Rezension Rezension (4/5*) zu Miroloi: Roman von Karen Köhler.

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
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Totengesang

Die junge Frau hat keinen Namen, keine Eltern, keinen Besitz. Als Baby wurde sie im schönsten Dorf der Insel ausgesetzt. Ihr Finder, der Bethaus-Vater, und Mariah aus dem Ort sind ihr fast wie Eltern. Doch weil sie keinen Stammnamen hat und keinen Rufnamen, muss sie Außenseiterin bleiben im Dorf. Die alten Frauen hänseln sie ebenso wie die jungen Mädchen und ohne Namen wird es ihr auch nicht vergönnt sein, zu heiraten. Muss dass denn so sein? Wieso akzeptieren die Menschen auf der Insel ihre Lebensweise? Sie bekommen regelmäßig Nachrichten von Drüben, wenn das Schiff kommt. Und doch verweigern sie sich den Veränderungen.

Eine eigenartige und rückständige Inselwelt ist es, mit der uns die Autorin bekannt macht. Da mag es eine schöne Insel sein und ein schönes Dorf, doch wie das Leben geregelt ist, mutet sehr gewöhnungsbedürftig an. Es beginnt schon damit, dass die es auf der Insel keinen Strom gibt und damit eine ganze Menge nützliche Dinge per Hand erledigt werden müssen. Die junge Frau ohne Namen ist eine der wenigen, die sich Gedanken macht, ob dieses System wirklich so erstrebenswert ist. Obwohl sie so eingeschränkt in ihren Rechten ist, hat sie dadurch sogar eher mehr Freiheiten, weil kaum jemand sie beachtet.

Was in diesem Buch über die Ideologie der Struktur zu erfahren ist, kann man teilweise nur mühsam einordnen. Vielleicht soll man das auch garnicht. Wie sich die junge Frau, die von ihrem Finder „Mein Mädchen“ genannt wird, jedoch mit dem System auseinander setzt und es für schlecht befindet, ist packend erzählt. Bis zu einem gewissen Punkt strahlt der Roman eine Leichtigkeit und Gradlinigkeit aus, von der man meint, sie könne nur ins Happyend führen. Wie auch im richtigen Leben geht nicht alles glatt, doch das Mädchen emanzipiert sich. Ihre große Kraft und ihr Durchblick machen Mut und wecken die Hoffnung, dass es doch welche gibt, die nicht der Masse hinterher rennen und ihr Unglück auch noch klasse finden, nur weil es irgendwo steht oder es irgendwer sagt. Das Mädchen sagt selbst was. Wieso dieser Roman teilweise recht kontrovers diskutiert wird, erschließt sich nicht. Die junge Frau, um die es hauptsächlich geht, überzeugt mit ihrer Art, ihrer Intelligenz und dem ruhigen Widerspruchsgeist, den sie allem und allen entgegenbringt, die es sich allzu leicht machen, in ihrem Glauben an die drei Götter und das Geschwafel der vermeintlich Herrschenden.


 
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