3. Leseabschnitt: Von Seite 127 bis 172

Literaturhexle

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Hier diskutieren wir von Anfang des Teil 2 (S. 127) bis Seite 172.

Beginn des letzten Satzes: "Und du fragst dich,ob du aus dem Auto hättest aussteigen und...".
 

Literaturhexle

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Mit dem zweiten Teil bekommt der Leser mehr Klarheit über die bestehende unterschwellige Melancholie und ihre Ursachen.
Paul und Susan leben jetzt zusammen. Sie haben ein altes Haus liebevoll renoviert.

"Ich habe einiges ausgelassen, was ich jetzt nicht mehr aufschieben kann."
Gordons Gewalttätigkeit kommt zur Sprache. Zunächst werden zwei Episoden geschildert, in dem der Ehemann Paul aggressiv und angetrunken attackiert. Susan erfährt davon nichts. Später schlägt er seine Frau dermaßen, dass der Unterkiefer gebrochen ist und sie mehrere Zähne verliert. Sie erträgt die Behandlungen stoisch - fast als ob sie sie als "Strafe" hinnimmt. Er hat sie wohl schon früher tätlich und verbal angegriffen niemals aber sexuell.

Eine Tochter taucht im Haus auf, kein freundlicher Besuch . Ich glaube, Susan wird zunehmend die Tragweite ihrer Entscheidung klar. Sie hat mehr riskiert als ihr junger Geliebter und sie kann mehr verlieren.

Susan gerät aus dem Gleis. Sie beginnt zu trinken, nimmt Antidepressiva. Zunächst heimlich sucht sie ihren Mann auf, angeblich, weil sie viel zu besprechen haben. Doch auf einmal kommt sie wieder ziemlich verletzt heim - angeblich ist sie gestürzt....
Paul bestellt einen Arzt, merkt aber, dass er ihm gegenüber auch nicht ehrlich sein kann: weder über seine wahre Beziehung zu Susan noch über ihren Alkoholkonsum.

Joan verhält sich erneut sehr konsequent. Sie macht Paul unmissverständlich klar:
[zitat]Ich kann nur eins sagen - wenn alles den Bach runter geht und der Karren im Dreck steckt, wirst du wahrscheinlich drüber wegkommen und sie wahrscheinlich nicht. (S. 167)[/zitat]
Eric wohnt jetzt mit im Haus als Untermieter, was Paul beruhigt. Überrascht war er zuvor, dass seine Altersgenossen genauso reserviert auf seine (alte) Geliebte reagieren wie deren Eltern. Ich glaube, Paul hat recht, wenn er sagt, er müsse erst noch erwachsen werden und seine Naivität abstreifen.

Dieser Abschnitt war extrem kurzweilig.
 

Querleserin

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Paul hat wirklich weniger als Susan zu verlieren, er ist noch jung und noch nicht gebunden, hat keine Kinder und keine gemeinsamen Verpflichtungen. Er bringt es gut auf den Punkt:
"Ich würde neben der Arbeit einhertraben; die Liebe würde mein Leben sein." (129)

Sein Wunsch Anwalt zu werden, ist jedoch darin begründet, dass auch er etwas zu ihrem Lebensunterhalt beitragen will.

Wie @Literaturhexle schon erwähnt hat, kommen jetzt die negativen Erinnerungen zutage. Das Bild, das Barnes dafür verwendet, gefällt mir außerordentlich gut:
"Das Leben ist ein Querschnitt, die Erinnerung ist ein Spalten durch den Kern, und die Erinnerung folgt diesem Spalt bis zum bitteren Ende." (142)

Er hat sie wohl schon früher tätlich
Das wird irgendwo auch schon im 1. oder 2.Abschnitt angedeutet. Ein Daumenabdruck an Susans Arm.

Der Wechsel von der Ich- zur Du-Perspektive (S.151) erfolgt innerhalb der Darstellung der negativen Erinnerungen - es scheint, als wolle sich der Ich-Erzähler von den Geschehnissen distanzieren, als seien sie einem anderen Ich geschehen. Er will das Erlebte nicht an sich heranlassen - daher der Perspektivwechsel. Das ist meine Vermutung...
 

kingofmusic

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Das Bild, das Barnes dafür verwendet, gefällt mir außerordentlich gut:
"Das Leben ist ein Querschnitt, die Erinnerung ist ein Spalten durch den Kern, und die Erinnerung folgt diesem Spalt bis zum bitteren Ende." (142)
Genau diesen Satz hatte ich mir auch notiert - irre, wie Barnes mit der Sprache spielt. Das zeugt von großem literarischen Können!!!
 

kingofmusic

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Ich musste echt schlucken und bekomme bei dem Gedanken daran jetzt noch eine Gänsehaut, als Barnes auf den Seiten 154-156 die Zerrissenheit Susans gegenüber der Scheidung von Mister EB "referiert" - große Erzählkunst und so gefühlsecht.
@Literaturhexle @Helmut Pöll : hattet ihr nicht schon andere Bücher von Barnes gelesen? Im November kommt übrigens ein neues Buch mit 10 Kurzgeschichten (irgendwas mit Kunst).
 

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Helmut Pöll

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große Erzählkunst und so gefühlsecht.
An der Stelle bin ich jetzt auch und stimmer Dir zu..
[zitat]Du erkennst, dass sie, selbst wenn sie so ein freier Geist ist, wie du immer angenommen hast, auch ein beschädigter freier Geist ist. Du begreifst, dass dem ein Gefühl der Scham zugrunde liegt.[/zitat]

Barnes scheint ein unheimlich lebenskluger Mann zu sein.
 
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Mit dem zweiten Teil bekommt der Leser mehr Klarheit über die bestehende unterschwellige Melancholie und ihre Ursachen.
Paul und Susan leben jetzt zusammen. Sie haben ein altes Haus liebevoll renoviert.

"Ich habe einiges ausgelassen, was ich jetzt nicht mehr aufschieben kann."
Gordons Gewalttätigkeit kommt zur Sprache. Zunächst werden zwei Episoden geschildert, in dem der Ehemann Paul aggressiv und angetrunken attackiert. Susan erfährt davon nichts. Später schlägt er seine Frau dermaßen, dass der Unterkiefer gebrochen ist und sie mehrere Zähne verliert. Sie erträgt die Behandlungen stoisch - fast als ob sie sie als "Strafe" hinnimmt. Er hat sie wohl schon früher tätlich und verbal angegriffen niemals aber sexuell.

Eine Tochter taucht im Haus auf, kein freundlicher Besuch . Ich glaube, Susan wird zunehmend die Tragweite ihrer Entscheidung klar. Sie hat mehr riskiert als ihr junger Geliebter und sie kann mehr verlieren.

Susan gerät aus dem Gleis. Sie beginnt zu trinken, nimmt Antidepressiva. Zunächst heimlich sucht sie ihren Mann auf, angeblich, weil sie viel zu besprechen haben. Doch auf einmal kommt sie wieder ziemlich verletzt heim - angeblich ist sie gestürzt....
Paul bestellt einen Arzt, merkt aber, dass er ihm gegenüber auch nicht ehrlich sein kann: weder über seine wahre Beziehung zu Susan noch über ihren Alkoholkonsum.

Joan verhält sich erneut sehr konsequent. Sie macht Paul unmissverständlich klar:
[zitat]Ich kann nur eins sagen - wenn alles den Bach runter geht und der Karren im Dreck steckt, wirst du wahrscheinlich drüber wegkommen und sie wahrscheinlich nicht. (S. 167)[/zitat]
Eric wohnt jetzt mit im Haus als Untermieter, was Paul beruhigt. Überrascht war er zuvor, dass seine Altersgenossen genauso reserviert auf seine (alte) Geliebte reagieren wie deren Eltern. Ich glaube, Paul hat recht, wenn er sagt, er müsse erst noch erwachsen werden und seine Naivität abstreifen.

Dieser Abschnitt war extrem kurzweilig.

Jetzt kommt also das Leben wie es ist.

Beide fliehen in ein neues Leben und Susan beginnt zu verstehen was diese Entscheidung bedeutet. Leider hat Joan ganz recht mit der Behauptung das Susan mehr zu verlieren hat.

Sie hat von ihrem Mann Gewalt erfahren, kann aber den Kontakt nicht einfach abbrechen. Traurig! Aber irgendwie auch nachvollziehbar nach der zusammen erlebten Zeit. Beide haben eine Geschichte zusammen. Dies zur einzigen Geschichte. Was ich sowieso bezweifle. Ich denke wir alle haben mehrere Geschichten, aber alles müssen Geschichten sein, die uns verändern.

Paul lernt jetzt was das Leben bedeutet.

Um Susan habe ich etwas Angst, wenn ich an den Alkohol und die Tabletten denke. Hhmm. …

Und Joan finde ich immer noch wunderbar!
 
G

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Joan verhält sich erneut sehr konsequent. Sie macht Paul unmissverständlich klar:
[zitat]Ich kann nur eins sagen - wenn alles den Bach runter geht und der Karren im Dreck steckt, wirst du wahrscheinlich drüber wegkommen und sie wahrscheinlich nicht. (S. 167)[/zitat]
Das Zitat ist herrlich!
 
G

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Genau diesen Satz hatte ich mir auch notiert - irre, wie Barnes mit der Sprache spielt. Das zeugt von großem literarischen Können!!!

An der Stelle bin ich jetzt auch und stimmer Dir zu..
[zitat]Du erkennst, dass sie, selbst wenn sie so ein freier Geist ist, wie du immer angenommen hast, auch ein beschädigter freier Geist ist. Du begreifst, dass dem ein Gefühl der Scham zugrunde liegt.[/zitat]

Barnes scheint ein unheimlich lebenskluger Mann zu sein.

Barnes ist ein wundervoller Schriftsteller!
 

Literaturhexle

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Dies zur einzigen Geschichte. Was ich sowieso bezweifle. Ich denke wir alle haben mehrere Geschichten, aber alles müssen Geschichten sein, die uns verändern.
Ich denke auch, das ist die Sichtweise des Erzähler. Für ihn war Susan die Liebe seines Lebens, an sie fühlte er sich gebunden, von ihr kam er lange nicht los. Aber warum soll man nicht mehrere Lieben haben? Heute mag das einfacher sein als früher, aber unser Protagonist hat sich ja schon zu Beginn als Pessimist geoutet: soll man mehr lieben und auch mehr leiden usw....
Um Susan habe ich etwas Angst, wenn ich an den Alkohol und die Tabletten denke. Hhmm. …
Sehr hellsichtig von dir.