Rezension Rezension (4/5*) zu Die Zeit des Lichts: Roman von Whitney Scharer.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Lee Miller in Paris

Die junge Amerikanerin Lee Miller kommt Ende der Zwanziger nach Paris, dem Zentrum der Kunst, Literatur und ein Hotspot für Amerikaner, die in das Lebensgefühl dieser Jahre eintauchen wollen.

Lee hat ein gewisses Ansehen als Model erworben, aber sie möchte nicht länger vor der Kamera posieren, sie möchte selbst fotografieren und gestalten. Als sie dem schon arrivierten Man Ray begegnet und er sie nach einiger Zeit als Assistentin engagiert, scheint sie ihrem Ziel schon sehr nahe. Die Zusammenarbeit beginnt sie zu inspirieren, sie wagt immer häufiger fotografische Experimente und bald wird sie die Geliebte und Muse Man Rays.

Doch je sicherer sie sich ihrer Kunst und ihrer Persönlichkeit wird, umso mehr fühlt sie sich von ihm eingeengt und vereinnahmt. Sie fühlt, dass er sie nie als gleichberechtigte Künstlerin anerkennen wird.

Dieser Roman fängt sehr farbig das Lebensgefühl jener Zeit ein. Die Autorin hat sich für ihr Debüt eine interessante Frauenfigur als Protagonistin gewählt, deren Lebensweg sehr abenteuerlich und von vielen Brüchen durchzogen ist. Allerdings beschränkt sie sich nur auf einen kurzen Zeitraum. Von Lee Miller, der Kriegsberichterstatterin erfährt der Leser nur in kurzen eingeschobenen „Vorblicken“.Anfangs hatte ich mehr einen biografischen Roman erwartet und war deshalb fast enttäuscht, dass so vieles vom Leben dieser Frau im Dunkeln blieb, allerdings nahm mich der Schreibstil der Autorin bald richtig gefangen. Whitney Scharer kann hinreißend erzählen und lässt die Pariser Jahre richtig lebendig werden. Sie lässt die Leser eintauchen in die Welt der Boheme, Cocteau, Picasso, Kiki, die Dadaisten und Surrealisten, sie alle tauchen in Man Rays und Lee Millers Umfeld auf.

Ganz besonders gelungen fand ich den Prolog des Buches, er zeigt eine alternde, alkoholkranke Lee, die auf einer Farm in England lebt und die die Erinnerungen und Arbeiten aus ihrer Pariser Zeit im hintersten Winkel ihres Gedächtnisse und auf dem Dachboden verborgen hat. Doch dann wird sie durch einen Auftrag für einen Artikel wieder daran erinnert….

Ein schöner Roman, der Lust macht mehr über die faszinierende Lee Miller zu erfahren.