Rezension Rezension (5/5*) zu Oreo: Roman von Fran Ross.

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.318
19.011
49
48
Mutig + Experimentell = OREO

Sö mit ö. Da denkt man, man hat im Lauf der Jahres-(Lese-)Zeit schon krasse Bücher gelesen und – bämm – kommt eine Wiederentdeckung aus den 1970er Jahren hervor und beschert einem mal gerade eben DAS mutigste und experimentellste Werk 2019.

Die Rede ist von „Oreo“, dem leider einzigen Roman der 1985 verstorbenen afroamerikanischen Schriftstellerin Fran Ross, der nun bei DTV erschienen ist.

In selbigem „münzt“ Fran Ross die Theseus-Sage in die Suche der Romanheldin Oreo nach ihrem Vater um. Wer (wie ich) nicht viel Ahnung von griechischer Mythologie hat, dem mag das bis zum „erhellenden“ Kapitel „Schlüssel für Schnellleser, Antikenferne etc.“ gar nicht mal so deutlich auffallen. Trotzdem ist es interessant, im Nachhinein die Parallelen zu entdecken und sich die entsprechenden Szenen aus dem Buch (wieder) ins Gedächtnis zu rufen.

Bis man als Leser*in nämlich zu besagtem Kapitel gekommen ist, hat man eine Odyssee der Sprache, des Witzes, aber auch der Fragezeichen hinter sich. Fran Ross schreibt nicht einfach so – nein: sie mischt die „normale“ Sprache mit jiddisch (ein Glossar findet sich im Anhang, was das Lesen etwas mühselig macht – aber man gewöhnt sich an alles *g*), fügt eigene Wortkreationen hinzu und würzt das Ganze mit viiiiiel Witz, (schwarzem) Humor, Sarkasmus – manches Mal möchte einem das Lachen am liebsten im Hals stecken bleiben, aber oft kann man gar nicht anders als über die absurd-komisch-überzeichneten, jedoch auch der Gesellschaft (nicht nur der damaligen, sondern auch der heutigen) den Spiegel vorhaltenden Episoden lauthals zu lachen oder zumindest zu grinsen. Hier zeigt sich (leider), dass die im Roman angesprochenen und kritisierten Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit usw. immer noch vorherrschen – erschreckend…

Dieser Roman lebt von seiner Andersartigkeit – als Leser*in sollte man sich kurzzeitig von seinen „gewohnten“ Lesegepflogenheiten verabschieden und eintauchen in die kuriose Welt von Oreo und ihrer Familie. Wer sich jedoch drauf einlässt und bis zum Schluss „durchhält“ (ja, Durchhaltevermögen ist durchaus gefragt, siehe vorheriger Abschnitt *g*) wird mit einem trotz aller Kuriosität zum Nachdenken anregenden Roman belohnt.

Ich verteile 5* und spreche eine absolute Leseempfehlung aus!

©kingofmusic


 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.473
50.032
49
Lieber König, deine erfrischenden Rezensionen zu lesen, macht mir immer Spaß. Da überspringe ich keine Zeile ;)
Dennoch bin ich absolut froh, dass ich dieses Mal standhaft geblieben bin und das Buch ausgelassen habe. Meins wäre es gewiss nicht gewesen...:confused:.
Alles gut!
 
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kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Lieber König, deine erfrischenden Rezensionen zu lesen, macht mir immer Spaß. Da überspringe ich keine Zeile ;)
Dennoch bin ich absolut froh, dass ich dieses Mal standhaft geblieben bin und das Buch ausgelassen habe. Meins wäre es gewiss nicht gewesen...:confused:.
Alles gut!
Ha ha, so so - du überspringst also auch mal Zeilen in Rezensionen? Ich bin entsetzt :eek: :D:p:D. Dann werde ich mir wohl auch in Zukunft redlich Mühe geben (müssen), diese Eigenart von dir zu "unterbinden" :p:D. Aber danke, ich weiß es sehr zu schätzen und: nein, deins wäre es nicht gewesen. Ich hatte ja auch am Anfang meine Probleme, aber je weiter die Geschichte voranschritt, desto besser wurde sie.
Mal schauen, wie dir der kafkaeske neue McEwan gefällt *lol* :D.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.691
22.085
49
Brandenburg
Eine wunderhübsche Rezension. Ich bezweifle nicht, dass du dich amüsiert hast, da und dort, aber über was denkst du jetzt nach oder anders als du vorher gedacht hast? Der Roman kommt auf alle Fälle zu spät. (Gedacht war er natürlich früher). Ich wollte, er wäre weniger grotesk gewesen und dafür mehr in die Tiefe gegangen. Und hätte irgendetwas ausgelotet. Als Diskussionsgrundlage in Schulen/Unis durchaus geeignet - aber als Roman? Ein Roman, der einem Comic ähnelt.
 

kingofmusic

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Eine wunderhübsche Rezension. Ich bezweifle nicht, dass du dich amüsiert hast, da und dort, aber über was denkst du jetzt nach oder anders als du vorher gedacht hast? Der Roman kommt auf alle Fälle zu spät. (Gedacht war er natürlich früher). Ich wollte, er wäre weniger grotesk gewesen und dafür mehr in die Tiefe gegangen. Und hätte irgendetwas ausgelotet. Als Diskussionsgrundlage in Schulen/Unis durchaus geeignet - aber als Roman? Ein Roman, der einem Comic ähnelt.
Ich nehme das "wunderhübsche Rezension" von dir als Kompliment - das bedeutet mir viel, liebe @Wandablue :cool:.

Nun, denkt man nicht über jedes Buch nach, das man liest? Reflektiert man nicht automatisch sein eigenes Denken/ Verhalten oder die (momentanen) Gesellschafts"ströme"? Es gibt immer etwas, was man an seinem "Verhalten" gegenüber anderen Menschen ändern kann - auch ein König ist nicht perfekt :D.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Mutig + Experimentell = OREO


Sö mit ö. Da denkt man, man hat im Lauf der Jahres-(Lese-)Zeit schon krasse Bücher gelesen und – bämm – kommt eine Wiederentdeckung aus den 1970er Jahren hervor und beschert einem mal gerade eben DAS mutigste und experimentellste Werk 2019.

Die Rede ist von „Oreo“, dem leider einzigen Roman der 1985 verstorbenen afroamerikanischen Schriftstellerin Fran Ross, der nun bei DTV erschienen ist.

In selbigem „münzt“ Fran Ross die Theseus-Sage in die Suche der Romanheldin Oreo nach ihrem Vater um. Wer (wie ich) nicht viel Ahnung von griechischer Mythologie hat, dem mag das bis zum „erhellenden“ Kapitel „Schlüssel für Schnellleser, Antikenferne etc.“ gar nicht mal so deutlich auffallen. Trotzdem ist es interessant, im Nachhinein die Parallelen zu entdecken und sich die entsprechenden Szenen aus dem Buch (wieder) ins Gedächtnis zu rufen.

Bis man als Leser*in nämlich zu besagtem Kapitel gekommen ist, hat man eine Odyssee der Sprache, des Witzes, aber auch der Fragezeichen hinter sich. Fran Ross schreibt nicht einfach so – nein: sie mischt die „normale“ Sprache mit jiddisch (ein Glossar findet sich im Anhang, was das Lesen etwas mühselig macht – aber man gewöhnt sich an alles *g*), fügt eigene Wortkreationen hinzu und würzt das Ganze mit viiiiiel Witz, (schwarzem) Humor, Sarkasmus – manches Mal möchte einem das Lachen am liebsten im Hals stecken bleiben, aber oft kann man gar nicht anders als über die absurd-komisch-überzeichneten, jedoch auch der Gesellschaft (nicht nur der damaligen, sondern auch der heutigen) den Spiegel vorhaltenden Episoden lauthals zu lachen oder zumindest zu grinsen. Hier zeigt sich (leider), dass die im Roman angesprochenen und kritisierten Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit usw. immer noch vorherrschen – erschreckend…

Dieser Roman lebt von seiner Andersartigkeit – als Leser*in sollte man sich kurzzeitig von seinen „gewohnten“ Lesegepflogenheiten verabschieden und eintauchen in die kuriose Welt von Oreo und ihrer Familie. Wer sich jedoch drauf einlässt und bis zum Schluss „durchhält“ (ja, Durchhaltevermögen ist durchaus gefragt, siehe vorheriger Abschnitt *g*) wird mit einem trotz aller Kuriosität zum Nachdenken anregenden Roman belohnt.

Ich verteile 5* und spreche eine absolute Leseempfehlung aus!

©kingofmusic




Dir ist hier wieder eine wunderbare Rezension gelungen! Ich werde meine wahrscheinlich dann am Sonntag verfassen, da habe ich dann etwas freie Zeit dazu. Denn dieses Ausnahmebuch verdient definitiv eine perfekte Rezension!
 
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