als es erschienen ist, und es steht immer noch in meinen Regalen, ein Buch, das mit mir viel gereist und übersiedelt ist. Als zweites Buch würde ich noch "Schattenwürfe in die Zukunft - Kaiserin Elisabeth und die Frauen ihrer Zeit" von Lisa Fischer ergänzen, 1998 Böhlau Verlag, ISBN 3-205-98765-9
 

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Die kleinen Szenen, wie das Familienleben von Franzi und Sopherl, oder die Vorbereitung des jungen Princip auf das Attentat, sind sehr lebendig und farbig geschildert. Das hat mir schon richtig gut gefallen.

Es ist wirklich unglaublich, wie leichtsinnig das Militär auf die Bedrohungen und Gerüchte reagiert hat. Da kommt wirklich die Arroganz der Befehlshaber durch, aber auch Franz Ferdinand ist da ziemlich naiv.

Wenn man sich überlegt, was für Kleinigkeiten und Zufälle da zusammen gekommen sind und dann letztendlich den Weltkrieg auslösten, kann man nur ungläubig den Kopf schütteln.

Die Persönlichkeit des Thronfolgers kann ich noch nicht recht fassen, auf der einen Seite ein blindwütiger Jäger, der nur auf Trophäen aus ist und Abschüsse wichtiger sind, als die Pirsch, auf der anderen Seite, ein liebender Ehemann und Vater.
Unglaublich, wie seine Frau vom Hofprotokoll behandelt wurde. Da merkt man, wie verkrustet das Habsburger Hofprotokoll war. Kaiser Franz Joseph war wirklich ein Erzreaktionär. Ich muss gestehen, dass ich bisher Franz Joseph viel zu sehr mit dem Bild des Schauspielers Böhm in Verbindung gebracht hatte.
Die Jagd gehörte damals zu einer der höfischen "Vergnügungen" eines adeligen Alltags. Diese Jagdleidenschaft hatte Franz Ferdinand übrigens mit dem Kaiser gemeinsam, auch Sisi war eine begeisterte Reiterin und ritt auch gerne auf Jagdgesellschaften mit. Kaiser Franz Josef war ein Resultat einerseits seiner Erziehung, die unter militärischen Gesichtspunkten stattfand, andererseits einer Berater. Er war ja sehr jung Kaiser geworden, aber seine Mutter Erzherzogin Sophie, war hinter ihrem Sohn lange Zeit eine heimliche Kaiserin. Sie war eine starke Persönlichkeit und hatte es in die Wege geleitet, dass ihr Ehemann zu Gunsten des jungen Franz Josef auf den Thron verzichtet hat. Elisabeth hatte dennoch manche starren Ansichten ihres Gemahles Franz Josef abgemildert, siehe Österreich-Ungarn. Auch Katharina Schratt hat Franz Josef in späteren Jahren sicher positiv beeinflusst. Die bekannte Filmtrilogie legt natürlich das Hauptaugenmerk auf Unterhaltung, daher ist sie arg rosa überzuckert, ohne deshalb falsch zu sein. Das Musical Elisabeth ist da wesentlich realistischer und ich kann mich erinnern, dass es vor der Uraufführung ernste Proteste seitens der Familie Habsburg gab, man wollte die Aufführung sogar verhindern.
 
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Das ist schon sehr arrogant und zeigt, dass das Ross, auf denen die Herren sitzen viel zu hoch ist.
 

Renie

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Die Jagd gehörte damals zu einer der höfischen "Vergnügungen" eines adeligen Alltags. Diese Jagdleidenschaft hatte Franz Ferdinand übrigens mit dem Kaiser gemeinsam, auch Sisi war eine begeisterte Reiterin und ritt auch gerne auf Jagdgesellschaften mit. Kaiser Franz Josef war ein Resultat einerseits seiner Erziehung, die unter militärischen Gesichtspunkten stattfand, andererseits einer Berater. Er war ja sehr jung Kaiser geworden, aber seine Mutter Erzherzogin Sophie, war hinter ihrem Sohn lange Zeit eine heimliche Kaiserin. Sie war eine starke Persönlichkeit und hatte es in die Wege geleitet, dass ihr Ehemann zu Gunsten des jungen Franz Josef auf den Thron verzichtet hat. Elisabeth hatte dennoch manche starren Ansichten ihres Gemahles Franz Josef abgemildert, siehe Österreich-Ungarn. Auch Katharina Schratt hat Franz Josef in späteren Jahren sicher positiv beeinflusst. Die bekannte Filmtrilogie legt natürlich das Hauptaugenmerk auf Unterhaltung, daher ist sie arg rosa überzuckert, ohne deshalb falsch zu sein. Das Musical Elisabeth ist da wesentlich realistischer und ich kann mich erinnern, dass es vor der Uraufführung ernste Proteste seitens der Familie Habsburg gab, man wollte die Aufführung sogar verhindern.
Donnerwetter, Hut ab, du scheinst ja voll im Thema zu sein. Interessant, was du zu berichten weisst.:)