Bis jetzt hatte ich von Keyserling nur "Wellen" gelesen, jetzt diese Erzählung, die kurz vor und am Anfang des Großen Krieges angesiedelt ist. Im Mittelpunkt steht Paul, der Sohn des Bankiers von Ost und seiner Frau. Zu Beginn der Geschichte sind sie im Aufbruch in die Sommerresidenz auf dem Land.
Herr von Ost wird als erfolgreicher, unterkühlter Patriarch beschrieben. Seine Frau achtet ihn zwar, ist aber verliebt in den Volontär von Wirden, einen lebenslustigen Mann, der ihr offensichtlich den Hof macht. Paul mag ihn, weil er (Im Gegensatz zum strengen Vater) lustig ist und die Mutter in seiner Gegenwart viel lacht.
Paul leidet unter dem dominanten Vater. Er weiß, dass er dessen Ansprüchen nicht genügt: er ist ihm zu schwach, zu dünn, zu verweichlicht.
Paul ist oft sich selbst überlassen. Er hegt eine ambivalente Bewunderung für die zwei Dorfkinder Lulu und Nandl, die ihn für einen Feigling halten.
Paul wird Zeuge der Liebeserklärung von Wirdens an seine Mutter, er spürt auch, dass die Ehe seiner Eltern unglücklich ist, realisiert aber auch die Heuchelei, hinter der sie sich verstecken. Niemand spricht mit ihm.
Dann bricht der Krieg aus. Von Ost fällt. Auf einmal mutiert der Vater im Hause zum Helden, alle weinen, nur Paul nicht.
Paul übt sich darin, Mut zu haben. Er will Nandl imponieren, sie stößt ihn aber (ungerechtfertigt) von sich. Paul will nun ins Feld ziehen, um seine Tapferkeit zu beweisen. Er wandert los durch den Wald, der ihn zunächst noch freundlich umfängt, zunehmend ziehen aber Sturm und Gewitter auf. Der Junge wird unterkühlt. An den Folgen wird er sterben.
Wie er es ersehnt hat, versammeln sich nun Lulu und Nandl an seinem Grab. Er hat ihre Anerkennung erlangt.
Zudem "war ein neuer Sieg gemeldet worden".
Die Geschichte liest sich gut. Der Erzähler übernimmt die Perspektive des Jungen Paul. Man kann die vielen Emotionen in der Geschichte sehr gut nachvollziehen.
Es gibt die Ebene rund um Paul und die Ebene zwischen den Erwachsenen. Der Krieg mischt die Karten neu.
Beeindruckt haben mich die Stimmungen, die der Autor in wunderbaren Beschreibungen von der Natur widerspiegelt. Sehr gekonnt!
Man hätte der Witwe einen neuen Anfang mit dem Volontär gegönnt. Sie kann aber aus ihren Konventionen nicht ausbrechen.
Der Tod des Jungen hat mich überrascht, passt aber zur Stimmung der Erzählung.
Ich bin gespannt, was ihr zu sagen habt. Es steckt ja noch viel mehr drin.