Rezension Rezension (4/5*) zu Der unsichtbare Roman von Christoph Poschenrieder.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der unsichtbare Roman von Christoph Poschenrieder
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Wahre und interessante Geschichten

München im Jahr 1918. Der erste Weltkrieg ist in seinem letzten Jahr. Der Schriftsteller Gustav Meyrink hat schon seit längerem eine Schaffenskrise, vertreibt sich seine Zeit mit Yoga und esoterischem Hokuspokus. Da kommt ihm ein Angebot des Auswärtigen Amtes genau recht. Einen Roman soll er schreiben, gegen Honorar, mit dem zweifelhaften Inhalt, wer denn die Schuld am Krieg tragen solle.
Christoph Poschenrieders Buch „Der unsichtbare Roman“ beruht auf wahren Gegebenheiten. Gustav Meyrink, der zu seiner Zeit als Autor des Golem und Verfasser von Artikeln in der satirischen Zeitschrift „Der Simplicissimus“ einen guten Namen hatte, erhielt tatsächlich dieses unmoralische Angebot und einen Vorschuss dafür. Allein, den Roman hat Meyrink nie geschrieben.

Es gibt wahre Geschichten, und interessante. Wenn nun die interessante Geschichte nicht die wahre ist. Und die wahre nicht interesssant?
„Fake News“ gab es wohl schon immer. Nicht erst durch die - zugegeben wesentlich schnelleren -sozialen Medien unserer heutigen Zeit, Propaganda und die Verbreitung gezielt falscher Informationen funktioniert damals wie heute. Die Menschen sind kriegsmüde und monarchieverdrossen. Die noch an der Macht sitzen, wollen dieses letzte bisschen Macht zu ihren Gunsten auslegen. Meyrink, der sich als unpolitischen Menschen sieht, wundert sich, für eine derartige Aufgabe, die ihm eigentlich widerstrebt, ausgewählt worden zu sein. Er greift zu einem ganz besonderen Trick, den Auftrag zu erfüllen
Christoph Poschenrieder hat aus dieser historischen Begebenheit eine durchdachte Mischung aus Fakten und Fiktion gemacht und ein Schelmenstück verfasst. Das Spiel mit Wahrheit und Erfindung unterstreicht er mir Einsprengseln (eigener) Recherchenotizen. Damit lässt er den Leser an der Entstehung gleich zweier Roman teilhaben, den sichtbaren und den unsichtbaren Roman.
Die Person Meyrink beschreibt Poschenrieder anhand biografischer Einschübe mit Meyrink selbst als Erzähler. Wie zuverlässig dieser Erzähler ist, kann nicht immer mit Sicherheit behauptet werden.

Wer schreibt denn hier eigentlich? Meyrinks Hang zur Satire und/oder Poschenrieders Freude am Wortwitz ist in vielen Zeilen spürbar. Mit amüsant bösen Dialogen rettet sich Poschenrieder auch über die eine oder andere Länge, vor allem im Mittelteil des Romans. Das ist auch gut, so, denn das Ende hat mich wirklich freudig überrascht.