Rezension Rezension (5/5*) zu Als ich jung war: Roman von Norbert Gstrein.

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.383
21.192
49
Brandenburg
Buchinformationen und Rezensionen zu Als ich jung war: Roman von Norbert Gstrein
Kaufen >
Unsagbare Geschichte ungewöhnlich präsentiert!

Ist das Buch toll, obwohl es irgendwie auch langweilig ist? Ja. Ich brauchte, um mit seiner Behäbigkeit umgehen zu lernen.

Norbert Gstreins Roman „Als ich jung war“ befaßt sich mit dem Unsagbaren. Es ist unsagbar und darum sagt es der Autor auch nicht. Der Leser muss sich anhand von Franzens Lebenbericht zusammenreimen, was passiert ist.

Diese Art, eine Geschichte zu erzählen, indem sie nicht erzählt wird, ist, gelinde gesagt, ungewöhnlich. Wovon aber schreibt denn der Autor, wenn er seine Geschichte nicht erzählt, die aber gleichwohl, fast wie aus dem Nichts, lediglich durch einige Keywords ausgelöst, im Kopf des Lesers entsteht? Vom Land und von den Leuten. Von Österreich und den USA. In sehr gemächlichem Erzählton.

Da ist der junge Franz, der früh keine Illusionen mehr hat über die Menschen, über das Leben, und da ist auch sein jüngerer Bruder Viktor, der das elterliche Geschäft übernehmen wird. Die Brüder kommen aus einer „schaffigen“ Familie. Die Eltern haben zwei Hotels, ein Sommer- und ein Winterhotel und Franz muss, ob er will oder nicht, zuhause zugreifen. Im Winterhotel ist er Kellner wider Willen, plus Skilehrer und im Sommerhotel ist er Hochzeitsfotograf wider Willen. Beides prägt ihn.

Eines Tages ergreift er die Flucht und verschanzt sich vor Zugriffen jeder Art in den Staaten. Im schneereichen Wyoming, im kleinen und unscheinbaren Dörfchen Jackson, arbeitet er im Winter als mehr und mehr gefragter Skilehrer und im Sommer hält er sich mit Gelegenheitsjobs und monatlichen Zuwendungen vom Vater über Wasser. Eines Tages, durch mehrere Sportunfälle arbeitsunfähig, kommt er zurück nach Österreich in das Vaterhotel, das nunmehr dem Bruder gehört, der ihn wie einen armen Verwandten behandelt. Das ist der erzählerische Vordergrund. Doch im Untergrund rumort eine ganz andere Geschichte, voller Andeutungen und Vermutungen.

Stilsicher präsentiert der Autor dem Leser seine „unerzählte“ Story, die tiefgründiger nicht sein könnte. Erklärungen liefert er keine. Dennoch erschließt sich dem gewitzten Leser ein düsteres Bild. Denn warum sonst hätte der Autor diesen Roman schreiben sollen und worüber? Über Landschaftsbilder? Doch wohl nicht.

Der Roman ist langsam. Machen wir uns darüber nichts vor. Gemächlich fließt er dahin. Für Leser, die mehr Spannung und Action brauchen, ist er nichts.

Woher kommt der Titel? Zum Aufschluß findet sich ein Zitat. Der Autor läßt den Icherzähler Franz schon früh sagen: „Als ich jung war, glaubte ich an fast alles und später an fast gar nichts mehr, und irgendwann in dieser Zeit dürfte mir der Glaube, dürfte mir das Glauben abhanden gekommen sein“. Franz erzählt zwar von Anfang an, aber auch vom Ende her, denn es wird immer klarer, dass die Geschichte nur von ihrem Ende her verstanden werden kann.

FAZIT: Eine sublime Art des Erzählens einer nicht erzählten Geschichte, die es in sich hat, so kunstgerecht, dass manch einer sagen könnte, „What? Es ist doch gar nichts erzählt worden.“ Doch. Ist es.

Kategorie: Anspruchsvoller Roman
Auf der Longlist des Österreichischen Buchpreises
Verlag: Hanser, 2019

 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.168
49
Deine Rezension klingt total spannend, also im Sinne von interessant, anders und lesenswert!
Wenn es nicht so furchtbar viele gute Bücher geben würde.....:confused:o_O;)