Rezension Rezension (3/5*) zu Das Weinen der Vögel: Roman von Chigozie Obioma.

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Buchinformationen und Rezensionen zu Das Weinen der Vögel: Roman von Chigozie Obioma
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Die afrikanische Seele hat Zeit

„Das Weinen der Vögel“ ist exakt das Lied, das die Vögel singen, hier: Hühner, wenn sie ihre ausweglose Lage erkennen, von der aus sie nur noch Leid und Tod erwartet. Dieses Weinen korreliert mit der Lage des Afrikaners Nonso, der sich, bedingt durch äußere Umstände und bedingt durch seine fatalistische Mentalität, ebenfalls in eine ausweglose Lage gebracht hat.

Nonso ist traditionell erzogen. Er hat keinen Funken Eigeninitiative. Er hört auf jeden, der ihm begegnet und der ihm Flausen in den Kopf setzt. Mal geht das gut, mal eher nicht.

In dem Roman „Das Weinen der Vögel“ geht es um viel. Es geht um Unterdrückung, Beeinflussung, Manipulation, Tradition und das Verhältnis von Tradition zur Moderne, wobei der einfach gestrickte Afrikaner oft unter die Räder kommt. Es geht auch um männlichen Stolz, der sich von einer Frau nicht beraten lassen will, auch durchaus um männlichen Chauvinismus. Denn obwohl Ndali, die Frau, die er lieben lernt, bildungsmäßig weit über ihm steht, fände es Nonso eigentlich angebracht, dass sie ihre angestrebte Ausbildung sausen läßt und auf seiner Hühnerfarm arbeitet, ihn also unterstützt. Das ist sein Frauenbild. Die Frau hilft dem Mann bei seiner Arbeit. Als Nonso Ndalis Familie kennenlernt, wird ihm jedoch bewusst, dass er ihr mehr bieten muss. Damit nimmt das Unglück seinen Lauf.

Nonso ist auch ein bisschen wie Hans im Glück. Er verliert viel, gewinnt aber auch immer wieder etwas. Nur, dass es mit seiner Impulskontrolle hapert, was ihm letztlich doch alles wieder versaut. Dieses Auf und Ab, das Nonso lebt und wie er nicht in der Lage zu sein scheint, aus seinen Fehlern und Niederlagen zu lernen, ist für den Leser äußerst nervend. Doch die afrikanische Seele hat Zeit und der Autor läßt sich Zeit für seine Botschaft.

„Das Weinen der Vögel“ hat zwar einen Superplot und tiefe Bedeutung. Doch der Zugang zu dem Roman wird lediglich durch einen Chi, einen Geist, gewährt, der ebenso umständlich wie weitschweifig erzählt und vom Höxken aufs Stöxken kommt. Das Chi ruft die afrikanischen Götter an und bittet um Gnade für die Seele Nonsos. Das muss man (hinein) interpretieren. Warum das Chi vor seinen Göttern steht und für seinen Schützling spricht, wird nämlich nicht weiter erläutert. Aber was sollte es sonst dort wollen?

Diese „Anrufungen“ sind für den europäischen Leser äußerst befremdlich und da man nicht sicher weiß, was sie bewirken sollen, sorgen sie für merkliche Distanz.

Ich meine, es kommt bei dem Roman darauf an, was man will. Will man die afrikanische, insbesondere die nigerianische Seele verstehen ist „Das Weinen der Vögel“ ein guter, aber auch nervender Roman. Das Chi nervt einen ohne Ende!

Will man einen flüssigen, interessant erzählten Roman mit Zug auf das Ende hin, der dem Leser hin und wieder etwas erklärt, ist die Leküre ein mühsames Leseunterfangen. Von Spaß am Buch ist man dabei weit entfernt.

Fazit: Das Weinen der Vögel ist ein bisschen wie „Don Quichotte“, das Anrennen gegen Windmühlenschlegel, ein bisschen „Hans im Glück“ und das alles mit Geistern durchsetzt. Insbesondere auf das erzählende, redselige Geistwesen könnte der europäische Leser gut und gerne verzichten. But, may be this is Nigeria.

Kategorie. Belletristik
Verlag: Piper, 2019

 
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