Rezension Rezension (4/5*) zu Willkommen in Lake Success: Roman von Gary Shteyngart.

Leseglück

Aktives Mitglied
7. Juni 2017
543
1.272
44
67
Selbstfindungstrip eines Superreichen

Gary Shteyngarts Roman "Willkommen in Lake Success" ist ein über weite Strecken spannend zu lesende "Roadtrip-Geschichte", in der man als Leser in die Welt der reichsten 0,1 Prozent der amerikanischen Gesellschaft geführt werden. Hauptfigur ist Barry Cohen, ein super reicher Hedgefonds Manager. Er lebt in New York in einem riesigen Appartement, zusammen mit seiner schönen jungen Frau und seinem dreijährigen Sohn. Für Barry zählen nur Reichtum und Status. Als er erkennen muss, dass sein Sohn schwer autistisch ist, bricht für ihn der Traum von einem perfekten Leben zusammen. Nach einem Streit mit seiner Frau entschließt er sich spontan, alles stehen und liegen zu lassen und sich auf einen Roadtrip quer durch die Weiten seines Landes zu machen.
Vages Ziel seiner Reise ist seine Ex-Freundin aus Studientagen, mit der er noch einmal ein neues Leben beginnen will. Bewusst reist er nicht wie es in seinen Kreisen üblich wäre mit einem Netjet-Flieger, sondern mit dem Greyhoundbus, in dem in den USA diejenigen unterwegs sind, die sich keine Flugtickets leisten können. Barry wirft auch seine exquisite Kreditkarte weg, um seine Reise endgültig zu einem Neuanfang werden zu lassen. Nur mit einem Koffer, in dem sich seine millionenschwere Uhrensammlung befindet macht er sich auf den Weg zum Busbahnhof in New York.

In Gegensatz zu Barry akzeptiert seine junge Ehefrau ihr Leben mit einem behinderten Kind. Sie scheint einen funktionierenden moralischen Kompass zu haben. Könnte aus Barry nicht auch noch ein liebender und verantwortungsvoller Vater für seinen behinderten Sohn werden? Werden die zurück gelegten Meilen und die Erfahrungen mit Menschen aus anderen sozialen Schichten einen besseren Menschen aus Barry machen? Diese Fragen bilden die Klammer um den Roman, und sorgen für dessen Dynamik. Ohne all zu viel zu verraten darf doch gesagt werden, dass man als Leser sehr sehr lange auf eine Charakteränderung warten muss. Barry bleibt lange der gleiche arrogante, gefühlsblinde und seltsam realitätsfremde Mensch, der er zu Beginn des Romans war.

Die stärksten Stellen des Romans sind diejenigen, in denen der böse Humor des Autors aufblitzt. Gary Shteyngart schreibt über die Lebensgewohnheiten besonders der reichen Gesellschaftsschichten in den USA mit einer ironisch-sarkastischen Distanz. Als Barry z.B.einen schwarzen Drogendealer kennenlernt, entsteht in ihm der selbstgefällige Wunsch, den Schwarzen in dessen Problemviertel zu helfen. Als Uhrenliebhaber stellt er sich vor, dort einen Urban Watch Fond zu gründen, um den Jugendlichen in dem Problemviertel Kultur beizubringen - ein grotesker, weltfremder Gedanke. Mit ironischer Distanz schildert der Autor, die bevorzugten Marken für Whiskey, Hemden und Seife bis hin zu den üblichen Sexualpraktiken der Superreichen.
Leider wird aber in dem Roman die ironische Distanz zu unserem Helden nicht durchgehalten. Einerseits benimmt er sich grotesk, anderseits wirbt der Autor auch um Mitleid für ihn, schließlich hat Barry früh seine Mutter verloren und scheint autistische Züge zu haben. Durch diese Mischung von Sarkasmus und Tragik verliert der Roman an Würze.

"Willkommen in Lake Success" ist ein, über weite Strecken spannend zu lesender Roadtrip Roman, mit ironisch-sarkastischen Zügen, in der die Gesellschaft der USA am Vorabend der Wahl von Doland Trump zum Präsidenten porträtiert wird. Auch wenn die Mischung aus Ironie und Tragik nicht immer gelungen ist, hat der Roman doch insgesamt einen hohen Unterhaltungswert.