Rezension Rezension (5/5*) zu Der blinde Mörder: Roman von Margaret Atwood.

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Tragikomische Familiengeschichte

„Lauras Meinung nach ist Gott wie ein Radiosender, und wir sind defekte Radios, […]“ (S. 501)

Es gibt Bücher und Autor*innen, die man auf Grund der unüberschaubaren Menge an selbigen gar nicht alle kennen kann. Zum Glück gibt es aber einige, an guter und/ oder mit einem Literaturpreis ausgezeichneter Literatur (in diesem Fall der Booker Prize) interessierte Nerds, die in regelmäßigen Abständen mit Büchern um die Ecke kommen, die ich selbst nie auf dem Schirm hatte.

Doch Bildungslücken sind dazu da, geschlossen zu werden und so ließ ich mich spontan zu einer Leserunde zu Margaret Atwood´s „Der blinde Mörder“ ein und (das Fazit vorab): ich bin begeistert!

Trotz seiner knapp 700 Seiten und der arg kleinen Schrift hat sich das Buch flüssig und wie von selbst gelesen. Das liegt zum Teil an der stetig anziehenden Spannungsschraube der (Lebens-)Geschichte von Iris Chase, aus deren Sicht der ganze Roman geschrieben ist, aber auch an der Schreibweise der Mrs. Atwood, die ein feines Gespür für Humor, für philosophische Gedanken (beides nachzulesen in den diese Rezension einrahmenden Zitaten), aber auch für Gesellschaftskritik (häufig zwischen den Zeilen und wenn offen, dann niemals plakativ!) hat.

Wenn man es genau betrachtet, bietet „Der blinde Mörder“ wie ein Überraschungsei (Spannung, Spaß und Schokolade *g*) drei Geschichten: die Lebensgeschichte von Iris, den Roman „Der blinde Mörder“ (ja, es geht in der Tat um einen Roman dieses Namens) sowie innerhalb des „blinden Mörders“ eine teils kuriose Science-Fiction-Story. Der Sinn hinter der Story hinter der Story hinter der Story erschließt sich nicht auf den ersten Blick und die geneigte Leserschaft muss (fast) bis zum grandiosen Finale warten, bis alle Puzzleteile an ihrem Platz sind, alle Geschichten einen Sinn ergeben – großartig, wie und was Mrs. Atwood hier „komponiert“ hat. Sie führt den Leser bewusst auf falsche Fährten und wenn man denkt „Ich weiß die Lösung“ – peng, kommt eine Wendung, die man nicht vermutet und alles ist für die Katz *g*. Hier erinnert mich Margaret Atwood an ihre von mir hoch geschätzte Kollegin Agatha Christie, in deren Krimis ich aufgegeben habe, mitzuraten, wer der Mörder ist, weil am Ende eh alles anders kommt, als man denkt.

Von mir bekommt „Der blinde Mörder“ eine definitive Leseempfehlung und es wird garantiert nicht das letzte Buch von Margaret Atwood gewesen sein, was ich lese bzw. gelesen habe. 5*

„Das Foto spricht von Glück, die Geschichte nicht. Glück ist ein von Glas umschlossener Garten: es gibt keinen Weg hinein oder hinaus. Im Paradies gibt es keine Geschichten, weil es keine Reisen gibt. Verlust und Bedauern und Unglück und Sehnsucht – sie treiben die Geschichte voran, auf ihrem gewundenen Weg.“ (S. 686)


 

Literaturhexle

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2. April 2017
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/ oder mit einem Literaturpreis ausgezeichneter Literatur (in diesem Fall der Booker Prize) interessierte Nerds, die in regelmäßigen Abständen mit Büchern um die Ecke kommen, die ich selbst nie auf dem Schirm hatte.
Du bezeichnest uns doch wohl nicht hier in aller Öffentlichkeit als "Nerds" ?!?:(:mad::p

Darüber hinaus hast du eine gewohnt gute und aussagekräftige Rezension geschrieben, die ich in Gänze so unterschreibe ;)