5. Leseabschnitt: Seite 275 bis 363 (Schluss)

Literaturhexle

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2. April 2017
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Dieses Buch hat denn mal ein glaubwürdiges Ende, nicht so Friede Freude wie in manch anderem Roman, den wir gelesen haben ;)

Die Ratten sind auf dem Rückzug, aber noch nicht aus dem Bezirk gebannt. Charlie und Nora haben ein klärendes Gespräch, das auf mich mehr als glaubwürdig wirkte. Charlie will sich komplett verändern, er kann und will nicht mehr in NY leben. Für Nora ist es "ihre" Stadt, ein Umzug ausgeschlossen. Beide stellen fest, dass die Zeit ihrer Ehe abgelaufen ist. Ein herrliches Zitat:
[zitat]In Wahrheit waren die meisten Ehen doch wie Luftballons: Einige wenige platzten ohne Vorwarnung, aus den allermeisten wich aber langsam die Luft, bis nur noch ein trauriges, knittriges Etwas ohne jeden Auftrieb übrig war.[/zitat] (S.322)
Die Kinder sind überrascht, nehmen die Trennung aber an.

Jack stirbt eines natürlichen Todes. Bei der Trauerfeier ergeben sich ausschlussreiche Gespräche.

Jasper und Jenny wagen einen Neuanfang und verloben sich. Das fand ich in dem Zusammenhang sehr tröstlich und passend.

Nora sucht sich eine andere Wohnung in einem anonymen Hochhaus. Sie wechselt ihren Job. Die Tatsache, dass Bebe ein Schmuckstück einfach austauschen könnte, ohne dass es bemerkt wird, hat ihr die Sinnlosigkeit ihrer Tätigkeit wohl verdeutlicht. Sie beginnt in der Stiftung von Bob Harris . Hier kann sie wirklich Gutes tun, sie fühlt sich wichtig. Aus meiner Sicht hat sie die Schweinwelt verlassen. Mit Bob verbindet sie eine wertvolle Freundschaft, die sie nicht für eine Affäre aufs Spiel setzen will.

Nora verabschiedet sich von Phil und Alma. Es gibt zahlreiche gelungene Sätze, der Roman verbreitet eine sanfte Melancholie, die mir gut gefallen hat.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Wenn ich den Abschnitt zusammenfassen sollte, so vollzieht sich jetzt der Bruch, der mit Jacks Übergriff auf Ricky begonnen hat. Mit der Unbeschwertheit der Nachbarschaft war es vorbei, man schaute plötzlich kritischer hinter die Fassaden. Dieser Bruch betrifft auch die Ehe von Nora und Charlie, die sich schon lange in der Krise befand. Mit dem Tod des Hundes und dem Auszug der Kinder verschwand der Kitt, der alles noch zusammengehalten hatte. Wobei ich ganz großartig finde, wie Quindlen ihre Figuren agieren lässt. Da gibt es keine Schuldzuweisungen, Nora und Charlie reflektieren ihre Situation, vielleicht war das Auseinanderleben unausweichlich, wer weiß.

Man stellt sich seinen Lebensweg vor, aber es gibt so viele Abzweigungen, erst am Ende wird man wissen, ob alle in die richtige Richtung führten.

Aber für Nora tut sich etwas Neues auf, eine neue Stiftung (nach Bebes Geschichte mit dem Stern von Kaschmir war mir klar, dass Nora geht), die sie ausfüllt und mit Bob Harris tatsächlich ein Chef, mit dem sie gern zusammen arbeitet. Wer hätte das gedacht nach Charlies Schilderungen.

Wer ist Sidney Stoller und wer legt die Hundekotbeutel auf Noras Stufen? Auch da findet Quindlen eine witzige Auflösung.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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@Literaturhexle und @Bibliomarie, ihr habt im Prinzip das geschrieben, was mir auch auf den letzten Seiten aufgefallen ist. Es ist ein versöhnliches, aber kein Friede, Freude, Eierkuchen-Ende.
"Die Menschen gehen im dem Glauben durchs Leben, wie würden Entscheidungen treffen, dabei machen sie im Grunde nur Pläne, was keineswegs das Gleiche ist. Unterwegs nehmen sie ein wenig Schaden, es entstehen lauter kleine Risse, auch wenn sie ganz bleiben, sind sie doch ein wenig lädiert." (358)
Der Satz bringt es meines Erachtens gut auf den Punkt. Der Schaden ist auf jeden Fall das Ende der Idylle in der Straße, und die Ent-Täuschung, die sich vollzogen hat. Ein guter Roman, der mich mit der amerikanischen Literatur wieder versöhnt, nachdem ich von "Die Altruisten" etwas enttäuscht war.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Wenn ich den Abschnitt zusammenfassen sollte, so vollzieht sich jetzt der Bruch, der mit Jacks Übergriff auf Ricky begonnen hat.
Das sehe ich genauso. Dabei musste ich an "Der Sprung" denken. In beiden Büchern steht ein Ereignis im Mittelpunkt, das Auswirkungen auf eine Reihe anderer, nicht direkt beteiligter Personen hat.
Wie viel glaubwürdiger ist das hier gelungen! Auch hier gibt es "besondere" Charaktere wie George oder Jack. Sie bleiben aber in ihren Mustern und es wird keine Rolle rückwärts vollzogen. Das Geschehen ist für mich absolut glaubwürdig.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Ich bin erstaunt, wie sehr sich meine Ansicht zum Buch dann doch gewandelt hat. Nach den ersten Abschnitten war ich wirklich versucht, das Buch in eine Ecke zu pfeffern. Doch der Angriff auf Ricky hat nicht nur für die Menschen im Buch eine Veränderung bewirkt, sondern auch auf meinen eindruck zum Buch. ab da hat sich etwas bewegt. Mir gefiel Nora immer mehr.

Und ich bin mit dem Schluss absolut einverstanden. (nur nicht mit Homers Tod, da hat die Autorin wirklich mit allen Tricks gearbeitet)
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich bin erstaunt, wie sehr sich meine Ansicht zum Buch dann doch gewandelt hat.
Schön, dass du offen geblieben bist! Das ist der Vorteil, wenn man gemeinsam liest: wegpfeffern geht nicht und andere Sichtweisen öffnen den Horizont.
Leider hilft das auch nicht immer. Manches kann man sich nicht schön reden lassen :confused:
Der Angriff auf Ricky ist natürlich wirklich ein Wendepunkt. Vorher hat Nora nur in Gedanken sinniert, danach kamen Dinge in Bewegung.
 
G

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Dieser Abschnitt hat mir gefallen, das etwaige Idyll auf der Straße zerbricht letztendlich an Jacks Tat. Die Bewohner orientieren sich um, ziehen teilweise weg, die Nolans brechen letztendlich auseinander, ein Ende was in meinen Augen unausweichlich war. Hier gab es Risse im Gefüge, die nicht kittbar waren.

Was mir nicht gefallen hat, Jack stirbt, der Urheber dieses Konfliktes stirbt. Dies hätte in meinen Augen auch anders gelöst werden können, anders gelöst werden müssen, aber vielleicht wäre das ein neues Thema gewesen und deshalb lässt Quindlen Jack sterben.

Aber was sagt ihr dazu? In dem sogenannten Idyll der Strasse gibt es einen, der Grenzen überschreitet, der aber von den anderen nicht daran gehindert wird und als Folge zerbricht daran das Idyll der Straße. Das klingt für mich schon nach einem Gleichnis amerikanischer Geschichte und irgendwie nach Wehret den Anfängen.

Für das abschließende Lösen der Rätzel Hundekotbeutel und Sidney Stoller, das Auflösen der Urheberin der Hundekotbeutel ist ganz nett, aber Sidney Stoller alias Alma Fenstermacher fand ich klasse. Es musste ja jemand von der Straße sein, am Ende noch jemanden einführen, klingt recht schwierig.
 
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Bibliomarie

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Was mir nicht gefallen hat, Jack stirbt, der Urheber dieses Konfliktes stirbt. Dies hätte in meinen Augen auch anders gelöst werden können, anders gelöst werden müssen, aber vielleicht wäre das ein neues Thema gewesen und deshalb lässt Quindlen Jack sterben.

Sherry und Jack hätten wegziehen können. Die Gemeinschaft war doch eh schon zerbrochen, sie waren stigmatisiert. Sherry war auch nur noch allein zum jährlichen Fest der Fenstermachers geladen und ging dann aus Solidarität mit ihrem Mann nicht hin. Eine weitere Einladung wäre nie erfolgt. Quindlen wollte mit dem Tod vielleicht symbolisieren, dass Jack ein gebrochener Mann war, isoliert in der Firma, die sich keinen Anwalt mit solch einem Verhalten leisten können und gesellschaftlich unten durch. Insofern war Krankheit und Tod auch nachvollziehbar.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ich hätte es schön gefunden wenn Jack mit den Folgen seiner Tat noch länger hätte leben müssen. Um eventuell doch zu erkennen, dass es falsch gewesen ist. Aber ob ein Mensch wie Jack dies jemals erkennt wäre fraglich.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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buchmafia.blogspot.com
Ein herrliches Zitat:
In Wahrheit waren die meisten Ehen doch wie Luftballons: Einige wenige platzten ohne Vorwarnung, aus den allermeisten wich aber langsam die Luft, bis nur noch ein trauriges, knittriges Etwas ohne jeden Auftrieb übrig war. (S.322)
Genau dieses Zitat habe ich mir auch markiert - es trifft so sehr auf die Ehe von Nora und Charlie zu, die in meinen Augen bereits von Beginn an eine zumindest kleine Luftnummer war, denn beide hatten so viele Differenzen.
So hellsichtig und weise, nachsichtig und nach vorn schauend kann man nur vor Nora den Hut ziehen, ein äußerst sympathischer Charakter.

es war natürlich damit zu rechnen, dass die Ehe der Nolans zuende ist, und ich finde es bemerkenswert, wie die Autorin gleichzeitig so viele alte Säcke zubindet, ohne allzu viel Pathos. Die (Schein) Gemeinschaft der Sachgasse ist im Auflösen begriffen, ohne dass George sich ändert. Nora ändert ihren Job von sinnloser Bettelei für Reiche in Arbeit für Bedürftige. Und ein paar Rätsel werden gelöst.
Ein schöner runder Roman mit einem auch für mich sehr glaubwürdigem Ende, in dem zwar nicht allzu viel passiert, der aber dennoch viel enthält.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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buchmafia.blogspot.com
Was mir nicht gefallen hat, Jack stirbt, der Urheber dieses Konfliktes stirbt. Dies hätte in meinen Augen auch anders gelöst werden können, anders gelöst werden müssen, aber vielleicht wäre das ein neues Thema gewesen und deshalb lässt Quindlen Jack sterben.
Für mich spielt es keine große Rolle, ob Jack stirbt oder ausgegrenzt bleibt, denn das ist er bereits. Die Gemeinschaft in der Straße ist durch seine Tat bereits gespalten, war allerdings auch vorher schon auf dem Sand des Duldens gebaut. Und wie du später schreibst - was wäre anders für Jack oder Rick gewesen, wenn er nicht gestorben wäre? Er ist kein einsichtiger Mensch.
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Ich wundere mich gerade, dass ich hier noch nichts gepostet habe - ich habe bereits an meiner Rezension gefeilt. Leider fällt mein Urteil diesmal nicht so positiv aus... Mich konnte der Roman auf ganzer Strecke nicht abholen, mir war keiner der Charaktere sonderlich sympathsich - auch nicht unsympathisch, sondern schlichtweg egal. Ich finde nicht, dass hier eklatante Erkenntnisse gewonnen wurden, sich jemand mutig gegen alle stellte oder sonst irgendein aufsehenerregendes Ereignis zu vermelden war. Gepflegte Langeweile war dies für mich - leider. Wohlstands-Langeweile, denn schließlich geht es den Beteiligten auch nach der Trennung nicht schlecht. Alles plätscherte vor sich hin, schließlich plätscherte es auseinander - und ich musste 368 Seiten lang mitplätschern. Für mich ein Fehlgriff diesmal. Schade...