Rezension Rezension (1/5*) zu Vom Wind verweht von Margaret Mitchell.

sursulapitschi

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18. September 2019
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Buchinformationen und Rezensionen zu Vom Wind verweht von Margaret Mitchell
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Hat sich der Übersetzer vertan?

„Vom Wind verweht“ hat sein romantisierendes „e“ verloren und ist die erste Neuübersetzung des großen Klassikers seit 1937. Mein zerlesenes Exemplar aus dem Jahr 1968 kann man auch getrost einmal ersetzen, allerdings ist das Leseerlebnis dieser Neuauflage nur bedingt innovativ.

Es ist noch immer das fesselnde Epos über den amerikanischen Sezessionskrieg, bei dem man noch immer denkt: Tolle Geschichte, aber warum kürzt man die nicht mal ein bisschen.
Ich habe auszugsweise die beiden Versionen verglichen und konnte keine Stelle finden, an der die neue Version tatsächlich länger war als die alte. Sie sind beide episch und inhaltlich identisch, wenn auch nicht wörtlich. Das Übersetzen in eine andere Sprache bietet nun mal einigen Spielraum.
Nach wie vor denkt man etwa bei S.100, schau an, hier fängt der Film an und der ist auch lang. Eigentlich hatte ich mehr Schwierigkeiten, die plüschigen Filmszenen zu vergessen, als den vermeintlich kitschigen alten Text. Bei Licht betrachtet ist der nicht romantisierender als der Neue.

Beispielsweise liest man in der alten Übersetzung:
„Der feuchte, aufgewühlte Boden hungerte nach Baumwollsamen, der sandige Grat der Furchen leuchtete rosig, an der beschatteten Seite glühte es scharlach- und kastanienfarbig. Das weiß verputzte Backsteinhaus lag wie eine Insel in dem wilden roten Meer, zwischen züngelnden, schwellenden, sich bäumenden Wogen, die in dem Augenblick, da ihr rosa gesprenkelter Kamm in Gischt aufbranden wollte, versteint waren.“

Hoppla, denkt man und staunt, was die neue Übersetzung an dieser Stelle sagt:
„Die feuchte hungrige Erde, die aufgebrochen die Baumwollsamen erwartete, zeigte sich auf den sandigen Schollen rosafarben und dort, wo Schatten in den Furchen lag, purpur-, scharlach- und kastanienrot. Das weißgetünchte Backsteinhaus glich einer Insel in einem wilden roten Meer, einem Meer aus geschwungenen, wirbelnden und wogenden Wellen, die in dem Augenblick erstarrt waren, da ihre rosa Kämme in Gischt zerstoben.“

Der neue Text ist anders, aber was man nun besser oder weniger kitschig findet, ist Geschmackssache wie die Frage, ob der Titel wohl mit oder ohne „e“ am Wind schöner ist.
Schwierigkeiten hatte ich mit dem neuen Umgang mit den „rassistischen Stereotypen“. Der Begriff „Neger“ wurde komplett herausgenommen, was in der heutigen Zeit korrekt ist, aber auch den zeithistorischen Eindruck verwässert, aber gut, sei es drum. Ein „Negerjunge“ in der alten Übersetzung ist ein „schwarzer Junge“ in der Neuen. Nur warum musste man die „Schwarzen“, die in der alten Übersetzung vorkommen, großflächig durch „Darkys“ ersetzen?

„Und hol mich der Teufel, wenn ich dulde, dass irgendwer, Darky oder Weißer, schlecht über ihn redet.“ Kann man da lesen, wo es in der alten Übersetzung heißt:
„…hol mich der Teufel, wenn ich erlaube, daß irgend jemand, weiß oder schwarz, wegwerfend von ihm spricht.“

Mir ist der Begriff „Darky“ bislang noch nicht begegnet und wenn man ihn googelt erfährt man, es wäre eine abwertende Bezeichnung für Schwarze. Bei Leo.org ist es ein „highly offensive term“, gleichzusetzen mit „Bimbo“.
Da ersetzt man in einem bekannten Klassiker harmlose „Schwarze“ durch ein unbekanntes Schimpfwort, um es als innovatives Synonym zu etablieren und übersieht, dass man die korrekte Bezeichnung durch Abwertendes ersetzt?
Und selbst wenn „Darky“ nicht abwertend gemeint ist, stolpert man beim Lesen immer wieder darüber auf nahezu jeder Seite, weil dieser Begriff nun mal ungewohnt ist.

„Vom Wind(e) verweht“ ist ein grandioses Werk, das man gelesen haben muss und das durch die opulente Verfilmung, die die Liebesgeschichte in den Vordergrund stellt, zur Schmonzette gestempelt wurde. Es ist schön, dass man diesem Werk wieder mehr Aufmerksamkeit widmet und den literarischen Wert betont.
Die vorliegende Neuübersetzung ist sicherlich ein schöner Anlass, sein uraltes Exemplar auszutauschen, ein zwingender Grund ist sie allerdings nicht.

Normalerweise hätte ich dem Buch vier Sterne gegeben: Ein tolles Buch mit deutlichen Längen. Allerdings halte ich die Darky-Problematik für sehr kritisch, tatsächlich einen Fauxpas. Das kann man nicht ignorieren und auch nicht honorieren. Wenn mich jemand eines Besseren belehrt, ändere ich die Bewertung gerne wieder.

 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Toll, dass du dir die Mühe gemacht hast, beide Übersetzungen zu vergleichen. Bei der von dir genannten Textstelle gefällt mir sogar die alte Fassung besser...

Ich hatte nämlich auch mit dem Kauf der neuen Ausgabe geliebäugelt - werde jetzt aber die alte wieder etwas kleben und gut.

Der Begriff Darky ist in der Tat despektierlich und auch mir noch nie begegnet. Im Internet wird er sogar ebenfalls als eine beleidigende Formulierung für eine dunkelhäutige Person definiert. Sehr peinlich! Ich würde denken, dass jeder Leser bei einem entsprechenden Vorwort und der Entstehungsgeschichte im Hintergrund auch den Begriff Neger einzuordnen wüsste. Darky klingt für mein Ohr noch verniedlichender und lächerlich...

Gut, dass du zum Schluss noch deutlich machst, dass das Buch eigentlich 4 Sterne verdient hätte ;)
 

sursulapitschi

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Toll, dass du dir die Mühe gemacht hast, beide Übersetzungen zu vergleichen. Bei der von dir genannten Textstelle gefällt mir sogar die alte Fassung besser...

Ich hatte nämlich auch mit dem Kauf der neuen Ausgabe geliebäugelt - werde jetzt aber die alte wieder etwas kleben und gut.

Der Begriff Darky ist in der Tat despektierlich und auch mir noch nie begegnet. Im Internet wird er sogar ebenfalls als eine beleidigende Formulierung für eine dunkelhäutige Person definiert. Sehr peinlich! Ich würde denken, dass jeder Leser bei einem entsprechenden Vorwort und der Entstehungsgeschichte im Hintergrund auch den Begriff Neger einzuordnen wüsste. Darky klingt für mein Ohr noch verniedlichender und lächerlich...

Gut, dass du zum Schluss noch deutlich machst, dass das Buch eigentlich 4 Sterne verdient hätte ;)
Sie haben noch nicht mal "Neger" durch "Darky" ersetzt. Statt "Neger" steht in der neuen Übersetzung "Schwarzer". Aber wo in der alten Übersetzung ein "Schwarzer" erwähnt wird, steht in der Neuen "Darky". Sie haben den neutralen Begriff durch ein Schimpfwort ersetzt und es nicht gemerkt. Niemand. Nicht der Übersetzer, nicht der Lektor, nicht der Verlag...
 

Literaturhexle

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Sie haben noch nicht mal "Neger" durch "Darky" ersetzt. Statt "Neger" steht in der neuen Übersetzung "Schwarzer". Aber wo in der alten Übersetzung ein "Schwarzer" erwähnt wird, steht in der Neuen "Darky". Sie haben den neutralen Begriff durch ein Schimpfwort ersetzt und es nicht gemerkt. Niemand. Nicht der Übersetzer, nicht der Lektor, nicht der Verlag...
Ja, das hatte ich aus deiner Rezension genau so herausgelesen. Deshalb ist es ja so empörend. Sie hatten den neutralen Begriff des Schwarzen bereits verwandt und brauchten einen weiteren.... Da wurde dann "Darky" draus. Das könnte auch der Name für ein Haustier sein...:eek:
 

KrimiElse

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buchmafia.blogspot.com
Ich war neugierig auf deine Rezension, seit ich den Lesestatus bei dir sah.
Ich finde es wie du unmöglich, den Begriff Darky einzuführen, und ebenso unmöglich, dass es beim Verlag offenbar keiner gemerkt hat...
Man sollte doch ebenso annehmen, dass Übersetzer sprachgewandt genug sind, um den Begriff zu kennen, den sie einführen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das nicht so ist. Umso verblüffender und ärgerlicher ist es, wenn man der Erklärung online folgt. Ich frage mich gerade, wem man trauen kann, so wie du sicher auch.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Sie haben noch nicht mal "Neger" durch "Darky" ersetzt. Statt "Neger" steht in der neuen Übersetzung "Schwarzer". Aber wo in der alten Übersetzung ein "Schwarzer" erwähnt wird, steht in der Neuen "Darky". Sie haben den neutralen Begriff durch ein Schimpfwort ersetzt und es nicht gemerkt. Niemand. Nicht der Übersetzer, nicht der Lektor, nicht der Verlag...
Man könnte glatt meinen, dass der Übersetzer Rechtspopulist ist und durch solche Diffamierung versucht, in der Literaturszene Fuß zu fassen. Unglaublich...Wie gut, dass es Leute wie Dich gibt und auf die Schwächen der Neuübersetzung hinweist! TOP! :cool:
 

sursulapitschi

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Man könnte glatt meinen, dass der Übersetzer Rechtspopulist ist und durch solche Diffamierung versucht, in der Literaturszene Fuß zu fassen. Unglaublich...Wie gut, dass es Leute wie Dich gibt und auf die Schwächen der Neuübersetzung hinweist! TOP! :cool:
Vielen Dank!
Der Übersetzer ist sehr renommiert und sicherlich auch kein Rechtspopulist. Er wollte das Flair des Originaltextes möglichst gut rüberbringen und hat dabei meiner Meinung nach einen Denkfehler. Die "Darkies" kommen wohl im Original vor und die hat er in der wörtlichen Rede übernommen, dann hätte er aber auch die "Neger" beibehalten müssen, wenn er auf Werkstreue pocht. Und dann glaube ich, hat er nicht bedacht, dass der Leser eher die alte mit der neuen Übersetzung vergleicht und dass es dann kein Gewinn ist, wenn plötzlich "Darkies" auftauchen.
 
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kingofmusic

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Vielen Dank!
Der Übersetzer ist sehr renommiert und sicherlich auch kein Rechtspopulist. Er wollte das Flair des Originaltextes möglichst gut rüberbringen und hat dabei meiner Meinung nach einen Denkfehler. Die "Darkies" kommen wohl im Original vor und die hat er in der wörtlichen Rede übernommen, dann hätte er aber auch die "Neger" beibehalten müssen, wenn er auf Werkstreue pocht. Und dann glaube ich, hat er nicht bedacht, dass der Leser eher die alte mit der neuen Übersetzung vergleicht und dass es dann kein Gewinn ist, wenn plötzlich "Darkies" auftauchen.
Okay, ich hab nichts gesagt...:D
 
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MRO1975

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11. August 2018
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Es gibt neu das Hörbuch über schlappe 41 Stunden vom sagenhaften Ulrich Noethen vorgelesen.
Das wird eine Versuchung für mich sein. Klassiker lassen sich wunderbar nebenbei hören:rolleyes:
@Querleserin @MRO1975 @SuPro
@KrimiElse
und alle anderen Hörbuchfans
Danke für den Tipp! Ich habe es zwar schon gelesen, aber das ist schon einige Jahre her. Und von Herrn Noethen lasse ich mir ja alles vorlesen. ;)
 

Literaturhexle

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@sursulapitschi
Mittlerweile habe ich die alte Version "Vom.Winde verweht " komplett gehört und ich frage mich ernsthaft, ob es einer Neu-Übersetzung bedurft hätte. Es gibt Hintergründe zum Sezessionskrieg, der so kritisch gesehen wird, dass das Buch pazifistische Züge hat. Die Liebesgeschichte wird untergeordnet. Die meisten Sklaven werden als Familienmitglieder geschätzt. Es gibt gute und schlechte Schwarze und Weiße. Der Begriff "Nigger" kommt in der aktuelleren amerikanischen Literatur noch immer vor (!), warum könnte man diesen Klassiker nicht so lassen? Und Darkies - da sind wir uns einig - ist keine Verbesserung...
Manchmal ist es der political correctness einfach zuviel!
(Siehe auch aktuelle Diskussion über Jim Knopfo_O)
 

sursulapitschi

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18. September 2019
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Ich weiß auch nicht...es ist schön, wenn einem guten Klassiker mal wieder Aufmerksamkeit zukommt, aber die Neuübersetzung war komplett unnötig. Nicht nur das, sie diffamieren die alte Übersetzung, um mit der neuen Kasse zu machen und dann wird es sogar noch fragwürdig.
Die Jim Knopf Diskussion ist unterirdisch.
 
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sursulapitschi

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@sursulapitschi
Mittlerweile habe ich die alte Version "Vom.Winde verweht " komplett gehört und ich frage mich ernsthaft, ob es einer Neu-Übersetzung bedurft hätte. Es gibt Hintergründe zum Sezessionskrieg, der so kritisch gesehen wird, dass das Buch pazifistische Züge hat. Die Liebesgeschichte wird untergeordnet. Die meisten Sklaven werden als Familienmitglieder geschätzt. Es gibt gute und schlechte Schwarze und Weiße. Der Begriff "Nigger" kommt in der aktuelleren amerikanischen Literatur noch immer vor (!), warum könnte man diesen Klassiker nicht so lassen? Und Darkies - da sind wir uns einig - ist keine Verbesserung...
Manchmal ist es der political correctness einfach zuviel!
(Siehe auch aktuelle Diskussion über Jim Knopfo_O)
Was für ein liebliches neues Profilbild! :)
 

Literaturhexle

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Neuübersetzung war komplett unnötig. Nicht nur das, sie diffamieren die alte Übersetzung, um mit der neuen Kasse zu machen und dann wird es sogar noch fragwürdig.
Genau das finde ich eben auch. Ich hatte in der alten Übersetzung wirklich ein paar grobe Schnitzer erwartet - aber die blieben aus. Klar, die Mummi und Prissy sprechen gebrochenes, grammatikalisch falsches Deutsch. Aber ist das so schlimm?! Wissen wir heute wirklich, wie die Sklaven gesprochen haben? Zur Schule hat sie gewiss keiner geschickt...

Das Überkorrekte wird zum Ärgernis!!! Klassiker ist Klassiker, man muss ihn bitte vor seiner Zeit sehen!
Was für ein liebliches neues Profilbild!
Danke:rolleyes:!