3. Leseabschnitt: Kapitel IV. und V. bis incl. "Das Knopffabrik-Picknick"

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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Wenn du den Abschnitt zu Ende liest, wirst du wahrscheinlich deine Theorie wieder ändern, denn es ist Laura, die den Agitator Alex, ein Freund ihrer "Stiefmutter", der Künstlerin, die inzwischen bei den Chases lebt, zum Dinner einlädt, nachdem sie ihn auf dem Knopffabrik- Picknick der Firma kennengelernt hat- auf dem auch jenes Foto entsteht, von dem im Vorwort des Romans "Der Blinde Mörder" von Laura Chase die Rede ist.
"Und dann machte er mit seiner Blitzlichtkamera ein Foto von uns. (...) Alex Thomas hob die Hand, als wolle er ihn abwehren."
Genau diese Geste wird auch zu Beginn des "Blinden Mörders" beschrieben - die Hand gehört wohl Iris (?)
Zum ersten Mal berühren sich offensichtlich die Geschichte, die Iris erzählt - die Familiengeschichte - mit der fiktiven Geschichte des Liebespaares, die (wahrscheinlich) Laura verfasst hat und die posthum veröffentlicht wurde.
Die Sache mit dem Bild ist raffiniert gemacht von der Autorin. Sie will uns Leser wohl verwirren oder lange im Unklaren lassen, wer neben Alex zu sehen ist und wem die Hand gehört. Am Anfang des Buches heißt es ja nur: "Sie besitzt nur ein Bild von ihm. Wer "Sie" ist, bleibt offen.

Dies hat mir auch sehr gefallen. Ein Foto, auf dem eine Frau zu sehen ist und von der anderen nur die Hand. Doch wer ist welche Frau? Interessantes Verwechslungsspiel! Gefällt mir sehr!
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Und der zweite Teil des Abschnittes sind wieder die Erinnerungen von Iris. Die beiden Geschwister müssen mit dem Tod der Mutter zurechtkommen, Laura tut dies sehr kindlich, und von Iris wird verlangt, dass sie sich um ihre kleine Schwester kümmern soll. Wo ist ihr Platz für Trauer? Laura hat ihre Stütze Inn Iris, aber was ist mit ihr?
Der Vater hat sein eigenes Leben, Renie ist zwar da, aber mir scheint es nicht so, dass sie den leeren Platz füllen kann, auch wenn sie sich für die Mädchen (mit allen Mitteln, die sie hat) einsetzt. Irgendwie scheint es denn Vater jahrelang egal zu sein, was aus der Bildung und Erziehung seiner Kinder wird, und dann, als er Strenge und Ordnung will, gerät er an einen Päderasten...Renie muss eingreifen, aber ich denke, für Laura war es da bereits zu spät. Es gibt eine Andeutung, dass sie sich im Glauben verliert (und sich von Iris abwendet?)
Das empfinde ich auch so.
Die Mädchen leben sehr isoliert von der Umwelt. Sie kleben zu stark aneinander. Das ist für beide Mädchen nicht gut, besonders für Iris eine zu große Last. Ich könnte mir vorstellen, dass es viel gesünder wäre, wenn sie einen Freundeskreis hätten, oder normale Lehrer in der Schule...aber das war aus verschiedenen Gründen wohl nicht möglich. Hier hätte sich der Vater mehr bemühen müssen, aber dieser scheint die Mädchen kaum wahr zu nehmen. Er ist mit der Bewältigung seines eigenen Schicksals zu sehr beschäftigt. Mit dem Denkmal für den traurigen Soldaten und der Bekanntschaft mit der Künstlerin scheint es dem Vater nun besser zu gehen.
Ihre ambivalenten Gefühle für Laura offenbaren sich in ihrer Rettungsaktion: "Wie schwer war es gewesen, sie festzuhalten. Wie nah ich daran gewesen war, sie loszulassen."
Sie empfindet die Verantwortung für die Schwester, die mit dem Sprung ins Wasser einen Selbstmordversuch (bewusst?) unternommen hat, als Bürde, ebenso wie das Offenlegen der Familiengeschichte.
Eine Passage auf S. 224 oben hat mich nachdenklich gemacht. Iris beschreibt Laura als gutgläubig, fast naiv, und sagt, „Ein bisschen Ungläubigkeit wäre eine erste Verteidigungslinie gewesen.“ Das liest sich wie ein böses Omen.

Lauras Selbstmordversuch als Kind zeigt wie schwer der Verlust der Mutter für sie war und wirft zugleich auch einen in meinen Augen sehr bedeutungsschwangeren Blick in die Zukunft.
Und Iris in ihrer Situation ist nicht zu beneiden. Ein Kind, welches gezwungen ist schnell erwachsen zu werden, kein Kind mehr sein darf. Auch dies wird Folgen haben.

Und alles zeigt die ungeheure Beobachtungsgabe einer Margaret Atwood. :)
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Manche Sätze und Formulierungen innerhalb der Geschichte "Der blinde Mörder" lassen mich glauben, dass Iris die Verfasserin selbiger ist. Die Beschreibung des Cafés am Anfang des Abschnitts hat mich sofort an "Betty´s" erinnert; ebenso die Erwähnung bezüglich der Erinnerungen (ich finde die Stelle jetzt gerade leider nicht :rolleyes:) - etwas verwirrend, aber nach wie vor großartig.
Jetzt geht´s mir Iris´ Geschichte weiter :).
Ich denke fast, es haben alle drei mitgewirkt, Iris, Laura und Alex.
 

MRO1975

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Die Frau und der Agitator, ich sehe dies auch ähnlich wie @Leseglück , ich vermute hinter der Geliebten auch Iris. Auch ich traue bestimmte Reaktionen Laura einfach nicht zu. Aber gut. Wir werden es noch erfahren.

Ja, das vermute ich auch immer mehr. Iris hätte als unglücklich verheiratete Frau ja auch allen Grund, heimlich einen Liebhaber zu haben. Ich habe ein paar mal zurückgeblättert, aber ich habe bislang nicht den kleinsten Hinweis gefunden. Das hat Atwood echt gut gemacht. ;)
 

KrimiElse

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Ich habe gemeint, dass alle drei bei der Geschichte "Der blinde Mörder mitgewirkt haben. Aber zwischen allen dreien hat es auch noch mehr gegeben, da wirst du recht haben. Das kommt sicher noch.
Hmmmm...mal sehen. Ich bin mir inzwischen unschlüssig mit meiner Theorie.
Ich dachte, dass Iris die Geschichte schrieb u d auch die Geliebte von Alex aus der Geschichte gewesen ist, ihn Laura wegnahm oder er sich ihr zuwendete, Aber ich weiß nicht recht...
 

Literaturhexle

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Für mich ist es eigentlich im Augenblick gar nicht so wichtig, wer was schreibt. Ich empfinde die komplette Handlung als sehr spannend. Es wird sich schon noch auflösen.
 
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ulrikerabe

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Meine Theorie war und ist immer noch, dass die Frau aus der "Geschichte" Iris ist. Die Ehe mit Richard war wahrscheinlich eine Vernunft- und Geldehe. Ganz zu Anfang, anchdem sie vom Tod der Schwester erfahren hat, nimmt Iris die Hefte aus einer Schublade. Nichts weist darauf hin, dass diese Hefte von Laura sind.

Laura stürzt sich als Kind in den Fluss. Damit Gott die Mutter wieder zurückbringt. Als Erwachsene fährt sie mit dem Auto in den Fluss und stirbt. Wen sollte Gott "wieder zurückbringen". Alex?

Ich mag Iris' bissige Art, die hatte sie schon als junge Frau, später noch viel mehr.
"Wenn wir das nächste Mal nichts machen, werden wir uns in den Büschen verstecken." :)