Rezension Rezension (4/5*) zu Der Platz im Leben: Roman von Anna Quindlen.

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7. Juni 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Platz im Leben: Roman von Anna Quindlen
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Ein Parkplatzvorfall mit Folgen

In Anna Quindlens neuem Roman: "Der Platz im Leben" beginnt alles mit einem Parkplatz. Das Parkplatzthema taucht in der Originalausgabe bereits im Titel auf. "Alternate Side" bezieht sich auf Parkvorschriften in einigen Großstädten, bei denen man nach einem bestimmten System entweder auf der rechten oder linken Straßenseite parken darf.
Die zentralen Figuren im Roman sind Nora und Charlie Nolan. Das Ehepaar wohnt seit vielen Jahren in einer wohlhabenden Gegend in New York, in ihrem eigenen schönen viktorianischen Haus. Sie haben dort ihre beiden Kinder groß gezogen und, auch mithilfe iherer Hunde, gute Beziehungen zu den Nachbarn aufgebaut. In dieser Straße, einer der wenigen Sackgassen in New York, dient ein unbebautes Grundstück als Parkplatz, auf dem allerdings nur sechts Autos Platz haben. Einen dieser Parkplätze zu besitzen ist also ein großes Privileg und mit hohem Prestige verbunden. Entsprechend begeistert reagiert Charlie, als er erfährt, dass er nach vielen Jahren nun endlich einen der Plätze mieten kann. Nun gehört er zur Elite der Straße.
Am unteren Ende der Hierarchie dieser Nachbarschaft, die wie ein Mikrokosmos der amerikanischen Gesellschaft wirkt, stehen die Kindermädchen, Köche, Haushaltshilfen und Handwerker, die für die Hausbesitzer arbeiten. Sie stammen typischerweise aus Lateinamerika oder Jamaika. Selbstverständlich dürfen diese unter keinen Umständen, auch nur kurzfristig ihre Autos auf oder vor dem Parkplatz abstellen. Ricky, der Hausmeister der Straße, missachtet dieses Tabu von Zeit zu Zeit, was immer wieder zu Konflikten führt, die in einem, von den Anwohnern so genannten "Parkplatzvorfall" gipfelt.

Nach diesem Vorfall bleibt nicht mehr wie es war. Die Beziehungen in der Nachbarschaft beginnen sich zu verschieben, denn die Nachbarn ergreifen für die eine oder ander Seite Partei. Wie in dem Parksystem müssen sich alle Beteiligen für eine Seite entscheiden. Nora und Charlie sind auf unterschiedlichen Seiten, was zu Spannungen in der Ehe führt. Um die Ehe der Nolans stand es auch vorher nicht mehr zum Besten, die Ehe war mit den Jahren zur Routine geworden. Die mit dem Parkplatz verbundenen Emotionen bringen nun endlich die Energie für Entscheidungen.

Anna Quindlens Roman: "Der Platz im Leben" ist eine Gesellschaftsstudie der New Yorker oberen Mittelschicht. Erzählt wird die Geschichte ausschließlich aus der Perspektive von Nora, einer überaus sympathischen Romanfigur. Nora ist klug, empathisch und vor allem mit einer feinen ironischen Distanz sich selbst und anderen gegenüber ausgestattet. "Ich bin New Yorkerin...Zynismus ist meine Religion."
Erzählt wird in einer leichten, eingängigen Sprache, mit eingestreuten Rückblenden und Anekdoten. Zusammen mit dem immer wieder aufblitzendem feinen Humor wird so die Lektüre zu einem Lesevergnügen, zumal man sich über viele lebenskluge Formulierungen freunden darf. " In Wahrheit waren die meisten Ehen wie Luftballons: einige wenige platzen ohne Vorwarnung, aus den allermeisten aber wich langsam die Luft, bis nur noch ein trauriges, knittriges Etwas ohne jeden Auftrieb übrig war."

Unter die Haut geht der Roman allerdings nicht - das will er auch gar nicht. Dafür handelt er zu sehr von Luxusproblemen, mit denen sich die reichen New Yorker beschäftigen, also Problemen, die nicht gerade existenziell wirken. Negative Seiten des Lebens im reichen New York wie die großen sozialen Unterschiede und der Erfolgsdruck, der auf allen lastet, werden leicht bekömmlich dargestellt.

Insgesamt ein empfehlenswerter Roman, eine Gesellschaftsstudie und ein Stadtroman, geschrieben aus einer liebevollen und letzendlich versöhnlichen Perspektive.