Rezension Rezension (5/5*) zu Das Haus am Kongo von Wilson Collison.

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Buchinformationen und Rezensionen zu Das Haus am Kongo von Wilson Collison
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Eine Novelle

Dies ist bereits der dritte Roman, nach "Tod in Connecticut" und "Die Nacht mit Nancy", den ich von Wilson Collison lese, einem Broadway-Autor, den der Louisoder-Verlag glücklicherweise wieder aufgelegt hat.

Im Mittelpunkt seiner Romane stehen unkonventionelle junge Frauen, die für die Zeit, in der die Geschichten spielen- Anfang der 30er Jahre - emanzipiert und selbstbewusst auftreten und die vermeintlich bessere Gesellschaft mit ihren erfrischenden Ansichten schockieren.

Dieses Mal ist es die bildhübsche Blondine Dolly Bretton, eine Wahrsagerin, die aus den USA stammt und ihren Lebensunterhalt u.a. in Nachtclubs, als Stripteasetänzerin und Kellnerin verdient hat. Über ihren Hintergrund erfährt man wenig, nur dass sie in London auf Bill Shane gestoßen ist, der in den USA wegen Mord aus Eifersucht gesucht wird. Dieser nimmt sie mit der Wahrsagernummer mit nach Afrika, wobei sie ihm klare Grenzen vorgibt.

"Ich brauche keinen Mann in meinem Leben. Geschäft ist Geschäft, und ich habe keine Lust, mich so weit weg von zu Hause von Typen wie dir mit der Schlafkrankheit anstecken zu lassen." (16)

Ihr Ziel ist es, so viel Geld zu verdienen, dass die wieder in die USA zurückkehren kann, um dort ein Häuschen zu kaufen und ihre Tage "als Mädchen mit rätselhafter Vergangenheit" (20) zu verbringen.

Die Handlung setzt auf dem trägen Fluss Kongo ein, neben Dolly und Bill befindet sich Lady Essex auf einem alten Dampfer, von der Dolly denkt,
"dass sich die Engländerin schlicht und ergreifend zu ernst nahm. Und solchen Menschen stand Dolly schon per se skeptisch gegenüber. In ihren Augen waren sie bloß Wichtigtuer. Irgendwann musste schließlich jeder sterben. Was hatte es also für einen Sinn, auf andere herabzuschauen?" (25)

- sowie der Captain Finch und der Maschinist Bixby. Aufgrund eines Schadens am Kessel stranden sie im Haus des jungen Arztes Warwick - mitten in der Einsamkeit, dessen schöne Frau sich in der Einsamkeit am Kongo langweilt und die Bills Interesse weckt.

"Da fiel ihr ein, dass sie Bill warnen musste, der die Angewohnheit hatte jede hübsche Frau zu vernaschen, die seinen Weg kreuzte. Er und die Doktorsgattin hatten während des Abendessens schon Blicke gewechselt, und sie wusste, dass Bill die erstbeste Gelegenheit ergreifen würde. Erst hypnotisierte er sein Beute und dann fiel er über sie her." (49)

Dolly hingegen findet Gefallen an Dr. Warwick, der sich zum Ziel gesetzt hat, etwas gegen die Schlafkrankheit zu finden.

Wie auch in "Die Nacht mit Nancy" sind Handlungsschauplatz und -zeit klar umgrenzt und sehr "dicht", so dass die Gefühle und Gedanken der einzelnen Figuren im Mittelpunkt stehen. Aus wechselnder personaler Perspektive erfahren wir vor allem, wie Dolly und der Arzt die Ausnahmesituation erleben. Welche Auswirkungen wird der Besuch für die einzelnen Personen und ihre Beziehungen zueinander haben?

Eine stringent erzählte Geschichte, die unaufhaltsam auf den Höhepunkt zusteuert - spannend zu lesen, was vor allem an der erfrischenden Protagonistin liegt und an dem lakonisch-ironischen Stil Collisons, der die Dekadenz und Langeweile der weißen Ladies und auch Bills unter die Lupe nimmt. Ein Lesegenuss!