1. Leseabschnitt - Prolog und 1. Teil (Anfang bis Seite 87)

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Gelöschtes Mitglied 2403

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Hier geht es um den Prolog und den 1. Teil, Kapitel 1 bis 3 des Buches (Anfang bis Seite 87).
 
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Anjuta

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8. Januar 2016
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Beim Aufschlagen des Buches fiel mein erster Blick auf den dort abgedruckten Stammbaum (S. 8/9). Dabei habe ich sofort an das erste Buch gedacht, bei dem ich aktiv mit einem Stammbaum in den Händen zur Orientierung im Figurengeflecht gelesen habe: das war "Hundert Jahre Einsamkeit" von Garcia Marquez. Und die Assoziation zu dem Autoren/Buch blieb dann beim weiteren Lesen nicht darauf beschränkt. Auch hier haben wir magischen Realismus vor uns. In ganz realistischer Manier wird von Magischem, Irrealem und Wundertätigem berichtet. Die Grenzen zwischen realer Welt und Erdachtem etc. verschwimmen ständig. Agnes schwebt als "nackte Frau am Klavier" immer etwas über dem Boden und erhebt sich ins irgendwie Schwebende.
Im ersten LA befinden wir uns dabei noch voll und ganz in den einleitenden Kapiteln. Die Figuren werden eingeführt in zwei Zeitebenen 1910-12 und 1996. Weit auseinander liegende Zeiten und doch haben wir es wohl mit Figurenüberschneidungen in beiden Zeitebenen zu tun. Aber schauen wir mal.
Neben der Figur der Agnes steht vor allem das Wirken eines christlichen Priesters am Rande der Welt in einem Indianerreservat im Mittelpunkt des Geschilderten. Missionierung ist dabei ein wichtiges Thema, das hier auch zunächst nur eingeleitet wird. Mit interessanten Worten:
"Es hat alles mit Bekehrung zu tun, Father, einem höchst kitzligen Konzept, einer sehr liebevollen Form der Zerstörung." (S. 86)
Ich finde hier Vieles, was mir Lust aufs Weiterlesen macht!
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Wie gut, dass ich meine Zusage für.den Roman rechtzeitig zurückgezogen habe :)
Das wäre nicht meine Welt!
Euch aber riesig viel Spaß beim Lesen :reader5
Bei Büchern von Louise Erdrich spielen oft andere Bewusstseinsebenen eine Rolle. Gerade ihre indianische Abstammung ist da vielleicht auch sehr wichtig. Und ich finde dies bei ihr auch immer hervorragend formuliert. Sie hat einen recht interessanten und warmherzigen/empathischen Blick auf ihre Umwelt und den Menschen. Und sie kann in meinen Augen den indianischen Geist, wenn man es denn so nennen kann, ausgezeichnet beschreiben. Ich liebe ihren Stil! Ich bin sehr neugierig wann ich endlich mal 5 Punkte für ein Erdrich-Buch vergeben werde. Bisher haben sie mir sehr gefallen, aber vom Hocker haben sie mich noch nicht gerissen. Das letzte Tüpfelchen hat immer noch gefehlt. Vielleicht wird es ja hier anders. Mal sehen.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Beim Aufschlagen des Buches fiel mein erster Blick auf den dort abgedruckten Stammbaum (S. 8/9).
Dieser Stammbaum fiel mir auch sofort ins Auge, vor allem, da einige Personen von diesem Stammbaum schon bei einem anderen Buch von Louise Erdrich eine Rolle spielen. Ich habe vor kurzem gelesen, welches sich ebenso mit den Kashpaws, Nanapushs, Lamartines, Lazarres und Morrisseys befasst, es handelt in den Jahren zwischen 1934 und 1984. Und ich freue mich hier "alte Bekannte" zu treffen.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Neben der Figur der Agnes steht vor allem das Wirken eines christlichen Priesters am Rande der Welt in einem Indianerreservat im Mittelpunkt des Geschilderten. Missionierung ist dabei ein wichtiges Thema, das hier auch zunächst nur eingeleitet wird. Mit interessanten Worten:
"Es hat alles mit Bekehrung zu tun, Father, einem höchst kitzligen Konzept, einer sehr liebevollen Form der Zerstörung." (S. 86)
Ich finde hier Vieles, was mir Lust aufs Weiterlesen macht!
Auch die Aussage, dass Vater Damien von einer Ojibwe Familie adoptiert wurde (S. 16) verweist auf einen gewissen Stellenwert des Vaters bei den Indianern. Es wird sicher Gründe dafür geben, denn ich glaube nicht, dass jeder christliche missionierende Vater in eine indianische Familie aufgenommen wurde.
Auch der folgende Satz nach deinem zitierten Satz von S. 86 oben spricht Bände. "Selbst jetzt habe ich mich damit nicht recht angefreundet, in einem Alter, wo ich längst dort am Hang zwischen den Gebeinen meiner Nächsten friedlich vermodern sollte." S. 86/87
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Die Geschichte der Agnes deWitt empfand ich als sehr fesselnd und bildhaft. Ich sah direkt die Bilder vor meinem inneren Auge und empfand hier einen sehr großen Sog. Hat mir sehr gefallen. Gerade auch dass sie manchmal einen recht verschrobenen und eigenwilligen Eindruck macht. Etwas was ich beim Pater Damien nicht so empfand. Was sagt ihr dazu?
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Father Jude Miller kommt ins Reservat zu Father Damien um Nachforschungen zu Schwester Leopoldas Leben zu machen. Herrlich der Austausch der beiden! Und herrlich wie Father Damien Leopolda beschreibt. Ich bin schon neugierig ob und was hier noch kommt. Leopolda tritt auch im Liebeszauber auf und war kein beliebter Charakter für mich.
 

Bibliomarie

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Als ich das Buch aufgeschlagen habe und gleich den Stammbaum entdeckte, dachte ich sofort - oh, das wird schwierig! All die Verzweigungen, die ersten und folgenden Frauen, die ehelichen und die adoptierten Kinder - aber so ist das ja oft bei Erdrichs Büchern.
Was für eine Lust an der Sprache, ausufernd, mäandernd, bildhaft.
Gleich auf S. 27 war da ein Satz, den ich wunderbar finde:
Manchmal brachte eine Pause zwischen den schmerzlichen Klagelauten einer Moll-Passage die Schwestern zum Weinen, die grade die Böden schrubbten, so dass die in Tränen gebadeten Dielen des Klsoters fortan mit menschlichen Stimmen knarrten. Solche Sätze könnte ich mir in einem fort notierern. Ja, der Vergleich von @Anjuta mit Hundert Jahre Einsamkeit trifft es gut. Ich dachte auch sogleich an den Simplicissismus. Agnes hat etwas von einem "reinen Tor" an sich. Alles was sie tut und denkt, kommt aus hier heraus, ohne dass sie nachdenkt oder reflektiert. Dabei agiert sie instinktiv klug.
 

Bibliomarie

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Die Geschichte der Agnes deWitt empfand ich als sehr fesselnd und bildhaft. Ich sah direkt die Bilder vor meinem inneren Auge und empfand hier einen sehr großen Sog. Hat mir sehr gefallen. Gerade auch dass sie manchmal einen recht verschrobenen und eigenwilligen Eindruck macht. Etwas was ich beim Pater Damien nicht so empfand. Was sagt ihr dazu?

Könnte es mit dem Vergessen des Sogs der Musik zu tun haben?
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Könnte es mit dem Vergessen des Sogs der Musik zu tun haben?
Vielleicht, sehr wahrscheinlich sogar, sie brannte ja förmlich dafür, und wenn das dann fehlt. … Dann das Alter, das wird sie vielleicht auch verändert haben. Und ebenso vielleicht der Umstand auch einen Halt gefunden zu haben. Sie scheint ja ein Umfeld zu haben, ein Umfeld was sie vielleicht stützt und achtet.
 
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sursulapitschi

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Ich hatte Startschwierigkeiten, es hat gedauert, bis ich mich eingelebt hatte, aber jetzt bin ich da. Ich amüsiere mich sehr. Der Stil ist göttlich, so ein feiner, pechschwarzer Humor.
Mary Kashpaw, kenne ich die? Woher kenne ich die? Ich meine, sie war in einem anderen Buch, aber ich weiß nicht mehr wo.

Ich bin jetzt sehr gespannt auf Leopoldas Geschichte. Hat sie die Wunder von Little No Horse verursacht? Ihre Asche hat Hämorrhoiden geheilt? Na gut, ok, schaumamal. Hahaha.

Agnes/Damien ist ja wohl eine absolut schräge Figur. Köstlich, ich mag sie sehr. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass sie schwanger wird und eine Dynastie begründet. Dieser Werdegang ist originell und sehr unerwartet.
 

sursulapitschi

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Die Geschichte der Agnes deWitt empfand ich als sehr fesselnd und bildhaft. Ich sah direkt die Bilder vor meinem inneren Auge und empfand hier einen sehr großen Sog. Hat mir sehr gefallen. Gerade auch dass sie manchmal einen recht verschrobenen und eigenwilligen Eindruck macht. Etwas was ich beim Pater Damien nicht so empfand. Was sagt ihr dazu?
Ich denke mal, die Tatsache, dass es ihn gibt ist Eigenwilligkeit zu verdanken. Er hatte in diesem Buch noch nicht viel Gelegenheit, sich zu präsentieren, aber jahrelang beharrlich dem Papst zu schreiben, ohne eine Antwort zu bekommen, das beweist Eigensinn und Charakter.
 

Mamskit

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Ich bin leider spät dran, bin in den letzten Tagen nicht zum Lesen gekommen. Leider. Hinzu kam, dass ich mich am Anfang dieses Buches etwas schwer getan habe, war der Schreibstil mit seinen teils verschachtelten, bizarren Wendungen für mich doch sehr gewöhnungsbedürftig. Aber ich glaube, spätestens seit dem Besuch von Father Jude bei Father Damien bin ich im Buch angekommen. Herrlich, wie die beiden sich umschleichen und belauern! Aber auch die Beschreibung der "Reise" von Agnes in dem außer Kontrolle geratenen Fluss finde ich grandios.
Ich weiß noch nicht, ob ich Agnes/Father Damien mag. Außer der Tatsache, dass sie hochmusikalisch ist/war und etwas exzentrisch zu sein scheint, kann ich ihre Persönlichkeit noch nicht ganz abgreifen. Aber sie ist auf jeden Fall eine sehr fesselnde Figur. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, das hätte ich zu Beginn nicht gedacht.
 

Mamskit

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Ich denke mal, die Tatsache, dass es ihn gibt ist Eigenwilligkeit zu verdanken. Er hatte in diesem Buch noch nicht viel Gelegenheit, sich zu präsentieren, aber jahrelang beharrlich dem Papst zu schreiben, ohne eine Antwort zu bekommen, das beweist Eigensinn und Charakter.

Das finde ich auch herrlich. Diese Beharrlichkeit, mit der er immer wieder darauf hinweist, dass man ihm doch endlich mal antworten könnte, finde ich sehr amüsant und skurril
 

Renie

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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich hatte Startschwierigkeiten, es hat gedauert, bis ich mich eingelebt hatte, aber jetzt bin ich da. Ich amüsiere mich sehr. Der Stil ist göttlich, so ein feiner, pechschwarzer Humor.
Das ging mir ganz genauso. Ich oute mich: das ist mein erster Louise Erdrich. Und ich weiß noch nicht, ob ich Fan werde, da ich mit der Indianerwelt und ihrer Mystik nicht warm werde. Da geht's mir vermutlich wie @Literaturhexle . Ich bin zu realistisch, als dass ich mich auf diesen "Zauber" einlassen kann.
 

Renie

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Ich bin leider spät dran, bin in den letzten Tagen nicht zum Lesen gekommen. Leider. Hinzu kam, dass ich mich am Anfang dieses Buches etwas schwer getan habe, war der Schreibstil mit seinen teils verschachtelten, bizarren Wendungen für mich doch sehr gewöhnungsbedürftig. Aber ich glaube, spätestens seit dem Besuch von Father Jude bei Father Damien bin ich im Buch angekommen. Herrlich, wie die beiden sich umschleichen und belauern! Aber auch die Beschreibung der "Reise" von Agnes in dem außer Kontrolle geratenen Fluss finde ich grandios.
Ich weiß noch nicht, ob ich Agnes/Father Damien mag. Außer der Tatsache, dass sie hochmusikalisch ist/war und etwas exzentrisch zu sein scheint, kann ich ihre Persönlichkeit noch nicht ganz abgreifen. Aber sie ist auf jeden Fall eine sehr fesselnde Figur. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, das hätte ich zu Beginn nicht gedacht.
Trotz meiner Vorbehalte gegenüber der Mystik dieses Buches mag ich es. Denn der alte Father Damien ist ein herrliches Original. Trotz seines hohen Alters, ist seine Seele junggeblieben. Sein Humor (und der von Louise Erdrich) ist grandios. Gerade diese Hochwasser-Flussszene war der Hammer.
Geschichten erzählen kann sie, die Frau Erdrich. Das muss man ihr lassen.