Rezension Rezension (2/5*) zu Die Zeit des Lichts: Roman von Whitney Scharer.

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Kratzt an der Oberfläche - mehr nicht.

„Die Zeit des Lichts“ widmet sich den Anfängen und den ersten professionellen Spielereien mit der Fotografie in den verrückten Zwanzigern des vorigen Jahrhunderts in Paris. Handlungsträger sind Lee Miller, die Geliebte, und Man Ray, ein bekannter Surrealist und Dadaist in der Kunstszene, er schreibt, malt und fotografiert. Die Idee ist ja nicht schlecht .. und ambitioniert, denn ein Buch über Fotografie zu schreiben ist unendlich schwer.

Das Einfangen der 1920er Jahre und die Kunstszene in Paris, wo sich eine Expatgemeinde von überall aus der Welt zusammengefunden hat, um im Herzen Frankreichs den Puls der Zeit schlagen zu hören, ist trotz umfangreicher Recherche, nur unzureichend gelungen. Denn das Personal ist leblos, unemotional, zu dünn und trist. Doch das Paris der 1920er strotzte vor Leben und Celebrities. Doch in der „Zeit des Lichts“ tauchen neben Man Ray nur wenige andere bekannte Namen auf, sie streifen das Geschehen, aber mehr ist nicht.

Noch schwerer wiegt, dass die Persönlichkeiten von Lee Miller, die, aus New York gekommen, zuerst Assistentin Man Rays, seine Geliebte und später Kriegsberichtsreporterin ist, und auch die Man Rays verschwommen bleiben.

Zwar gelingt es dem Roman, manches Puzzleteil auf den Tisch zu legen, aber das Bild bleibt ein aus Äußerlichkeiten zusammengesetzes. Nicht ein einziges Mal konnte ich mich in die junge Frau hineinversetzen, nicht einmal als sie von einem frühen Missbrauch erzählt. Auch Man Rays Wesen bleibt unergründet. Emotionen weckt dieser Roman nicht.

Prolog und Epilog sind gut gemacht, sehr viel besser als der Rest! In ersterem tritt eine gescheiterte Frau auf den Plan, die dem Alkohol verfallen ist und keine Perspektive mehr hat. Aber warum Lee scheitert, bleibt im Dunkeln. Im Nachklang gibt es noch einige historische Fakten.

„Die Zeit des Lichts“ erscheint gut recherchiert, soweit es um Fakten und das Handwerk der Fotografie geht, wenngleich gerade das Handwerkliche seitenweise so ausführlich zelebriert wird, dass es schon wieder langweilig ist. Zahlreiche erotische Szenen auf Groschenheftniveau sollen wohl die Ausgelassenheit und Exzesse der Zeiten verdeutlichen. Aber auf diesem Niveau möchte ich sie nicht lesen.

Interessant ist natürlich der Gegensatz zu den Orgien und Ausschweifungen einer experimentierfreudigen Zeit einerseits und dem Tod und Elend des Krieges andererseits. Doch hätte man diesen Gegensatz viel mehr betonen und herausarbeiten müssen.

Fazit: Prolog und Epilog sind gut, den Rest kann man getrost vergessen.


Kategorie: Unterhaltung. Historische Fiktion.
Verlag: Klett-Cotta, 2019