Rezension Rezension (5/5*) zu Stille Havel: Kriminalroman von Tim Pieper.

parden

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13. April 2014
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7.739
49
Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Stille Havel: Kriminalroman von Tim Pieper
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Für mich der bislang beste Band der Krimireihe...

Potsdam. Im Park Sanssouci wird ein Kunstsachverständiger erschlagen aufgefunden. Der Tote stellte zuletzt Recherchen zum Filmunternehmen Ufa an und zeigte außerdem auffälliges Interesse an einem Gemälde im Museum Barberini. Das wertvolle Porträt zeigt eine schwarz gekleidete Frau. Doch sie trägt einen Schleier, der ihr Gesicht verhüllt, und ihre Identität ist unbekannt. Wer ist die Geheimnisvolle? Seine Nachforschungen führen Hauptkommissar Toni Sanftleben zu einer alten Havelvilla, hinter deren Mauern sich ein schreckliches Geheimnis verbirgt.

Wer die Bücher von Tim Pieper ein wenig verfolgt, wird rasch feststellen, dass Geschichtliches für ihn von besonderem Interesse ist. Dieser Umstand hat die Ausgestaltung dieses vierten Bandes der Krimireihe um Toni Sanftleben wieder einmal erheblich mitbestimmt. Wer wiederum meine Lesegewohnheiten verfolgt, wird ebenso rasch feststellen, dass Geschichtliches in der Regel bei mir nicht im Bücherschrank zu finden ist. Weshalb also bin ich trotzdem wieder einmal so angetan?

Ein Schlagwort ist: unaufdringlich. Tim Pieper gelingt es, die historischen Sachverhalte - hier geht es in die Zeit des Nationalsozialismus zurück, in das Filmunternehmen UFA im Potsdamer Stadtteil Babelsberg und in die Zeit nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs - unaufdringlich einfließen zu lassen und dabei geschickt sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven Elementen zu verknüpfen, so dass eine fein gestrickte Geschichte entsteht, die einen der beiden tragenden Handlungsstränge ausmacht.

Ein weiteres Schlagwort ist: das richtige Maß. Der historische Rückblick hält sich hier gekonnt die Waage mit dem gegenwärtigen Kriminalfall, und der stete Wechsel zwischen den Handlungssträngen hält das Interesse des Lesers an beiden Entwicklungen hoch.

Ein besonders wichtiges Schlagwort ist dazu noch: menschlich. Es gelingt Tim Pieper, gerade im Hinblick auf die Geschehnisse während des Nationalsozialismus in Deutschland, auf eine reine Schwarz-Weiß-Malerei zu verzichten. Mit der jungen Schauspielerin Lydia, die zu dieser Zeit versucht erfolgreich zu sein, präsentiert der Autor in erster Linie einen Menschen, der einerseits zielstrebig, andererseits unischer ist und hier alles andere als eindimensional dargestellt wird. Tim Pieper verzichtet auf reines Schubladendenken und verleiht dadurch auch dem Bösen ein menschliches Gesicht.

Doch natürlich ist dies nicht in erster Linie ein historischer Roman, sondern eben ein Krimi. Und auch der kann überzeugen. Der gegenwärtige Handlungsstrang und die Geschehnisse in der Vergangenheit verweben sich zunehmend und bilden schließlich ein überzeugendes Ganzes. Toni Sanftleben und sein Team mit der toughen Gesa und dem essgestörten Phong treiben die Ermittlungen voran, wobei sich auch im Privatleben von Toni neue Entwicklungen ergeben...

Der Krimi liest sich wieder überaus flüssig, manche Passagen waren für mich sogar wunderschön formuiert. Wie immer lässt Tim Pieper den Leser bis zum Schluss im Dunkeln tappen, wer oder was hinter dem Mord an dem Kunstsachverständigen steckt. Jedesmal, wenn sich ein Verdächtiger auftut, entkräftet der Autor dies gleich wieder im nächsten Absatz. Die Auflösung der offenen Fragen war für mich gelungen, spannend und z.T. auch voller Überraschungen.

Auch wenn mich bereits die vorherigen Bände der Krimireihe überzeugen konnten (5, 4 und 5 Sterne), ist dieser Band der für mich bislang beste. Sozusagen 5+ Sterne, wenn es das gäbe. Hier stimmt für mich alles, und es war für mich das reinste Lesevergnügen.

Bleibt zu hoffen, dass weitere Bände folgen mögen!


© Parden