2. Leseabschnitt: S. 56 bis 117

Anjuta

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8. Januar 2016
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62
Essen
Der Ton bleibt leicht und beschwingt und Thomas erzählt von seinem Leben, taucht immer mal wieder ein in die Vergangenheit, kommt aber auch in der Gegenwart an. Sein Leben verändert sich deutlich durch den Mauerfall, er nutzt neue Möglichkeiten und probiert sich in Berlin aus. Aus seiner Heimat Rostock bleiben ihm die Geschehnisse vor der Flüchtlingsunterkunft in Rostock-Lichtenhagen sehr anschaulich vor Augen und im Gedächtnis. Die "Glatzen" sind ihm dabei sehr unheimlich und Angst einflößend. Die bürgerliche Existenz seiner Eltern als Drogeriebesitzer bröckelt und zerbricht an marktwirtschaftlichen Herausforderungen und sich der daraus ergebenden Existenz. Thomas Mutter wird zur "Schleckerfrau". Thomas Vater treibt das sogar in den Selbstmord. Dennoch wird der Ton nicht zerknirscht und weinerlich, sondern bleibt beschwingt und humorig im Ton. Das liest sich sehr angenehm! Und es bleibt auch so, als Thomas eigenes, privates Leben als mehr oder weniger erfolgreicher Anwalt einen starken (Ab)Bruch erlebt, da ihn seine Frau und Kinder verlassen. Welche Rolle spielt dabei Daniel? Ein großes Fragezeichen, das für mich am Ende des 2. LA steht und mich mit Spannung auf die folgenden Kapitel schauen lässt.
 

ElisabethBulitta

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8. November 2018
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Geschichtlich befinden wir uns nun in den Neunzigern. Christine ergreift die Chance und geht gleich mal in den Westen, nach Hamburg. Auch werden hier einige Probleme benannt, die mit der Wiedervereinigung kamen, die aber so wohl nicht geplant waren (nun ja, was kann man schon planen im Leben?). Thomas' Vater ist an der Markwirtschaft gescheitert und bringt sich um, Daniel ist arbeitslos (kassiert allerdings Stütze), der Westen beutet mehr oder weniger den Osten aus und schließlich gibt es noch Lichtenhagen und das Drumherum. Daniel und Thomas scheinen aber mit den Lockerungen umzugehen ... nun ja, trotz allem steht ihnen das Leben ja auch noch offen - und wahrscheinlich offener als vorher. Nachdem Daniel von Neonazis zusammengeschlagen wurde, geht er nach Berlin, schließlich folgt ihm auch Thomas. Beide genießen das Leben, wobei Daniel ein bisschen zu versumpfen scheint.
Ich denke mal, dass die Probleme von Thomas' Mutter mit Schlecker der Grund sind, warum er auf Jura umsteigt.

In der Gegenwart scheint sich Thomas nicht mehr so ganz auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Genau wie ich rätselt er, warum Stephanie ihn verlassen hat. Die Sache mit der Vase ist hart. Und dann auch noch lachen - nun ja, wahrscheinlich eine Überprunghandlung oder ein Reflex.
Interessant finde ich auch, dass Stephanie jetzt wohl bei Daniel ist. Was die beiden wohl im Schilde führen?
Auch jetzt werden aktuelle Probleme angesprochen, hier die Scheinselbstständigkeit.
Aber alles nach wie vor locker-flockig, was mir ebenfalls gefällt.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Aus seiner Heimat Rostock bleiben ihm die Geschehnisse vor der Flüchtlingsunterkunft in Rostock-Lichtenhagen sehr anschaulich vor Augen und im Gedächtnis.
Sie bleiben ihm zwar im Gedächtnis und der Ich-Erzähler führt sie uns wieder vor Augen, ich hatte jedoch den Eindruck, als ob gerade Thomas sich zum damaligen Zeitpunkt weniger Gedanken darum gemacht hat. Bisher tritt er uns nicht gerade als Held entgegen. Weder lässt er sich auf Streitigkeiten mit Skinny ein noch hilft er Daniel. Natürlich ist das aufgrund der schieren Überzahl verständlich, doch er selbst scheint sich durchaus Vorwürfe zu machen, warum sollte er sonst betonen, dass Daniel dies nicht gemacht habe. Als Sympathieträger taugt die Hauptfigur weniger - nichtsdestotrotz ist der Ton locker und heiter und angenehm zu lesen.
Spannend ist, was Stefanie bei Daniel zu suchen hat.
 
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Der Ton bleibt leicht und locker und reißt mich richtig mit. Ich denke "Alles richtig gemacht" wird nicht das letzte Buch gewesen sein, welches mir von Gregor Sander vor die Augen kommt. Ich kann mir nicht helfen, aber ich muss die ganze Zeit an "Als wir träumten" denken. Der Ton erinnert mich an diesen Film, auch wenn es da um eine ganz andere Generation geht.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Die Geschichte geht weiter, die Wende kommt und Christine geht nach Hamburg, Daniel und Thomas bleiben in Rostock und Daniel wird arbeitslos und Thomas leistet seinen Grundwehrdienst ab und beide larvieren sich durchs Leben.

Die Verhältnisse im Osten werden für meine Begriffe gut dargestellt, es wird darüber gesprochen, dass die Nazis wie Pilze aus dem Boden sprossen. Dies ist etwas was auch ich so empfunden habe. Das Skinny auf dem rechten Schulterblatt einen Che tätowiert hat und auf dem Unterarm Deutschland den Deutschen steht, zeigt ebenso eine gewisse Wendebereitschaft der aus dem Boden schießenden Pilze. Auch die Verhältnisse um Lichtenhagen werden dargestellt und interessante Vermutungen dazu. Ich weiß noch wie fassungslos ich das im Fernsehen betrachtete und mich fragte, warum keiner etwas dagegen macht. Wie so etwas geschehen kann und auch der Staat nicht einschreitet. Sehr eigenartig. Vor gar nicht so langer Zeit ist gegen Demonstranten ganz anders vorgegangen worden und hier wird einfach zugeschaut. Warum? Ich weiß beides kann man eigentlich nicht vergleichen, aber sonderbar ist das schon. Ich weiß auch noch, dass ich über die überall aufkommende Gewalt zwischen linken und rechten Gruppierungen recht schockiert war. Als Daniel von den Nazis zusammengeschlagen wurde und Thomas zugeschaut hat und nichts tun konnte. Daniel hat Thomas das nie vorgeworfen. In der Schule war es ja ähnlich. Aber trotzdem wird das an Daniel nagen, genauso wie es auch an Thomas nagt.

Daniel zieht als Erster weg von Rostock. Das ist nachvollziehbar. Es geht nach Berlin. Thomas zieht später auch nach Berlin. Seine Freundin Kerstin begleitet ihn nach Berlin. Alle larvieren sich weiter durchs Leben, genießen ihre Jugend, haben Spaß. Wobei mir die Szene mit der Mutter nicht ganz so gefällt, man kann ja Spaß haben, aber so etwas vergessen. Hhmm??? Ich finde auch das Berichten über das Schicksal von Thomas Vater recht gefühlskalt, nach dem Selbstmord trifft es Thomas doch, aber hätte man etwas ahnen können. Gut, dass setzt wieder eine gewisse Kommunikation voraus. Und ob der Vater dem Sohn eingestehen kann, dass die geliebte Drogerie den Bach runtergeht. Wahrscheinlich eher nicht. Jedenfalls ist die Situation der Mutter recht schwierig, ebenso die Situation des Sohnes, der sich das im Ecstasy Rausch anhört, tragisch, lustig, traurig zugleich.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Was hier in diesem Leseabschnitt etwas zu kurz kommt ist die heutige Situation. Thomas unterstützt in seiner Position als Anwalt den Miethai und überfährt eine alte Dame, um ihr dubiose Verträge anzubieten. Dabei sieht er Stephanie bei Thomas. Doch warum wundert ihn das. Die beiden werden sich doch kennen. … Hhmm???
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Sie bleiben ihm zwar im Gedächtnis und der Ich-Erzähler führt sie uns wieder vor Augen, ich hatte jedoch den Eindruck, als ob gerade Thomas sich zum damaligen Zeitpunkt weniger Gedanken darum gemacht hat. Bisher tritt er uns nicht gerade als Held entgegen. Weder lässt er sich auf Streitigkeiten mit Skinny ein noch hilft er Daniel. Natürlich ist das aufgrund der schieren Überzahl verständlich, doch er selbst scheint sich durchaus Vorwürfe zu machen, warum sollte er sonst betonen, dass Daniel dies nicht gemacht habe. Als Sympathieträger taugt die Hauptfigur weniger - nichtsdestotrotz ist der Ton locker und heiter und angenehm zu lesen.
Spannend ist, was Stefanie bei Daniel zu suchen hat.
Stimmt, ein Held ist Thomas nicht, genau das macht ihm auch zu schaffen, wie ich meine.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Genau wie ich rätselt er, warum Stephanie ihn verlassen hat. Die Sache mit der Vase ist hart. Und dann auch noch lachen - nun ja, wahrscheinlich eine Überprunghandlung oder ein Reflex.
Interessant finde ich auch, dass Stephanie jetzt wohl bei Daniel ist. Was die beiden wohl im Schilde führen?
Hier wird es sicher noch interessant werden. Zwischen Thomas und Stephanie scheint ja einiges im Argen zu sein. Die Kommunikation zwischen ihnen klingt nicht so sonnig. Dafür wird es Gründe geben.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Auch von Christine hört man, außer dass sie nach Hamburg gegangen ist, nichts mehr. Was ich irgendwie schade finde. Christine ist ein sehr interessanter Charakter.
 
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ElisabethBulitta

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8. November 2018
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Was hier in diesem Leseabschnitt etwas zu kurz kommt ist die heutige Situation. Thomas unterstützt in seiner Position als Anwalt den Miethai und überfährt eine alte Dame, um ihr dubiose Verträge anzubieten. Dabei sieht er Stephanie bei Thomas. Doch warum wundert ihn das. Die beiden werden sich doch kennen. … Hhmm???

Sie kennen sich, das stimmt. Aber ich denke, es wundert ihn, weil Daniel so unverhofft aufgetaucht ist. Und in etwas zeitgleich ist Stephanie verschwunden bzw. hat ihn verlassen. Das gibt zu denken.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Stimmt, ein Held ist Thomas nicht, genau das macht ihm auch zu schaffen, wie ich meine.
Das hat für mich nichts mit Heldentum oder nicht zu tun, wie ich meine. Er hat die richtige Einstellung, sieht sich selbst allerdings garantiert nicht als „Zecke“ oder Antifa-Kämpfer. So wie ihm ging es vielen aus meinem Umfeld, ungewollt in gefährliche Situationen hineingezogen nahm man besser die Beine in die Hand (ich weiß nicht, wie oft ich ab 1991 durch z.B Weimar gerannt bin, wo mein damaliger Freund studierte, dort gab es abends auf den Straßen richtig böse Nazis, genau wie im Roman beschrieben, und das trotz der vielen Studenten. Es genügte wie ein Student auszusehen, um in deren Fokus zu geraten, und allein oder ohne Baseballschläger u Co waren die nie)
Thomas wäre einfach ein weiteres Opfer geworden. Tja, und Anzeige gegen rechte Schläger brachte damals gar nichts, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.
Daniel lebt mehr am Limit als Thomas, in vielerlei Hinsicht.

Insgesamt mag ich den Roman sehr, auch wenn die Geschichte in der Gegenwart für mich gerade ein bisschen stagniert. Ich bekomme den heutigen Thomas schlecht zu fassen, der frühere gibt sich schon eher preis. Aber das ist sicher so gewollt.

Mir ist die Szene mit Thomas Mutter sehr im Gedächtnis geblieben. Wie leichtfüßig Thomas über ihr Leid hinweg steigt, er empfiehlt ihr die Hilfe der Gewerkschaft oder eines Anwaltes. In diesem Fall verhält er sich in meinen Augen verantwortungslos, denn die Schulden, die sein Vater hinterließ, lasten offenbar allein auf der Mutter, und er unterstützt nicht. Wo ist die Nähe, von der der Autor zu Beginn der Begegnung der beiden (nach denn Selbstmord des Vaters) schreibt? In meinen Augen sind sie nicht enger zueinander gerückt. Aber vielleicht kommt das ja noch...
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Insgesamt mag ich den Roman sehr, auch wenn die Geschichte in der Gegenwart für mich gerade ein bisschen stagniert. Ich bekomme den heutigen Thomas schlecht zu fassen, der frühere gibt sich schon eher preis. Aber das ist sicher so gewollt.
Ich finde eure Ausführungen sehr interessant @renee und @KrimiElse!
Ich kann wohl die 80/90er Jahre nachvollziehen, aber das Leben im Osten nach der Wende bleibt mir natürlich verborgen. Dass die Nazis damals schon ein Thema waren - keine Ahnung!

Ich finde auch, dass sich die Seiten flüssig lesen, aber mir fehlt da auch noch der Sog, das Ziel. Wo will die Geschichte hin?

Der Stil ist locker. Aber manches Ernste muss aufpassen, dass es nicht verschluckt wird. Wie tragisch ist es, dass die Drogerie des Vaters das über Jahre erworbene Vermögen der Eheleute aufgezehrt hat - nur weil der Vater die Zeichen der Zeit nicht lesen konnte. Die Mutter bleibt allein und mit Schulden zurück und muss sich bei Schlecker verdingen; einem Laden, über dessen Machenschaften wir heute auch mehr wissen als damals.

Die Mutter kommt zum Sohn mit ihrer Last und der hat sich Drogen eingeworfen und sieht ihre Verzweiflung nicht... Ich finde das nicht witzig.

Die Geschichte wird ja aus Thomas' Perspektive erzählt. Manchmal ist mir das etwas zu süffisant. Ich bin aber gespannt wie ihr, wie es weiter geht - gerade in der Gegenwart. Das mit Daniel und Stephanie in einer Wohnung halte ich ebenfalls nicht für Zufall.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Dass die Nazis damals schon ein Thema waren - keine Ahnung!
Das war tatsächlich so, und ich habe das damals als viel schlimmer und in der Öffentlichkeit als viel gewalttätiger empfunden als heute. Und vor allem ist aufgefallen, dass Behörden und Polizei weggeschaut haben, auf dem rechten Auge oft blind gewesen sind.
Rostock Lichtenhagen, was damals durch alle Medien zog, die tagelangen Übergriffe auf Asylanten und Ausländer und die vielen Menschen, die den Nazis öffentlich Beifall spendeten, was auf den ersten Blick keinen störte, war leider keine Ausnahme. Aber nicht alle neonazistischen Übergriffe eskalierten in Feuer, und so wurde vieles einfach unter den Tisch gekehrt. Leider.
Einer meiner besten Kumpel wurde zum Beispiel, als er allein auf dem Heimweg abends durch Plauen war, von Neonazis mit Baseballschlägern aus Metall krankenhausreif zusammengeschlagen, weil er eine bunt karierte Hose anhatte und nicht schnell genug gerannt ist, und als er Anzeige erstattete wurde nur müde gelächelt wegen der Zeitverschwendung, die er verursache.
Gottseidank hat sich das etwas gewandelt, auch wenn es immer noch so ist, dass für Demonstrationen vom Dritten Weg in Plauen andere Regeln hinsichtlich Vermummung und Schildkrötenformation, verbotene und an die HJ erinnernde und angstmachende Symbolik zu gelten scheinen als bei anderen Demonstrationen, wie man auch in diesem Jahr wieder in allen Medien sehen konnte.
Entschuldigung, aber das macht mich immer noch maßlos wütend.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Der Stil ist locker. Aber manches Ernste muss aufpassen, dass es nicht verschluckt wird. Wie tragisch ist es, dass die Drogerie des Vaters das über Jahre erworbene Vermögen der Eheleute aufgezehrt hat - nur weil der Vater die Zeichen der Zeit nicht lesen konnte. Die Mutter bleibt allein und mit Schulden zurück und muss sich bei Schlecker verdingen; einem Laden, über dessen Machenschaften wir heute auch mehr wissen als damals.

Die Mutter kommt zum Sohn mit ihrer Last und der hat sich Drogen eingeworfen und sieht ihre Verzweiflung nicht... Ich finde das nicht witzig.

Da hast recht, im Schwelgen in Vergangenen verschluckt die Geschichte manche schlimmen Sachen, die passierten.
Ich denke, dass man auch das, wenn man im Osten der Wendezeit gelebt hat, anders aufnimmt. Mir genügen diese Andeutungen, denn es war für uns an der Tagesordnung, dass vieles den Bach runterging, Menschen vor dem beruflichen Aus standen und arbeitslos waren oder völlig unterbezahlt ihr Leben fristeten für irgendeinen Riesen. Mein Vater zum Beispiel wurde als Maschinenbauingenieur in der Textilindustrie nicht mehr gebraucht und wurde arbeitslos. Er hat mit 50 Jahren nochmal die Uni besucht und einen Jura-Abschluß gemacht, um nicht irgendwo hineingestopft zu werden oder nur die Hand aufzuhalten.
In Mecklenburg-Vorpommern war das damals besonders hart für die Menschen, ich weiß von Gegenden auf die Insel Rügen, da betrug die Arbeitslosigkeit Anfang der 90er Jahre 50% und darüber, und die Menschen soffen sich einfach die Seele aus dem Leib. Ich weiß das, weil ich Anfang der 1990er Jahre noch oft im Norden der Insel gewesen bin, bevor sie zum Urlaubsdomizil verschönert wurde.
Wer damals im Westen lebte, hat solche Details sicher nicht so mitbekommen, denn so spannend waren Meldungen über den Niedergang der Wirtschaft im Osten und auf der Strecke bleibenden Menschen damals einfach nicht.

Also: trotz der Leichtigkeit und der süffisanten Art von Thomas gefällt mir das Buch, oder vielleicht gerade deswegen.
Und nein, ich wollte nicht jammern, falls es sich so angehört haben sollte, auch im vorherigen Beitrag. Mir ging es immer gut und dass ich in dieser Zeit das Kämpfen gelernt habe, weil ich mein Studium komplett selbst finanzieren musste, und es viele auch ungewollte Veränderungen gab hat mir nicht geschadet.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das war tatsächlich so, und ich habe das damals als viel schlimmer und in der Öffentlichkeit als viel gewalttätiger empfunden als heute. Und vor allem ist aufgefallen, dass Behörden und Polizei weggeschaut haben, auf dem rechten Auge oft blind gewesen sind.
Rostock Lichtenhagen, was damals durch alle Medien zog, die tagelangen Übergriffe auf Asylanten und Ausländer und die vielen Menschen, die den Nazis öffentlich Beifall spendeten, was auf den ersten Blick keinen störte, war leider keine Ausnahme. Aber nicht alle neonazistischen Übergriffe eskalierten in Feuer, und so wurde vieles einfach unter den Tisch gekehrt. Leider.
Einer meiner besten Kumpel wurde zum Beispiel, als er allein auf dem Heimweg abends durch Plauen war, von Neonazis mit Baseballschlägern aus Metall krankenhausreif zusammengeschlagen, weil er eine bunt karierte Hose anhatte und nicht schnell genug gerannt ist, und als er Anzeige erstattete wurde nur müde gelächelt wegen der Zeitverschwendung, die er verursache.
Gottseidank hat sich das etwas gewandelt, auch wenn es immer noch so ist, dass für Demonstrationen vom Dritten Weg in Plauen andere Regeln hinsichtlich Vermummung und Schildkrötenformation, verbotene und an die HJ erinnernde und angstmachende Symbolik zu gelten scheinen als bei anderen Demonstrationen, wie man auch in diesem Jahr wieder in allen Medien sehen konnte.
Entschuldigung, aber das macht mich immer noch maßlos wütend.
Dann ist der Nationalsozialismus schon unmittelbar nach der Wende aufgebrochen im Osten. Ich hatte immer gedacht, er sei erst später, als die Leute keine Arbeit mehr hatten, nicht Schritt halten könnten, unzufrieden waren.... entstanden.

Dann gab es auch Fremdenfeindlichkeit viel eher?

Woher kommt das? Hat man den Nazi-Terror nicht richtig verarbeitet im Osten?
Oh, ich sehe schon, ich drifte wieder ab o_O
 

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
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Wadern
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Ich finde eure Ausführungen sehr interessant @renee und @KrimiElse!
Ich kann wohl die 80/90er Jahre nachvollziehen, aber das Leben im Osten nach der Wende bleibt mir natürlich verborgen. Dass die Nazis damals schon ein Thema waren - keine Ahnung!
Ich finde eure Ausführungen @KrimiElse und @renee auch sehr interessant, gleichzeitig erschreckend. Als Saarländerin habe ich meine Studentinnenzeit während der Wendezeit im äußersten Westen der Republik erlebt und den rechtsextremen Alltag nur in den Medien wahrgenommen, nie selbst erlebt. Da darf man sich kein Urteil erlauben, umso besser, dass wir den Roman gemeinsam lesen und ihr die Hintergrundinformationen liefern könnt.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Mir genügen diese Andeutungen, denn es war für uns an der Tagesordnung, dass vieles den Bach runterging, Menschen vor dem beruflichen Aus standen und arbeitslos waren oder völlig unterbezahlt ihr Leben fristeten für irgendeinen Riesen.
Das leuchtet mir komplett ein! Die Meldungen gab Es, aber wir als Familie hatten keinerlei Bezug zum Osten. Daher waren die Berichte mehr oder weniger anonym. Außerdem hatte ich eine solche Euphorie angesichts der Wiedervereinigung, dass ich das nur für vorübergehend hielt (blühende Landschaften ;))
Er hat mit 50 Jahren nochmal die Uni besucht und einen Jura-Abschluß gemacht
Lob und Anerkennung!
Und nein, ich wollte nicht jammern, falls es sich so angehört haben sollte, auch im vorherigen Beitrag
Nein, das hat sich gar nicht so angehört . Es bereichert meinen Blickwinkel - gerade bei dieser Geschichte immens. Nur weiter so!!!