1. Leseabschnitt: "Mimmo" und "Nanà" (Anfang bis S. 36)

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.869
7.759
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Und warum hat der die Schuhe gestohlen, im Grunde hat er nun auch einem Kind Schaden zugefügt wie er es selbst immer erlebt. Er kann doch die Schuhe nirgends tragen ohne das es auffällt.

Vielleicht kann Christofaro die Schuhe bei Totó als Bezahlung einsetzen - für den Auftragsmord an seinem gewalttätigen Vater? Weshalb haben die beiden Buben aber darauf verzichtet, der leichtsinnigen Touristin im Bus die Geldbörse zu stehlen? Das hat mich doch gewundert...
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.971
1.732
49
60
Aus einem Klepper ein Sieger-Rennpferd zu machen. Das ist doch sehr ambitioniert.

Also ich habe das eher so verstanden, das dieses Pferd vorher ein Rennpferd war sich dann aber verletzt hatte. Eigentlich hätte Mimmos Vater das Tier schlachten sollen. Doch er dachte wahrscheinlich das der dieses Pferd wieder fit bekommt. Was er dann mit ihm anstellt, erfährt man ja später und ist schlimmer als gut und böse.
 

ElisabethBulitta

Bekanntes Mitglied
8. November 2018
1.316
2.369
49
53
Die Prozession, zu der sich immer mehr Bewohner des Dorfes anschließen, erinnert mich an eine kirchliche Prozession. Die beiden Jungs und Celeste führen diese Prozession an. Fehlen nur noch die Palmwedel, die dem Pferd vor die Hufe gelegt werden, damit es darauf wandeln kann.

Ich muss gestehen, dass ich zuerst den Gedanken mit der religiösen/christlichen Prozession ein wenig seltsam fand, erst recht den Bezug zum Palmsonntag, denn dort wird ja der König begrüßt, nicht der Esel. ;) Auf der anderen Seite, nach einigem Nachdenken, komme ich zu dem Schluss, dass hier eben das Pferd die Erlösung bringen soll. Wenn es, so abwegig dieser Gedanke auch ist, "Geld bringt", zum Sieger bringt, wird es auch das Elend ein wenig abmildern. Allerdings markiert der Einzug in Jerusalem auch den Beginn der Leidentage, der Passion. Wenn man dieses bedenkt, ist hier ein "Scheitern" schon vorprogrammiert, d.h. das Nanà wird wohl kaum für ein Ende der Misere sorgen - zumindest nicht vordergründig.
 

ElisabethBulitta

Bekanntes Mitglied
8. November 2018
1.316
2.369
49
53
Schon das zweite Kompliment heute. :D Hab' nur heute schon zu meiner Chefin gesagt, dass es toll wäre, wenn mein Kopf auch dann funktionieren würde, wenn er soll. :oops:
 

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.904
12.644
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
1.538
3.981
49
48
Leider hatte ich diese Woche wenig Zeit zum Lesen. Den Abschnitt hatte ich zwar schon letzten Sonntag gelesen, habe heute aber noch einmal vorn angefangen. Die Sprache finde ich sehr eingängig und bildhaft. Die Geschichten der Kinder sind traurig. Das habt ihr alles schon geschrieben. Ich mache mich daher auf zum nächsten Abschnitt.
 

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Obwohl der erste Leseabschnitt nur gut 30 Seiten lang ist, musste ich einige Male innehalten um meine angestaute Wut auszuatmen, wie bei dem Satz auf Seite 7: in Borgo Vercchio wusste man, das Cristofaro jeden Abend das Bier seines Vaters weinte.
Was für eine schöne Sprache für diese Grausamkeit.

Die Lethargie der Leute im Borgo, die Gleichgültigkeit mit der sie sich in ihr Schicksal ergeben, ist nur schwer auszuhalten.
Eine fast archaische Grausamkeit gegen Mensch und Tier ist allgegenwärtig. Alle wissen, was allabendlich mit Cristofaro geschieht und alle schweigen, irgendwann wird er oder der Alte tot sein, aber bis dahin.....

Kaum vorstellbar, dass die Kinder trotzdem eine Art Kindheit erleben und sich versuchen zu behaupten.
Mir ging es ähnlich wie Dir, trotz der Kürze kann ich das Buch nicht schnell lesen. Es steckt so viel Grausamkeit in der bildhaften poetischen Sprache, dass es mir beim Lesen fast den Atem raubt. Ich denke wie du, dass das Buch definitiv in der jüngeren Vergangenheit anzusiedeln ist, bin mir aber gar nicht sicher, ob das für die Geschichte eine Rolle spielt.
Es spielt heute, könnte aber von der Konstellation her genauso gut eine Geschichte der Vergangenheit sein. Cristofano wird geprügelt, und alle schauen weg, niemand hilft dem Hilflosen. Camela, die Prostituierte, liebt die Madonna und ihr eigenes Kind, für das sie nur eine düstere Zukunft wegen ihrer Häßlichkeit sieht und das sie wegen der Freier auf den Balkon sperrt. Und Mimmos Vater ist ein Aufschneider und Betrüger.
Es hat sich nichts geändert im Umgang mit Schwachen, der Held der Kinder ist Totò, der nebulös und irgendwie als gerechter Rächer erscheint in ihren Köpfen.
 

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Das erste Kapitel heißt Mimmo.
Mimmo ist an einem ersten Sonntag im September geboren und heißt eigentlich Domenico. Interessanterweise wusste der Vater (Giovanni) nicht, dass Mimmo für Domenico steht, interessant deswegen, weil Sonntag auf italienisch domenica heißt.
Mimmos Vater ist ein Schlitzohr, betrügt seine Kunden mit einer getürkten Waage.
Aber am meisten bewegt die Erzählung rund um Mimmos Freund Cristofaro, der täglich von dessen Vater misshandelt wird. Alle im Borgo Vecchio wissen das, die Mutter versteckt ihre eigenen blauen Flecken unter Make up. Niemand hilft, setzt sich ein. So etwas macht mich rasend.

"Nanà" ist ein abgehalftertes Pferd, das Giovanni gewinnbringend bei rennen einsetzten will. Giovanni ist ein mieser Aufschneider und profiliert sich mit dem Gaul. Hier geht der Erzähler zurück in der Geschichte,erinnert an Erlebnis von Mimmo und Cristofaro im Sommer. Nach einem Ausflug zum Meer ließen sich die beiden von einem Kutscher mitnehmen. Das Pferd war Nana. Cristofaro hatte seinem Vater Geld aus der Börse genommen, was er noch bereuen wird. Die Jungs überlegen, wie zu Geld kommen könnten, um Toto zu engagieren, dass dieser Cristofaros Vater tötet. Da ist ganz viel Traurigkeit und Verzweiflung in dem Roman. Cristofaro klaut einem fremden Kind "goldene Schuhe". diesem Kind begegnen sie auf der Heimfahrt im Bus. [zitat]Ein Kind. Ab und zu ein Schluchzer und eine Träne. er wackelte mit den Zehen, als tasteten sie nach den Schuhen.[/zitat]
Solche Sätze berühren mich.
Die Szene mit dem Kutscher, als er die schlafenden Jungs betrachtet, war mir dann fast schon zu salbungsvoll.

Zum Schluss des Kapitels lernen wir noch Celeste und ihre Mutter Carmela, die Prostituierte des Viertels kennen. Carmela liebt "himmelblau", weil die Madonna einen Mantel in dieser Farbe trägt. Die Muttergottes und die Hure, und so einfach scheint das Frauenbild im Borgo Vecchio.

Ich musste dann tatsächlich nachschlagen was "aus Daffke" bedeutet. Das habe ich noch nie gehört oder gelesen, scheint mir von der Übersetzerin auch etwas seltsam, einen offensichtlich norddeutschen Begriff zu verwenden.

Ich würde das Buch auch gerne besser örtlich und zeitlich einordnen können. Wo der Borgo Vecchio liegt habe ich nicht herausfinde können. Zeitlich sollte es zumindest nach der Euro Einführung liegen, denn mit 10 Lire, wären die Jungs am Strand nicht sehr weit gekommen.
Im Grunde spielt es für die Geschichte keine große Rolle, aber ich mag ein Buch ganz gern verankern können.
danke für diese wunderbare Zusammenfassung.
Was bedeutet „aus Daffke“?
 

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Das trifft es genau. Die Grundstimmung in diesem Borgo Vecchio ist grau. Man hat wenig Freude oder Hoffnung. Man schaut lethargisch auf die Straße, greift nicht ein. Alles ist Familiensache.

Dennoch empfinde ich keine Wut. Eher Schmerz angesichts der Ungerechtigkeiten. Cristofaro hat sein Schicksal angenommen, er kennt seinen Vater nur so, wie er ist, er hat aufgegeben. Wie sollte er sich auch gegen den Stärkeren zur Wehr setzen? Enttäuschend ist das Verhalten der Mutter. Aber auch dafür hat man im realen Leben schon genug Beispiele gesehen. Sie wird selbst voller Angst stecken und sich selbst aufgegeben haben. Immerhin erreicht sie für den Sohn ein paar Tage Prügelpause.

Wie verschlossen der Junge auch mit seinem Schicksal umgeht! Er deckt den Vater, sagt weder Ärzten noch Lehrern sie Wahrheit. Wobei man bei letzteren davon ausgehen muss, dass sie Bescheid wissen.
Oh ja, das trifft die Stimmung sehr gut...grau und trostlos.
Cristofanos Verhalten ist irgendwie bezeichnend dafür, wie sich geprügelte Kinder verhalten. Es bleibt in der Familie, niemals freiwillig etwas äußern...
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Literaturhexle

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Aus einem Klepper ein Sieger-Rennpferd zu machen. Das ist doch sehr ambitioniert. Die Prozession, zu der sich immer mehr Bewohner des Dorfes anschließen, erinnert mich an eine kirchliche Prozession. Die beiden Jungs und Celeste führen diese Prozession an. Fehlen nur noch die Palmwedel, die dem Pferd vor die Hufe gelegt werden, damit es darauf wandeln kann.
Ich sehe in der Aktion die Vergeblichkeit des Bemühens im Viertel, etwas zu erreichen. Und ja, die Prozession hat auch für mich kirchlichen Charakter, allerdings zugleich auch Anerkennung für den Mut, etwas zu tun, der Hoffnung auf Auswege folgen, wenn es auch sinnlos ist wie wir von Mimmo und Cristofano wissen. Aber ein Ausweg ist es doch, nämlich für die beiden Jungen, den Vätern etwas mehr zu entkommen.