Rezension Rezension (3/5*) zu Wunder von Raquel J. Palacio.

dragonflee

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11. November 2019
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Buchinformationen und Rezensionen zu Wunder von Raquel J. Palacio
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Eine andere Meinung

Dieses Buch hat einige positive Aspekte, aber ist meiner Meinung nach nicht eines der besten Bücher, die ich gelesen habe, und erst recht nicht für jedes Kind geeignet.
Es hat einen guten Ansatz und eine gut gemeinte Botschaft, die aber nicht auf beste Weise dargebracht werden. Vielleicht ist das Jammern auf hohem Niveau. Aber für einem Buch für Kinder ab 10 oder 11 aufwärts erhoffe ich mir ein gutes Sprachniveau und maßvolle Gefühlstiefe und Beschreibungen, sowie eine entweder dem Thema oder der Spannung angepasste, sinnvolle Länge. Ich maße mir nicht an besser schreiben zu können, habe aber zu diesem Thema als Jugendliche Bücher gelesen, die ich geeigneter fände. Leider schreibt der Author so genau, dass man sich kaum der deprimierenden Situation entziehen kann.

Für mich kommt das Buch relativ schnell auf den Punkt. August hat ein deformiertes Gesicht, das er vor seinen Mitmenschen nicht verstecken kann, hat eine Oddyssee an Operationen hinter sich. Nachdem ihn seine Familie so gut es ging eine schützende Umgebung im Familienkreis ermöglicht hat, indem er zuhause von seiner Mutter unterrichtet wurde, geben ihm die Eltern nun die Möglichkeit in eine Schule zu gehen, und in die Außenwelt einzutreten. Alle Beteiligten von Familienmitgliedern bis zu Mitschülern, Sekretärinnen, Lehrern und Schulleitern versuchen ihm diesen Einstieg so sanft wie ihnen möglich zu gestalten. All dies aus dem Blickwinkel von August. Danach kommt ein langer "Klotz" an Schulerlebnissen, die in aller Detalliertheit seine Schwierigkeiten beschreiben, von seinem Aussehen und Erlebnissen mit seinen Mitmenschen. Auch ein paar Positive Erlebnisse sind dabei und wechseln sich mit den negativen ab. Sehr lange weiß man nicht, worauf das Ganze hinausläuft. Für mich war die Angelegenheit bis dahin deprimierend, und unnötig in die Länge gezogen. Ein paar Erlebnisse hätten mir gereicht. Ein sehr schlimmes Erlebnis wird zum Ende der Sicht Augusts geschildert, der vermeintliche Freund entpuppt sich als Lügner, der die Freundschaft nur vorgegaukelt hat um seinem Schulleiter zu gefallen. Plötzlich: ein Schnitt!

Es wird aus der Sicht der Schwester berichtet. Dies ist zwar eine Interessante Art der Darstellung. Doch ist sie ebenso deprimierend wie die Augustbeschreibung davor. Schlimmer noch, weil sie das Schlimme vertieft. Sie, die ihren Bruder liebt, aber unter der Sitution leidet und in der Familie zu kurz kommt, weil der Hauptteil der Aufmerksamkeit der Familie auf dem deformierten, armen August liegt. Wieder Leid, auf andere Art.

Bis zur Mitte etwa des Buches ist die Geschichte für mich eine einzige Trauerarie, durchbrochen von vermeintlich positiven Erlebnissen, die bis zur Mitte des Buches anhält.
Vielleicht mag dies ja manche Menschen nicht zu unangenehm berühren, die ein besonders dickes Fell haben. Vielleicht mag dies Menschen aufrütteln, die noch nie eine Ausgrenzung erlebt haben. Aber die, die kleine Ausgrenzungen erlebt haben - wie können die länger als bis zur Mitte des Buches durchhalten, ohne einfach nur noch sich die grauen Schleier der Trostlosigkeit auf alles niedersenken zu fühlen.
Gerade für Kinder - mit 10 oder 11 ist man ein Kind, wie wehrt man sich gegen diese Trostlosigkeit, und was bringt einen zum Weiterlesen? Wieviel Hoffnung und Vertrauen muss man haben, um bis zum Ende durchzuhalten, ohne zu wissen, ob das Ganze eine dauerhaft positive Wendung erfährt oder nicht? Ganz eindeutig ist mir dies zu lang, die Hälfte davon hätte ausgereicht, zumal alles sehr detailliert beschrieben wird, von den Gefühlen bis zu den physikalischen Ausgeprägtheiten der Deformierung.

Ganz abgesehen von furzenden Krankenschwestern und Lehrern mit den Namen Po-Irgendwas und Arsch-irgendwas. Für mich ein kläglicher Versuch diesem tieftraurigem Thema etwas Witz überzustülpen, und dann auch noch ein relativ profaner.
Zudem ist die Sprache der Protagonisten nicht gerade eine Gewählte. Wenn auch keine völlig dumpfe Sprechweise, in der die Personen sprechen, und wenn auch möglicherweise die Sprechweise einer aktuellen, modernen Famile unserer Zeit wiedergegeben werden soll im jeweiligen Land- schön ist es nicht. Soetwas sollten erst Jugendliche lesen, aber nicht 10 oder 11 jährige meiner Meinung nach. Die sind noch nicht gefestigt in ihrer Sprache und man hat als Adressat von Kindern auch eine Sprachverantwortung. Oder wird dadurch schlicht versucht unnötig sich aneinanderreihenden Erlebnissen etwas Schwung zu verleihen?

So liest sich für mich auch die Nichtübersetzung von den Wörtern "Mom" und "Dad". Dies ist zwar nicht der Fehler des Authors, aber für ein Kind, das hier aufwächst sehe ich keinen Sinn diese zwei Wörter nicht zu übersetzen. Warum schreibt man dann nicht auch "sister" anstatt "Schwester", "brother" anstatt "Bruder". Es soll wohl "cool" klingen, ach, herrjeh, es ist gerade in, scheint es mir. Es klingt stark nach Youtube Gamerkanal.

Wofür der Schreiber durchaus seine "Schreibe" zeichnet, sind häufige Bilder von Fernsehserien und auch einer Sängerin, und Figuren daraus, auf die er sich bezieht, mit denen mein Sohn bis auf einen Film nichts anfangen kann, weil er sie schlicht weder gesehen, noch gehört hat. Solche Bildhilfen haben eine kurze Halbwertzeit und vermitteln entweder den Eindruck, dass man das auch sehen muss, um zu verstehen, worum es geht, oder aber, dass das normal ist. Ich finde es nicht zwangsläufig normal.

Zum Glück muss ich das Buch nicht bis zum Ende lesen. Sollte ich es aus Solidarität tun? Mein Sohn muss darüber eine Buchbesprechung halten, es wurde ihm von der Deutschlehrerin vorgeschlagen. Was soll ich ihm raten, wenn er mir sagt - "Mama, ich mag dieses Buch nicht". Ich werde ihm sagen: "Lies es bis zum Ende. Und dann schreib auf, was Du darüber denkst. Wenn Du es nicht magst, schreib die Gründe dafür auf."

Wir mussten in der 8. oder 9. Klasse "Unterm Rad" lesen von Herrmann Hesse. So gut er schrieb - damals versank für mich das Klassenzimmer und der Nachmittag zuhause in einer grauen, aussichtslosen Suppe. Ausweg: der Tod. Dies war die Botschaft des Buches für mich, auch wenn ich selbst soetwas nicht in Betracht als Weg für mich gezogen habe. Aber es hat mich weder zu weiterem Lesen verleitet, noch meinen Schulalltag erhellt.
Vielleicht kommt am Ende des Buches eine Ermutigung und eine gute Wendung. Ich hoffe es. Es steht ja da, in den Inhaltsangaben, die man im Internet findet. Aber ich habe keine Lust mich durch den Rest zu quälen.


von: Robert Galbraith
von: Joachim B. Schmidt
von: Gerdt Fehrle
 

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