1. Leseabschnitt: Kapitel I. bis II.

Leseglück

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7. Juni 2017
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Von Margarete Atwood hatte ich vor vielen Jahren Oryx und Crake gelesen, was einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Jetzt also mein zweites Buch von dieser Autorin.

In den ersten zwei Kapiteln gibt es vier Zeitungsartikel, die die wichtigen Personen und deren Schicksal verraten.

1945: Laura Chase stibt im Alter von 25 Jahren. Sie begeht Selbstmord indem sie ihr Auto über eine Brücke steuert.

1947: Richard Griffen stirbt. Er ist der Ehemann von Iris Chase, der Schwester von Laura. In dem Zeitungsartikel seht außerdem, dass Richard eine Schwester hat: Winifred Prior. Aimee, die Tochter von Richard und Iris ist zu dem Zeitpunkt 10 Jahre alt.

1975 :Aimee stirbt nach Alkohol- und Drogenproblemen, ihre Tochter Sabrina ist zu dem Zeitpunkt 4 Jahre alt.

Hier fand ich überraschend, dass Sabrina in die Obhut von Winifred Prior gekommen ist und nicht - wie man erwarten würde - in die Obhut ihrer Großmutter Iris. Ich denke, dass sich hier ein tiefer Konflikt abzeichnet.

1998: in diesem Zeitungsartikel erfahren wir vom Tod Winifreds.

Außer diesen Zeitungsartikeln gibt es einen Handlungsstrang, der von den geheimen Treffen von einem Mann und einer jungen Frau erzählt (Alex und Laura). Dabei umgarnt der Mann das Mädchen, indem er ihr eine Geschichte, einen science fiction erzählt, die Geschichte der blinden Mörder.
Ich fand diese Geschichte unglaublich brutal, es ist fast nicht auszuhalten.
Sicher will Alex damit die Brutalität von Machtverhältnissen und Ausbeutung zeigen...aber auch das Mädchen an sich binden, denn die Geschichte hat eine starke Sogwirkung.

Ein starker Einstieg in den Roman, spannend und sprachlich super, wie ich finde.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Danke @Leseglück für die Zusammenfassung.

Das Buch hat mich gepackt, nachdem ich auf den ersten paar Seiten gerätselt hatte, in welche Richtung es geht. Mir gefallen die Zeitanker als Zeitungsausschnitte, anhand derer man die Personen zuordnen kann.

Wirklich spannend ist allerdings die Geschichte des Liebespaares, innerhalb derer eine Dystopie erzählt wird.
Das heimliche Treffen der beiden, die Missverständnisse, weil Verbindungen füreinander fehlen und beide offenbar unterschiedliche Dinge wollen. Er scheint sie nur zu Begehren, aber das könnte trügen. Sie gaukelt sich selbst Liebe vor, oder liebt ihn wirklich, das ist mir noch nicht ganz klar. Die Treffen scheinen auch gefährlich zu sein - er wird offenbar verfolgt - warum? Für mich steht damit ihre Bereitwilligkeit, sich ihm hinzugeben auch mit der Gefährlichkeit und dem Verbotenen in Verbindung.
Ist sie Laura? Habe ich das überlesen?
@Leseglück schrieb von Alex und Laura...

Die Dystopie innerhalb der Geschichte erinnert nicht nur dem Wortlaut nach an alte Kulturgeschichten der Menschheit. Herren und Sklaven, Blutopfer und das Freikaufen der Reichen von denselben sind verankert mit der Geschichte verschiedener alter Völker.
(@renee kann uns da sicher besser als ich erleuchten...)
Besonders hängen geblieben ist mir die Passage mit den Blinden Kindern. Nur die Blinden sind frei, tun das was sie wollen, erbarmungslos. Sehende Kinder werden als Arbeitssklaven ausgebeutet und erträumen sich die Blindheit.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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dass Sabrina in die Obhut von Winifred Prior gekommen ist und nicht - wie man erwarten würde - in die Obhut ihrer Großmutter Iris.
Das hat mich auch verwundert.
Sicher will Alex damit die Brutalität von Machtverhältnissen und Ausbeutung zeigen...
Ja. Das deutet das Mädchen auch an. Er muss politisch aktiv und vielleicht ein Kommunist sein. Das Mädchen begeht ja einen Frevel, weil sie sich mit ihm trifft. Manche Stellen sind in diesem Zusammenhang auch humorig: "Das Auto ist ein Armeleuteauto, in dem sich eine Frau wie du sich nicht einmal tot erwischen lassen würde." Teilweise spotten sie über den Standesunterschied, teilweise wird er aber auch bitterernst...
Ist sie Laura? Habe ich das überlesen?
@Leseglück schrieb von Alex und Laura...
Aus meiner Sicht kann man Laura aufgrund des Fotos vermuten, auch ist sie die Autorin und hat ihrer Schwester die Hefte hinterlassen. Aber explizit habe ich das auch noch nicht gelesen .
HALT: Ich sehe gerade: im Klappentext steht es ;)
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Besonders hängen geblieben ist mir die Passage mit den Blinden Kindern. Nur die Blinden sind frei, tun das was sie wollen, erbarmungslos. Sehende Kinder werden als Arbeitssklaven ausgebeutet und erträumen sich die Blindheit.
Hier wird auch auf die Geschicklichkeit der blinden Mörder das erste Mal hingewiesen. Immerhin ist einer von ihnen der Titelgeber für das Buch.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Das hat mich auch verwundert.

Ja. Das deutet das Mädchen auch an. Er muss politisch aktiv und vielleicht ein Kommunist sein. Das Mädchen begeht ja einen Frevel, weil sie sich mit ihm trifft. Manche Stellen sind in diesem Zusammenhang auch humorig: "Das Auto ist ein Armeleuteauto, in dem sich eine Frau wie du sich nicht einmal tot erwischen lassen würde." Teilweise spotten sie über den Standesunterschied, teilweise wird er aber auch bitterernst...

Aus meiner Sicht kann man Laura aufgrund des Fotos vermuten, auch ist sie die Autorin und hat ihrer Schwester die Hefte hinterlassen. Aber explizit habe ich das auch noch nicht gelesen .
HALT: Ich sehe gerade: im Klappentext steht es ;)
Den habe ich ehrlich gesagt diesmal nicht gelesen, da oft irreführend oder zu viel vom Inhalt verratend.
 

ulrikerabe

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Das hat mich auch verwundert.

Ja. Das deutet das Mädchen auch an. Er muss politisch aktiv und vielleicht ein Kommunist sein. Das Mädchen begeht ja einen Frevel, weil sie sich mit ihm trifft. Manche Stellen sind in diesem Zusammenhang auch humorig: "Das Auto ist ein Armeleuteauto, in dem sich eine Frau wie du sich nicht einmal tot erwischen lassen würde." Teilweise spotten sie über den Standesunterschied, teilweise wird er aber auch bitterernst...

Aus meiner Sicht kann man Laura aufgrund des Fotos vermuten, auch ist sie die Autorin und hat ihrer Schwester die Hefte hinterlassen. Aber explizit habe ich das auch noch nicht gelesen .
HALT: Ich sehe gerade: im Klappentext steht es ;)
In meinem Klappentext steht allerdings auch dass die Schwestern denselben Mann lieben.

[zitat]Der blinde Mörder
von Laura Chase
Reingold, Jaynes...
Vorwort:...
Sie besitzt einziges Foto...[/zitat] (bei mir auf Seit 17)

Der Roman scheint von Laura geschrieben worden zu sein. "Sie" muss aber nicht zwangsläufig Laura gewesen sein, vielleicht ist es Iris? Ist Laura überhaupt die Autorin?

Zu diesem Zeitpunkt würde ich nicht unterschreiben, wer wer ist.
 

ulrikerabe

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Dabei umgarnt der Mann das Mädchen, indem er ihr eine Geschichte, einen science fiction erzählt, die Geschichte der blinden Mörder.
Ich fand diese Geschichte unglaublich brutal, es ist fast nicht auszuhalten.
Sicher will Alex damit die Brutalität von Machtverhältnissen und Ausbeutung zeigen...aber auch das Mädchen an sich binden, denn die Geschichte hat eine starke Sogwirkung.
Unglaublich brutal, oder?

Ich bin mir bei "Geschichten in der Geschichte" nie ganz schlüssig, wie weit sie Einfluss auf den eigentlichen Handlungsstrang nehmen Hier ist es ja noch komplizierter, es ist genaugenommen eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte. Hier fällt es gar nicht so leicht abzustecken, was Rahmen, und was Bild ist.
 

ulrikerabe

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Danke @Leseglück für die Zusammenfassung.

Das Buch hat mich gepackt, nachdem ich auf den ersten paar Seiten gerätselt hatte, in welche Richtung es geht. Mir gefallen die Zeitanker als Zeitungsausschnitte, anhand derer man die Personen zuordnen kann.
Die zeitliche Zuordnung finde ich auch gut!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich hatte den Roman vor ein paar Jahren mal im englischen Original auf dem Tolino begonnen. Dabei Tat ich mich aber unglaublich schwer, gerade bei den Stellen, die "in der anderen Dimension" spielen.
Jetzt wundert mich das nicht mehr, weil diese Fiktion ja mit der tatsächlichen Handlung und ohne Redezeichen verwoben ist...
So gut bin ich in der Fremdsprache einfach nicht ;)

Vielleicht hat Laura die Geschichte von ihrem Liebhaber geklaut und aufgeschrieben?
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ich bin mir bei "Geschichten in der Geschichte" nie ganz schlüssig, wie weit sie Einfluss auf den eigentlichen Handlungsstrang nehmen Hier ist es ja noch komplizierter, es ist genaugenommen eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte. Hier fällt es gar nicht so leicht abzustecken, was Rahmen, und was Bild ist.
Mir gefallen diese Geschichten in den Geschichten ungemein gut. Wenn ich richtig gezählt habe, sind es hier fünf. 1. Das physische Buch selbst, 2. Die Geschichte von Iris, die vom Tod ihrer Schwester berichtet und deren Leben im weiteren beschrieben wird, 3. Das Buch, das angeblich Laura geschrieben hat und das offenbar autobiografische Bezüge hat, 4. Die Geschichte von Laura und ihrem Liebhaber und 5. die Geschichte, die der Liebhaber Laura erzählt. Alle Geschichten sind ineinander verstrickt, ganz schön viel für die ersten 50 Seiten, macht aber Lust auf mehr.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Mir gefallen diese Geschichten in den Geschichten ungemein gut. Wenn ich richtig gezählt habe, sind es hier fünf. 1. Das physische Buch selbst, 2. Die Geschichte von Iris, die vom Tod ihrer Schwester berichtet und deren Leben im weiteren beschrieben wird, 3. Das Buch, das angeblich Laura geschrieben hat und das offenbar autobiografische Bezüge hat, 4. Die Geschichte von Laura und ihrem Liebhaber und 5. die Geschichte, die der Liebhaber Laura erzählt. Alle Geschichten sind ineinander verstrickt, ganz schön viel für die ersten 50 Seiten, macht aber Lust auf mehr.
Also ist das Buch im großzügigen Lichte betrachtet ein Kandidat für die Themenleserunde "Bücher über Bücher" :D.
Mir gefällt es bisher auch sehr gut. Die ausgedachte Geschichte von Laura´s Liebhaber hat es in der Tat ganz schön in sich. Aber an die von @KrimiElse genannte Kulturgeschichte der Menschheit hatte ich auch sofort gedacht. Manchmal braucht man ja nur ein paar Sätze lesen und weiß sofort, was gemeint ist.
Ich bin gespannt, ob die genannte (am rechten Bildrand wie abgeschnittene) Hand noch eine Rolle spielt und wem sie gehört.

Einziges bisheriges Manko: die arg kleine Schrift :rolleyes:;). Nicht gut für die Augen alternder Männer :D.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Aus meiner Sicht kann man Laura aufgrund des Fotos vermuten, auch ist sie die Autorin und hat ihrer Schwester die Hefte hinterlassen. Aber explizit habe ich das auch noch nicht gelesen .
Ich glaube, dass Laura die Autorin der Geschichte ist, ist aufgrund der hinterlassenen Hefte und der offenkundigen autobiographischen Bezüge zwischen der erzählten Geschichte eines Liebespaares und dem, was der Klappentext verrät, sehr wahrscheinlich.
Außerdem gibt es ja eine Art Überschrift: Der blinde Mörder von Laura Chase, Reingold, Jaynes&Moreau, New York 1947, das uns verrät, dass der Roman in diesem Verlag im Jahr 1947 erschienen ist.

Mir gefällt gut, dass wir sozusagen sukzessive diese Geschichte lesen, in der die Autorin oder der Autor die Liebesgeschichte zweier Menschen erzählt, die nicht ohne Komplikationen abläuft, und in der wiederum diese fantastische Geschichte verwoben ist, die der Liebhaber erzählt.
Daneben die Zeitungsausschnitte, die ein reales Geschehen suggieren und die zu dem passt, was uns die Ich-Erzählerin am Anfang kurz erzählt. Sehr komplexer Aufbau - gefällt mir extrem gut ;) und macht Lust auf mehr!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Dieses Buch liest sich echt toll! Wobei ich noch etwas auf den latent bösen Humor der Atwood warte. Der kam am Anfang nicht so zum Vorschein. Aber die vielen Handlungsstränge, die sich erahnen lassen, klingen schon einmal höchst interessant. Laura und Iris, die Schwestern der Fabrikantenfamilie Chase aus Port Ticonderoga und Alex Thomas, der Gewerkschaftsagitator, im weiteren Verlauf wird hier sicher noch der von mir geliebte latent böse Humor der Atwood kommen. Die genannte Gemengelage schreit ja förmlich danach. Der posthum erschienene Roman wurde 1947 herausgebracht, also zwei Jahre nach Lauras Tod. Wobei mir nicht so klar ist, welche Geschichte dort erzählt wird, dem Titel nach zu urteilen könnte es sich einerseits um die Science Fiction Geschichte handeln (diese ist ja aber vom männlichen Erzählpart, eventuell Alex), es könnte aber auch die "Liebesgeschichte" zwischen den beschriebenen Personen sein. Auf jeden Fall ist die Geschichte echt spannend und schön verworren.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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der von mir geliebte latent böse Humor der Atwood
Ich finde der kommt an dem nächsten Teil bei den Erinnerungen der alten Iris zum Vorschein. Herrliche kleine Sätze mit "Biss".
Ich habe bis jetzt nur den Report der Magd gelesen, der mir zugegebenermaßen zu dystopisch war. Damals mit 17 wie heute.
Dieser Roman ist erfrischend anders. Er gefällt mir auch sehr!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Von Margarete Atwood hatte ich vor vielen Jahren Oryx und Crake gelesen, was einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Jetzt also mein zweites Buch von dieser Autorin.

In den ersten zwei Kapiteln gibt es vier Zeitungsartikel, die die wichtigen Personen und deren Schicksal verraten.

1945: Laura Chase stibt im Alter von 25 Jahren. Sie begeht Selbstmord indem sie ihr Auto über eine Brücke steuert.

1947: Richard Griffen stirbt. Er ist der Ehemann von Iris Chase, der Schwester von Laura. In dem Zeitungsartikel seht außerdem, dass Richard eine Schwester hat: Winifred Prior. Aimee, die Tochter von Richard und Iris ist zu dem Zeitpunkt 10 Jahre alt.

1975 :Aimee stirbt nach Alkohol- und Drogenproblemen, ihre Tochter Sabrina ist zu dem Zeitpunkt 4 Jahre alt.

Hier fand ich überraschend, dass Sabrina in die Obhut von Winifred Prior gekommen ist und nicht - wie man erwarten würde - in die Obhut ihrer Großmutter Iris. Ich denke, dass sich hier ein tiefer Konflikt abzeichnet.

1998: in diesem Zeitungsartikel erfahren wir vom Tod Winifreds.

Außer diesen Zeitungsartikeln gibt es einen Handlungsstrang, der von den geheimen Treffen von einem Mann und einer jungen Frau erzählt (Alex und Laura). Dabei umgarnt der Mann das Mädchen, indem er ihr eine Geschichte, einen science fiction erzählt, die Geschichte der blinden Mörder.
Ich fand diese Geschichte unglaublich brutal, es ist fast nicht auszuhalten.
Sicher will Alex damit die Brutalität von Machtverhältnissen und Ausbeutung zeigen...aber auch das Mädchen an sich binden, denn die Geschichte hat eine starke Sogwirkung.

Ein starker Einstieg in den Roman, spannend und sprachlich super, wie ich finde.
Die Jahreszahlen hast du schön aufgelistet, dies habe ich in meinem Notizbuch auch sofort getan.